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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Ein Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

schützten Thaten unsrer Väter, deren Glanz noch 1863, wo Hunderte von er¬
grauten Kämpfern aus dem Jahre 1813 in Leipzig versammelt waren, über
ein halbes Jahrhundert hinweg in die Gegenwart hereinzuleuchten schien, dann
freilich vor den Ereignissen von 1866 und 1870 eine Zeit lang verblaßte, son¬
dern vor allem auch im Hinblick auf die Geschichte der zahlreichen Anläufe
und Versuche, die seit 1813 zur Ausführung dieses Planes gemacht worden
sind, und die schlaff und gleichgiltig im Sande verlaufen zu lassen unsers
Volkes heute weniger würdig wäre denn je zuvor. Dies wird ein kurzer Über¬
blick über diese Versuche, die dem heutigen Geschlechte Wohl so gut wie unbe¬
kannt sind, hoffentlich erkennen lassen. Zugleich bietet dieser Überblick einen
merkwürdigen Ausschnitt aus den kümmerlichen Kunstzuständen Deutschlands
zur Zeit der Befreiungskriege, wobei aber doch die Möglichkeit nicht aus¬
geschlossen ist, daß ein Künstler der Gegenwart zu der jetzt geplanten Ausfüh¬
rung der Sache einzelne Anregungen daraus schöpfe.

"Daß auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenkmal errichtet werden muß,
das dem spätesten Enkel noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813
geschehen, darüber ist wohl in ganz Teutschland, ja wohl in der ganzen Welt
nur eine Stimme." So schrieb Arndt 1814 in einem Aufsatze: "Über ein
Denkmal bei Leipzig", den er zweien seiner kleinen Flugschriften: "Ein Wort
über die Feier der Leipziger Schlacht" und "Entwurf einer teutschen Gesell¬
schaft" als Anhang beigegeben hatte. Er machte auch gleich einen bestimmten
Vorschlag für die Gestalt des Denkmals. "Ein kleines, unscheinbares Denkmal --
sagt er --, das sich gegen die Natur umher in nichts gleichen kann, thut es
nicht; ein zierliches und blankes, etwa in Leipzig selbst auf einen Platz hin¬
gestellt, würde in seiner Armseligkeit von der großen That, wodurch die Welt
von dem abscheulichsten aller Tyrannen und dem tückischsten aller Tyrannen¬
völker befreit ward, zu sehr beschämt werden. Das Denkmal muß draußen
stehen, wo so viel Blut floß; es muß so stehen, daß es ringsum von allen
Straßen gesehen werden kann, auf welchen die verbündeten Heere zur blutigen
Schlacht der Entscheidung heranzogen. Soll es gesehen werden, so muß es
groß und herrlich sein, wie ein Koloß, eine Pyramide, ein Dom in Köln.
Aber solches in großer Kraft und im großen Sinn zu bauen, fehlt uns das
Geld und das Geschick, und ich fürchte, wenn man bei kleinen Mitteln etwas
ähnliches machen will, kömmt etwas erbärmliches heraus. Ich schlage daher
etwas ganz einfaches und ausführliches Ausführbares^ vor, ein Denkmal, wobei
die Kunst keine Äffereien anbringen und wogegen unser nordischer, allen Denk¬
mälern so feindseliger Himmel nichts ausrichten kann. Ich befestige einige
tausend Soldaten oder Bauern in die Ebene von Leipzig hin und lasse sie in
der Mitte des meilenlangen Schlachtfeldes einen Erdhügel von etwa 200 Fuß
Höhe auftürmen. Auf den Erdhügel werden Feldsteine gewälzt, und über diesen wird
ein kolossales, aus Eisen gegossenes und mit mancherlei Anspielungen^und Zeichen


Ein Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

schützten Thaten unsrer Väter, deren Glanz noch 1863, wo Hunderte von er¬
grauten Kämpfern aus dem Jahre 1813 in Leipzig versammelt waren, über
ein halbes Jahrhundert hinweg in die Gegenwart hereinzuleuchten schien, dann
freilich vor den Ereignissen von 1866 und 1870 eine Zeit lang verblaßte, son¬
dern vor allem auch im Hinblick auf die Geschichte der zahlreichen Anläufe
und Versuche, die seit 1813 zur Ausführung dieses Planes gemacht worden
sind, und die schlaff und gleichgiltig im Sande verlaufen zu lassen unsers
Volkes heute weniger würdig wäre denn je zuvor. Dies wird ein kurzer Über¬
blick über diese Versuche, die dem heutigen Geschlechte Wohl so gut wie unbe¬
kannt sind, hoffentlich erkennen lassen. Zugleich bietet dieser Überblick einen
merkwürdigen Ausschnitt aus den kümmerlichen Kunstzuständen Deutschlands
zur Zeit der Befreiungskriege, wobei aber doch die Möglichkeit nicht aus¬
geschlossen ist, daß ein Künstler der Gegenwart zu der jetzt geplanten Ausfüh¬
rung der Sache einzelne Anregungen daraus schöpfe.

„Daß auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenkmal errichtet werden muß,
das dem spätesten Enkel noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813
geschehen, darüber ist wohl in ganz Teutschland, ja wohl in der ganzen Welt
nur eine Stimme." So schrieb Arndt 1814 in einem Aufsatze: „Über ein
Denkmal bei Leipzig", den er zweien seiner kleinen Flugschriften: „Ein Wort
über die Feier der Leipziger Schlacht" und „Entwurf einer teutschen Gesell¬
schaft" als Anhang beigegeben hatte. Er machte auch gleich einen bestimmten
Vorschlag für die Gestalt des Denkmals. „Ein kleines, unscheinbares Denkmal —
sagt er —, das sich gegen die Natur umher in nichts gleichen kann, thut es
nicht; ein zierliches und blankes, etwa in Leipzig selbst auf einen Platz hin¬
gestellt, würde in seiner Armseligkeit von der großen That, wodurch die Welt
von dem abscheulichsten aller Tyrannen und dem tückischsten aller Tyrannen¬
völker befreit ward, zu sehr beschämt werden. Das Denkmal muß draußen
stehen, wo so viel Blut floß; es muß so stehen, daß es ringsum von allen
Straßen gesehen werden kann, auf welchen die verbündeten Heere zur blutigen
Schlacht der Entscheidung heranzogen. Soll es gesehen werden, so muß es
groß und herrlich sein, wie ein Koloß, eine Pyramide, ein Dom in Köln.
Aber solches in großer Kraft und im großen Sinn zu bauen, fehlt uns das
Geld und das Geschick, und ich fürchte, wenn man bei kleinen Mitteln etwas
ähnliches machen will, kömmt etwas erbärmliches heraus. Ich schlage daher
etwas ganz einfaches und ausführliches Ausführbares^ vor, ein Denkmal, wobei
die Kunst keine Äffereien anbringen und wogegen unser nordischer, allen Denk¬
mälern so feindseliger Himmel nichts ausrichten kann. Ich befestige einige
tausend Soldaten oder Bauern in die Ebene von Leipzig hin und lasse sie in
der Mitte des meilenlangen Schlachtfeldes einen Erdhügel von etwa 200 Fuß
Höhe auftürmen. Auf den Erdhügel werden Feldsteine gewälzt, und über diesen wird
ein kolossales, aus Eisen gegossenes und mit mancherlei Anspielungen^und Zeichen


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[0190] Ein Denkmal der Leipziger Völkerschlacht. schützten Thaten unsrer Väter, deren Glanz noch 1863, wo Hunderte von er¬ grauten Kämpfern aus dem Jahre 1813 in Leipzig versammelt waren, über ein halbes Jahrhundert hinweg in die Gegenwart hereinzuleuchten schien, dann freilich vor den Ereignissen von 1866 und 1870 eine Zeit lang verblaßte, son¬ dern vor allem auch im Hinblick auf die Geschichte der zahlreichen Anläufe und Versuche, die seit 1813 zur Ausführung dieses Planes gemacht worden sind, und die schlaff und gleichgiltig im Sande verlaufen zu lassen unsers Volkes heute weniger würdig wäre denn je zuvor. Dies wird ein kurzer Über¬ blick über diese Versuche, die dem heutigen Geschlechte Wohl so gut wie unbe¬ kannt sind, hoffentlich erkennen lassen. Zugleich bietet dieser Überblick einen merkwürdigen Ausschnitt aus den kümmerlichen Kunstzuständen Deutschlands zur Zeit der Befreiungskriege, wobei aber doch die Möglichkeit nicht aus¬ geschlossen ist, daß ein Künstler der Gegenwart zu der jetzt geplanten Ausfüh¬ rung der Sache einzelne Anregungen daraus schöpfe. „Daß auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenkmal errichtet werden muß, das dem spätesten Enkel noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813 geschehen, darüber ist wohl in ganz Teutschland, ja wohl in der ganzen Welt nur eine Stimme." So schrieb Arndt 1814 in einem Aufsatze: „Über ein Denkmal bei Leipzig", den er zweien seiner kleinen Flugschriften: „Ein Wort über die Feier der Leipziger Schlacht" und „Entwurf einer teutschen Gesell¬ schaft" als Anhang beigegeben hatte. Er machte auch gleich einen bestimmten Vorschlag für die Gestalt des Denkmals. „Ein kleines, unscheinbares Denkmal — sagt er —, das sich gegen die Natur umher in nichts gleichen kann, thut es nicht; ein zierliches und blankes, etwa in Leipzig selbst auf einen Platz hin¬ gestellt, würde in seiner Armseligkeit von der großen That, wodurch die Welt von dem abscheulichsten aller Tyrannen und dem tückischsten aller Tyrannen¬ völker befreit ward, zu sehr beschämt werden. Das Denkmal muß draußen stehen, wo so viel Blut floß; es muß so stehen, daß es ringsum von allen Straßen gesehen werden kann, auf welchen die verbündeten Heere zur blutigen Schlacht der Entscheidung heranzogen. Soll es gesehen werden, so muß es groß und herrlich sein, wie ein Koloß, eine Pyramide, ein Dom in Köln. Aber solches in großer Kraft und im großen Sinn zu bauen, fehlt uns das Geld und das Geschick, und ich fürchte, wenn man bei kleinen Mitteln etwas ähnliches machen will, kömmt etwas erbärmliches heraus. Ich schlage daher etwas ganz einfaches und ausführliches Ausführbares^ vor, ein Denkmal, wobei die Kunst keine Äffereien anbringen und wogegen unser nordischer, allen Denk¬ mälern so feindseliger Himmel nichts ausrichten kann. Ich befestige einige tausend Soldaten oder Bauern in die Ebene von Leipzig hin und lasse sie in der Mitte des meilenlangen Schlachtfeldes einen Erdhügel von etwa 200 Fuß Höhe auftürmen. Auf den Erdhügel werden Feldsteine gewälzt, und über diesen wird ein kolossales, aus Eisen gegossenes und mit mancherlei Anspielungen^und Zeichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/190>, abgerufen am 22.07.2024.