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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

nicht für gewöhnlich, sondern nur bei großen Hoffesten und Feierlichkeiten an¬
legen', worauf Adalbert erwidert: ,Wenn der König Sie in den Fürstenstand
erhöbe, würden Sie dann auch nur bei Ausnahmegelegcnhciten den Titel führen?'
Boyen fragt, was unser König thun werde, wenn ihm der preußische
Landtag die Annahme der Kaiserkrone weigere? Du gleichst dem Geist den
Du begreifst." Die Frage war aber doch nicht ohne Grund; es gab und
giebt in Berlin sicher genug freisinnige Demokraten, Leute, welche den Kronprinzen
zu den ihrigen zählen zu dürfen meinten, und die auf die Frage geantwortet
hätten: Selbstverständlich habe der König die Krone dann zurückzuweisen. --
Auf dem Tagebnchblatte vom 18. Dezember endlich finden wir den Eintrag:
"Tief bewegt vom Empfange, würdig und gut. Die Predigt von Rogge ließ
mich schon merken, daß dem Empfange Gewicht beigelegt werde, Fürsten und
Generale baten mich, dabei sein zu dürfen, was ich sofort nach der Kirche dem
Könige mitteilte, der ganz erstaunt darüber schließlich sagte, daß, wenn wirklich
jemand von den Genannten dabei zu sein Lust habe, er nichts dawider haben
würde. So erschienen alle, obwohl der König seine Überraschung darüber
äußerte, nur Luitpold fehlte . . . Simsons Meisterrede entlockte mir helle
Thränen, es ist eigentlich kein Auge dabei trocken geblieben ^das ist auch
bei Leistungen andrer Rhetoren der Fall gewesen, ohne daß viel darin gelegen
hätte oder dabei herausgekommen wäre, z. B. bei RadowiA Dann Verlesung der
Adresse. Die Antwort des Königs erfolgte mit einigem Stocken, da er nicht
mehr leicht ohne Brille liest, aber auch vor Rührung mußte er einige Male
innehalten. Dann folgte die Vorstellung der Abgeordneten. Während der
ganzen Feier schoß der Mont Valerien. Draußen stand alles in hellen Haufen.
Der König war nachher heiter, schien erleichtert und befriedigt."

Von dem Inhalt der Tagebuchsblättcr ans dem Jahre 1871 teilen wir
nach den Auszügen der "Deutschen Rundschau" nachstehendes als unserm Zwecke
dienlich mit: "1. Januar. Der König begrüßt mich ernst und freundlich be¬
wegt mit dem Wunsche, daß es mir einst vergönnt sein möge, die Friedens¬
saat der jetzigen Arbeit zu erleben. Er könne sich freilich nicht denken, daß die
dauernde Einigung Deutschlands bestehen bleiben werde, da leider die wenigsten
Fürsten so handelten und gesonnen seien, wie es zu wünschen wäre, und denen
der Großherzog ein so edles Beispiel gebe. -- Ich frage Delbrück, wie Marine,
Telegraphen-, Zoll- und Postwesen bezeichnet würde? .Kaiserlich/ Und das Heer?
,Ja, das sei so eine Sache.' Worauf ich Delbrück zu dem kunstvoll gefertigten
Chaos Glück wünsche."

"12. Januar. Ich mache den König darauf aufmerksam, daß Schleinitz
über Kaiser und Reich gehört werden müsse ^ob als Vorgänger, ob als stiller
Gegner Bismarcks oder als was sonst, ist uns unklar^ er antwortet, er sehe
im Kaiser nur eine Umänderung des Präsidiums des Bundes und würde
sich am liebsten König von Preußen, erwählter Kaiser von Deutschland'


Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

nicht für gewöhnlich, sondern nur bei großen Hoffesten und Feierlichkeiten an¬
legen', worauf Adalbert erwidert: ,Wenn der König Sie in den Fürstenstand
erhöbe, würden Sie dann auch nur bei Ausnahmegelegcnhciten den Titel führen?'
Boyen fragt, was unser König thun werde, wenn ihm der preußische
Landtag die Annahme der Kaiserkrone weigere? Du gleichst dem Geist den
Du begreifst." Die Frage war aber doch nicht ohne Grund; es gab und
giebt in Berlin sicher genug freisinnige Demokraten, Leute, welche den Kronprinzen
zu den ihrigen zählen zu dürfen meinten, und die auf die Frage geantwortet
hätten: Selbstverständlich habe der König die Krone dann zurückzuweisen. —
Auf dem Tagebnchblatte vom 18. Dezember endlich finden wir den Eintrag:
„Tief bewegt vom Empfange, würdig und gut. Die Predigt von Rogge ließ
mich schon merken, daß dem Empfange Gewicht beigelegt werde, Fürsten und
Generale baten mich, dabei sein zu dürfen, was ich sofort nach der Kirche dem
Könige mitteilte, der ganz erstaunt darüber schließlich sagte, daß, wenn wirklich
jemand von den Genannten dabei zu sein Lust habe, er nichts dawider haben
würde. So erschienen alle, obwohl der König seine Überraschung darüber
äußerte, nur Luitpold fehlte . . . Simsons Meisterrede entlockte mir helle
Thränen, es ist eigentlich kein Auge dabei trocken geblieben ^das ist auch
bei Leistungen andrer Rhetoren der Fall gewesen, ohne daß viel darin gelegen
hätte oder dabei herausgekommen wäre, z. B. bei RadowiA Dann Verlesung der
Adresse. Die Antwort des Königs erfolgte mit einigem Stocken, da er nicht
mehr leicht ohne Brille liest, aber auch vor Rührung mußte er einige Male
innehalten. Dann folgte die Vorstellung der Abgeordneten. Während der
ganzen Feier schoß der Mont Valerien. Draußen stand alles in hellen Haufen.
Der König war nachher heiter, schien erleichtert und befriedigt."

Von dem Inhalt der Tagebuchsblättcr ans dem Jahre 1871 teilen wir
nach den Auszügen der „Deutschen Rundschau" nachstehendes als unserm Zwecke
dienlich mit: „1. Januar. Der König begrüßt mich ernst und freundlich be¬
wegt mit dem Wunsche, daß es mir einst vergönnt sein möge, die Friedens¬
saat der jetzigen Arbeit zu erleben. Er könne sich freilich nicht denken, daß die
dauernde Einigung Deutschlands bestehen bleiben werde, da leider die wenigsten
Fürsten so handelten und gesonnen seien, wie es zu wünschen wäre, und denen
der Großherzog ein so edles Beispiel gebe. — Ich frage Delbrück, wie Marine,
Telegraphen-, Zoll- und Postwesen bezeichnet würde? .Kaiserlich/ Und das Heer?
,Ja, das sei so eine Sache.' Worauf ich Delbrück zu dem kunstvoll gefertigten
Chaos Glück wünsche."

„12. Januar. Ich mache den König darauf aufmerksam, daß Schleinitz
über Kaiser und Reich gehört werden müsse ^ob als Vorgänger, ob als stiller
Gegner Bismarcks oder als was sonst, ist uns unklar^ er antwortet, er sehe
im Kaiser nur eine Umänderung des Präsidiums des Bundes und würde
sich am liebsten König von Preußen, erwählter Kaiser von Deutschland'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/13>, abgerufen am 25.07.2024.