Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Die Gebietsentwicklüng der Ginzelstaaten Deutschlands. Stadt Maastricht an sich gerissen, und der Besitz dieser Gebiete wurde ihnen Karl VI., der letzte männliche Sproß der deutschen Linie des Hauses Habs¬ Die Gebietsentwicklüng der Ginzelstaaten Deutschlands. Stadt Maastricht an sich gerissen, und der Besitz dieser Gebiete wurde ihnen Karl VI., der letzte männliche Sproß der deutschen Linie des Hauses Habs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203552"/> <fw type="header" place="top"> Die Gebietsentwicklüng der Ginzelstaaten Deutschlands.</fw><lb/> <p xml:id="ID_258" prev="#ID_257"> Stadt Maastricht an sich gerissen, und der Besitz dieser Gebiete wurde ihnen<lb/> unter dem Namen „Generalitätslande" im westfälischen Frieden bestätigt. Durch<lb/> den sogenannten Barrisre-Vertrag von 1715 hatten sie noch eine Reihe von<lb/> festen Plätzen in ihre Gewalt gebracht. Andre Bundesteile hatte Frankreich<lb/> an sich gerissen: einen Teil von Luxemburg, die Grafschaft Artois, Teile von<lb/> Flandern, Hennegau und Namur. Der größere Teil des Oberquartiers von<lb/> Geldern war im Utrechter Frieden an Preußen gekommen. Der österreichische<lb/> Anteil bestand daher nur noch aus einem Teile des Herzogtums Brabant,<lb/> der Herrschaft Mecheln und aus Teilen von Limburg, Luxemburg, Geldern,<lb/> Flandern, Hennegau und Namur. Das Gebiet umfaßte immerhin noch 469<lb/> Quadratmeilen. Der Zusammenhang dieses Landes mit dem Reiche bestand<lb/> im vorigen Jahrhunderte thatsächlich noch darin, daß der burgundische Kreis<lb/> noch einen Assessor für das Reichskammergericht stellte. Auch die Verbindung<lb/> mit Österreich war höchst locker. Die Fürsten dieses Staates legten keinen Wert<lb/> auf einen Besitz, der ihnen die Last der Grenzhut gegen Frankreich aufer¬<lb/> legte; mehrfach versuchten sie sich desselben ganz oder teilweise zu entäußern.</p><lb/> <p xml:id="ID_259" next="#ID_260"> Karl VI., der letzte männliche Sproß der deutschen Linie des Hauses Habs¬<lb/> burg und somit, da die spanische Linie bereits 1700 mit Karl II. ausgestorben<lb/> war, dieses Gesamthauses, richtete sein politisches Hauptstreben darauf, alle<lb/> die Länder, die die österreichische Monarchie bildeten, ungeteilt auf seine älteste<lb/> Tochter Maria Theresia übergehen zu lassen. Zu diesem Zwecke erließ er<lb/> eine neue Erbfolgeordnung, die allerdings in vielen Ländern dem bisher giltigen<lb/> Staatsrechte widersprach, unter dem Namen der pragmatischen Sanktion. Der<lb/> Kaiser setzte alles daran, diesem neuen Hausgesetze die Anerkennung womöglich<lb/> aller europäischen Mächte zu verschaffen. Das war aber bei der damaligen<lb/> politischen Stellung der Mächte unter einander nicht leicht. Zunächst schloß<lb/> Österreich zur Aufrechterhaltung jener Sanktion ein Bündnis mit Spanien.<lb/> Das rief das Gegenbüudnis von Herrenhausen zwischen England, Frankreich<lb/> und Preußen hervor. Preußen trennte sich bald davon und trat durch den<lb/> Vertrag von Wusterhausen wieder auf die Seite des Kaisers. Dann traten<lb/> die Wirren und Streitigkeiten über die polnische Thronfolge ein, die schließlich<lb/> zu einem mehrjährigen Kriege führten. Auf Betreiben Frankreichs hatte nach<lb/> dem Tode Augusts II. von Sachsen die Mehrheit des polnischen Adels den<lb/> frühern, entsetzten König Stanislaus Lesczynsky, der inzwischen Schwiegervater<lb/> Ludwigs XV. geworden war, gewählt. Osterreich und Rußland veranlaßten<lb/> die Wahl Augusts III. von Sachsen durch eine Minderheit. Nachdem der<lb/> Krieg von 1733 bis 1736 gedauert hatte, wurden im letzteren Jahre die Friedens¬<lb/> präliminarien eröffnet; es dauerte volle drei Jahre, bis diese endlich zu dem<lb/> Frieden von Wien führten, 1738. Stanislaus verzichtete zu Gunsten Augusts III.<lb/> auf den polnischen Thron und wurde entschädigt mit den zum deutschen Reiche<lb/> gehörigen Herzogtümern Lothringen und Bar. Diese Länder waren während</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
Die Gebietsentwicklüng der Ginzelstaaten Deutschlands.
Stadt Maastricht an sich gerissen, und der Besitz dieser Gebiete wurde ihnen
unter dem Namen „Generalitätslande" im westfälischen Frieden bestätigt. Durch
den sogenannten Barrisre-Vertrag von 1715 hatten sie noch eine Reihe von
festen Plätzen in ihre Gewalt gebracht. Andre Bundesteile hatte Frankreich
an sich gerissen: einen Teil von Luxemburg, die Grafschaft Artois, Teile von
Flandern, Hennegau und Namur. Der größere Teil des Oberquartiers von
Geldern war im Utrechter Frieden an Preußen gekommen. Der österreichische
Anteil bestand daher nur noch aus einem Teile des Herzogtums Brabant,
der Herrschaft Mecheln und aus Teilen von Limburg, Luxemburg, Geldern,
Flandern, Hennegau und Namur. Das Gebiet umfaßte immerhin noch 469
Quadratmeilen. Der Zusammenhang dieses Landes mit dem Reiche bestand
im vorigen Jahrhunderte thatsächlich noch darin, daß der burgundische Kreis
noch einen Assessor für das Reichskammergericht stellte. Auch die Verbindung
mit Österreich war höchst locker. Die Fürsten dieses Staates legten keinen Wert
auf einen Besitz, der ihnen die Last der Grenzhut gegen Frankreich aufer¬
legte; mehrfach versuchten sie sich desselben ganz oder teilweise zu entäußern.
Karl VI., der letzte männliche Sproß der deutschen Linie des Hauses Habs¬
burg und somit, da die spanische Linie bereits 1700 mit Karl II. ausgestorben
war, dieses Gesamthauses, richtete sein politisches Hauptstreben darauf, alle
die Länder, die die österreichische Monarchie bildeten, ungeteilt auf seine älteste
Tochter Maria Theresia übergehen zu lassen. Zu diesem Zwecke erließ er
eine neue Erbfolgeordnung, die allerdings in vielen Ländern dem bisher giltigen
Staatsrechte widersprach, unter dem Namen der pragmatischen Sanktion. Der
Kaiser setzte alles daran, diesem neuen Hausgesetze die Anerkennung womöglich
aller europäischen Mächte zu verschaffen. Das war aber bei der damaligen
politischen Stellung der Mächte unter einander nicht leicht. Zunächst schloß
Österreich zur Aufrechterhaltung jener Sanktion ein Bündnis mit Spanien.
Das rief das Gegenbüudnis von Herrenhausen zwischen England, Frankreich
und Preußen hervor. Preußen trennte sich bald davon und trat durch den
Vertrag von Wusterhausen wieder auf die Seite des Kaisers. Dann traten
die Wirren und Streitigkeiten über die polnische Thronfolge ein, die schließlich
zu einem mehrjährigen Kriege führten. Auf Betreiben Frankreichs hatte nach
dem Tode Augusts II. von Sachsen die Mehrheit des polnischen Adels den
frühern, entsetzten König Stanislaus Lesczynsky, der inzwischen Schwiegervater
Ludwigs XV. geworden war, gewählt. Osterreich und Rußland veranlaßten
die Wahl Augusts III. von Sachsen durch eine Minderheit. Nachdem der
Krieg von 1733 bis 1736 gedauert hatte, wurden im letzteren Jahre die Friedens¬
präliminarien eröffnet; es dauerte volle drei Jahre, bis diese endlich zu dem
Frieden von Wien führten, 1738. Stanislaus verzichtete zu Gunsten Augusts III.
auf den polnischen Thron und wurde entschädigt mit den zum deutschen Reiche
gehörigen Herzogtümern Lothringen und Bar. Diese Länder waren während
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