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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

schlechts hatte König Johann von Böhmen die Oberlausitz besetzt, und die
Sechsstädt< wie man damals sagte, Bautzen, Görlitz, Lauban, Löbau, Zittau,
Kamenz. hatten freiwillig seine Oberhoheit anerkannt (1320) und waren später
(1355) ganz dem böhmischen Staatsverbande eingefügt worden. Die eigentliche
Lausitz, später Niederlausitz genannt, war von Otto dem Faulen aus dem
bairischen Hause zunächst pfandweise (1361), dann endgiltig (1368) an die
Luxemburger abgetreten worden. Das Land war mit Böhmen an die Habsburger
gefallen. Die Versuche des zweiten Kurfürsten von Brandenburg, Friedrichs II.,
diesen alten Besitz der Askanier wieder mit der Mark zu vereinigen, waren im
ganzen fehlgeschlagen und hatten nur den dauernden Erfolg gehabt, daß einige
lausitzische Herrschaften, Kottbus, Pelz, Teupitz und Bärwalde, Zosfen, die
Anwartschaft auf Beekow und Storkow u. s. w., den Kurfürsten von Branden¬
burg überlassen wurden, und zwar wurden diese Gebiete nur als böhmische Lehen
abgetreten. Dieses Lehensverhältnis zu Böhmen wurde erst vollständig gelöst
nach Beendigung des ersten schlesischen Krieges durch den Präliminarfrieden zu
Breslau und den endgiltigen Frieden zu Berlin 1742.

^ Nach der Schlacht am weißen Berge besetzte Kurfürst Johann Georg I-,
der während des ganzen dreißigjährigen Krieges eine höchst schwankende Rolle
spielte und bald auf Seiten des Kaisers stand, bald gegen ihn kämpfte, die
beiden Lausitzer für das Haus Österreich. Seit 1623 behielt er sie mit Be¬
willigung Kaiser Ferdinands II. als Pfand für die von ihm aufgewandten
Kriegskosten, die auf 72 Tonnen Goldes berechnet wurden. Der Kaiser war
auch wegen der Notlage, in die ihn die reißenden Fortschritte des Schwedenkönigs
versetzten, nicht im Stande, an diesem Verhältnisse etwas zu ändern, als der
Kurfürst von Sachsen, zwar nur widerstrebend und halb gezwungen, ein Bündnis
mit Gustav Adolf abschloß und aus Seiten der Schweden am Kriege thätigen
Anteil nahm. Dieses Bündnis lockerte sich jedoch bald nach dem Tode Gustav
Adolfs, und in dem Sonderfrieden zu Prag (30. Mai 1635) trat Sachsen
wieder offen zum Kaiser über und verpflichtete sich, zur Vertreibung der Schweden
und Franzosen aus Deutschland mitzuwirken. Hierfür übertrug Ferdinand II.
die beiden Lausitzer endgiltig auf den Kurfürsten von Sachsen; das Lehnsver-
hältnis zu Böhmen wurde aber dem Namen nach beibehalten. Die weiteren
Schicksale dieses Landes sind dann mit denen von Kursachsen verknüpft. Öster¬
reich hatte eine Provinz abgetreten, die damals allerdings keineswegs von einer
Bevölkerung bewohnt war, welche auch nur in ihrer überwiegenden Mehrheit
deutsch gewesen wäre, welche auch heutzutage noch nicht einmal rein deutsch ist;
aber die geographische Lage dieses Landcsteiles, der sich bis in die Mitte
Deutschlands herein erstreckt, ist derart, daß durch seinen Besitz Österreich not¬
wendiger Weise in einem engern Zusammenhange mit dem eigentlichen Deutsch¬
land bleiben und durch dessen Interessen in einem weit höhern Maße berührt
werden mußte, als das später infolge der geographischen Lage seiner Pro-


Grcnzbotcn IV. 1838. 14
Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

schlechts hatte König Johann von Böhmen die Oberlausitz besetzt, und die
Sechsstädt< wie man damals sagte, Bautzen, Görlitz, Lauban, Löbau, Zittau,
Kamenz. hatten freiwillig seine Oberhoheit anerkannt (1320) und waren später
(1355) ganz dem böhmischen Staatsverbande eingefügt worden. Die eigentliche
Lausitz, später Niederlausitz genannt, war von Otto dem Faulen aus dem
bairischen Hause zunächst pfandweise (1361), dann endgiltig (1368) an die
Luxemburger abgetreten worden. Das Land war mit Böhmen an die Habsburger
gefallen. Die Versuche des zweiten Kurfürsten von Brandenburg, Friedrichs II.,
diesen alten Besitz der Askanier wieder mit der Mark zu vereinigen, waren im
ganzen fehlgeschlagen und hatten nur den dauernden Erfolg gehabt, daß einige
lausitzische Herrschaften, Kottbus, Pelz, Teupitz und Bärwalde, Zosfen, die
Anwartschaft auf Beekow und Storkow u. s. w., den Kurfürsten von Branden¬
burg überlassen wurden, und zwar wurden diese Gebiete nur als böhmische Lehen
abgetreten. Dieses Lehensverhältnis zu Böhmen wurde erst vollständig gelöst
nach Beendigung des ersten schlesischen Krieges durch den Präliminarfrieden zu
Breslau und den endgiltigen Frieden zu Berlin 1742.

^ Nach der Schlacht am weißen Berge besetzte Kurfürst Johann Georg I-,
der während des ganzen dreißigjährigen Krieges eine höchst schwankende Rolle
spielte und bald auf Seiten des Kaisers stand, bald gegen ihn kämpfte, die
beiden Lausitzer für das Haus Österreich. Seit 1623 behielt er sie mit Be¬
willigung Kaiser Ferdinands II. als Pfand für die von ihm aufgewandten
Kriegskosten, die auf 72 Tonnen Goldes berechnet wurden. Der Kaiser war
auch wegen der Notlage, in die ihn die reißenden Fortschritte des Schwedenkönigs
versetzten, nicht im Stande, an diesem Verhältnisse etwas zu ändern, als der
Kurfürst von Sachsen, zwar nur widerstrebend und halb gezwungen, ein Bündnis
mit Gustav Adolf abschloß und aus Seiten der Schweden am Kriege thätigen
Anteil nahm. Dieses Bündnis lockerte sich jedoch bald nach dem Tode Gustav
Adolfs, und in dem Sonderfrieden zu Prag (30. Mai 1635) trat Sachsen
wieder offen zum Kaiser über und verpflichtete sich, zur Vertreibung der Schweden
und Franzosen aus Deutschland mitzuwirken. Hierfür übertrug Ferdinand II.
die beiden Lausitzer endgiltig auf den Kurfürsten von Sachsen; das Lehnsver-
hältnis zu Böhmen wurde aber dem Namen nach beibehalten. Die weiteren
Schicksale dieses Landes sind dann mit denen von Kursachsen verknüpft. Öster¬
reich hatte eine Provinz abgetreten, die damals allerdings keineswegs von einer
Bevölkerung bewohnt war, welche auch nur in ihrer überwiegenden Mehrheit
deutsch gewesen wäre, welche auch heutzutage noch nicht einmal rein deutsch ist;
aber die geographische Lage dieses Landcsteiles, der sich bis in die Mitte
Deutschlands herein erstreckt, ist derart, daß durch seinen Besitz Österreich not¬
wendiger Weise in einem engern Zusammenhange mit dem eigentlichen Deutsch¬
land bleiben und durch dessen Interessen in einem weit höhern Maße berührt
werden mußte, als das später infolge der geographischen Lage seiner Pro-


Grcnzbotcn IV. 1838. 14
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[0113] Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands. schlechts hatte König Johann von Böhmen die Oberlausitz besetzt, und die Sechsstädt< wie man damals sagte, Bautzen, Görlitz, Lauban, Löbau, Zittau, Kamenz. hatten freiwillig seine Oberhoheit anerkannt (1320) und waren später (1355) ganz dem böhmischen Staatsverbande eingefügt worden. Die eigentliche Lausitz, später Niederlausitz genannt, war von Otto dem Faulen aus dem bairischen Hause zunächst pfandweise (1361), dann endgiltig (1368) an die Luxemburger abgetreten worden. Das Land war mit Böhmen an die Habsburger gefallen. Die Versuche des zweiten Kurfürsten von Brandenburg, Friedrichs II., diesen alten Besitz der Askanier wieder mit der Mark zu vereinigen, waren im ganzen fehlgeschlagen und hatten nur den dauernden Erfolg gehabt, daß einige lausitzische Herrschaften, Kottbus, Pelz, Teupitz und Bärwalde, Zosfen, die Anwartschaft auf Beekow und Storkow u. s. w., den Kurfürsten von Branden¬ burg überlassen wurden, und zwar wurden diese Gebiete nur als böhmische Lehen abgetreten. Dieses Lehensverhältnis zu Böhmen wurde erst vollständig gelöst nach Beendigung des ersten schlesischen Krieges durch den Präliminarfrieden zu Breslau und den endgiltigen Frieden zu Berlin 1742. ^ Nach der Schlacht am weißen Berge besetzte Kurfürst Johann Georg I-, der während des ganzen dreißigjährigen Krieges eine höchst schwankende Rolle spielte und bald auf Seiten des Kaisers stand, bald gegen ihn kämpfte, die beiden Lausitzer für das Haus Österreich. Seit 1623 behielt er sie mit Be¬ willigung Kaiser Ferdinands II. als Pfand für die von ihm aufgewandten Kriegskosten, die auf 72 Tonnen Goldes berechnet wurden. Der Kaiser war auch wegen der Notlage, in die ihn die reißenden Fortschritte des Schwedenkönigs versetzten, nicht im Stande, an diesem Verhältnisse etwas zu ändern, als der Kurfürst von Sachsen, zwar nur widerstrebend und halb gezwungen, ein Bündnis mit Gustav Adolf abschloß und aus Seiten der Schweden am Kriege thätigen Anteil nahm. Dieses Bündnis lockerte sich jedoch bald nach dem Tode Gustav Adolfs, und in dem Sonderfrieden zu Prag (30. Mai 1635) trat Sachsen wieder offen zum Kaiser über und verpflichtete sich, zur Vertreibung der Schweden und Franzosen aus Deutschland mitzuwirken. Hierfür übertrug Ferdinand II. die beiden Lausitzer endgiltig auf den Kurfürsten von Sachsen; das Lehnsver- hältnis zu Böhmen wurde aber dem Namen nach beibehalten. Die weiteren Schicksale dieses Landes sind dann mit denen von Kursachsen verknüpft. Öster¬ reich hatte eine Provinz abgetreten, die damals allerdings keineswegs von einer Bevölkerung bewohnt war, welche auch nur in ihrer überwiegenden Mehrheit deutsch gewesen wäre, welche auch heutzutage noch nicht einmal rein deutsch ist; aber die geographische Lage dieses Landcsteiles, der sich bis in die Mitte Deutschlands herein erstreckt, ist derart, daß durch seinen Besitz Österreich not¬ wendiger Weise in einem engern Zusammenhange mit dem eigentlichen Deutsch¬ land bleiben und durch dessen Interessen in einem weit höhern Maße berührt werden mußte, als das später infolge der geographischen Lage seiner Pro- Grcnzbotcn IV. 1838. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/113>, abgerufen am 22.07.2024.