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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

beneiden. Die Heeresleitung thut ja für sie, was sie kann, sie holt die verab¬
schiedeten Offiziere wenigstens teilweise aus der Pensionistengruft wieder hervor,
indem sie, freilich zumeist mit den verhältnismäßig besser gestellten Stabsoffi¬
zieren, die spärlichen Bezirkskommandos besetzt, über die sie zu verfügen hat,
und indem sie mit Charaktererhöhungen, wenn es irgend angeht, nicht karge.
Allein im großen und ganzen ändert das nicht viel. Wie soll nun geholfen
werden, und wer soll helfen?

Man sollte denken, es wäre Sache des Staates, darauf zu sinnen, ob
nicht ein in einem seiner Bereiche und für denselben ohne eigne Verschuldung
vor der Zeit verbrauchtes Material für einen andern Bereich desselben Staates
nutzbringend verwendet werden könnte. Die Antwort hierauf hat uns bisher der
preußische Staat schon gegeben, indem er in leistungsfähigen Alter stehende verab¬
schiedete Offiziere von vorwurfsfreier Führung und entsprechender allgemeiner
Bildung nach vorhergegangener Probcdicnstleistung und darauf folgender Prü¬
fung in gewissen Gebieten, im Verkehrswesen, bei der Post und Eisenbahn, im
Finanz- oder Verwaltungsdienst (als Landräte ze.) anstellt und sie damit einer¬
seits zur Dienstleistung heranzieht, anderseits aber in einer Weise für sie
sorgt, wie es eines großen Staates würdig ist und dem Material selbst
entspricht.

Eine weitere unerläßliche Vorbedingung zur Anwartschaft auf eine An¬
stellung im Zivildienst müßte freilich außer der Prüfung und Probedienstleistung
die Bereitwilligkeit der betreffenden Offiziere zu einer Verwendung im Mobil¬
machungsfalle sein. Man kann sich doch nicht verbergen: es ist jedenfalls
etwas Unnatürliches, diese jungen Pensionäre zwischen sechsunddreißig und
fünfzig Jahren, an welche der Staat kein Recht mehr haben soll; der Staat
als Heeresleitung hat sie freilich wie Schlacken in einem Verbrennungsprozesse
ausgeworfen und hat sich mit ihnen durch den verdienten Ruhegehalt abgefunden;
aber nun soll dieselbe Heeresleitung oder auch der Staat als Ganzes kein
Recht mehr besitzen, sie im Falle einer Mobilmachung wiederzuholen, wenn sie
damit nicht einverstanden sind, während er doch verheiratete Landwehrmänner
holt! Der Staat muß zusehen, wie sie ohne Gegenleistung große Summen
verschlingen, und wichtige Stellen im Mobilmachungsfalle nicht besetzt werden
können, wenn jene nicht wollen.

Ich glaube, daß, wenn der Staat jungen verabschiedeten Offizieren eine
anständige, ihrem bisherigen Range -- etwa dem der Bezirksbeamten -- ent¬
sprechende Zivilanstellung gleich bei ihrem Austritt bieten könnte, sich nicht leicht
einer besinnen würde, die dargebotene Verwendung anzunehmen und seine Bereit¬
willigkeit zur Verwendung im Mobilmachungsfalle zu erklären, und beide, der
Staat wie der Offizier, würden ein gutes Geschäft dabei machen. Der Staat
würde eine Gegenleistung für den gezählten Gehalt und der Offizier eine passende
Stellung erhalten, in der er angemessene Verwendung seiner Fähigkeiten fände,


verabschiedete Offiziere.

beneiden. Die Heeresleitung thut ja für sie, was sie kann, sie holt die verab¬
schiedeten Offiziere wenigstens teilweise aus der Pensionistengruft wieder hervor,
indem sie, freilich zumeist mit den verhältnismäßig besser gestellten Stabsoffi¬
zieren, die spärlichen Bezirkskommandos besetzt, über die sie zu verfügen hat,
und indem sie mit Charaktererhöhungen, wenn es irgend angeht, nicht karge.
Allein im großen und ganzen ändert das nicht viel. Wie soll nun geholfen
werden, und wer soll helfen?

Man sollte denken, es wäre Sache des Staates, darauf zu sinnen, ob
nicht ein in einem seiner Bereiche und für denselben ohne eigne Verschuldung
vor der Zeit verbrauchtes Material für einen andern Bereich desselben Staates
nutzbringend verwendet werden könnte. Die Antwort hierauf hat uns bisher der
preußische Staat schon gegeben, indem er in leistungsfähigen Alter stehende verab¬
schiedete Offiziere von vorwurfsfreier Führung und entsprechender allgemeiner
Bildung nach vorhergegangener Probcdicnstleistung und darauf folgender Prü¬
fung in gewissen Gebieten, im Verkehrswesen, bei der Post und Eisenbahn, im
Finanz- oder Verwaltungsdienst (als Landräte ze.) anstellt und sie damit einer¬
seits zur Dienstleistung heranzieht, anderseits aber in einer Weise für sie
sorgt, wie es eines großen Staates würdig ist und dem Material selbst
entspricht.

Eine weitere unerläßliche Vorbedingung zur Anwartschaft auf eine An¬
stellung im Zivildienst müßte freilich außer der Prüfung und Probedienstleistung
die Bereitwilligkeit der betreffenden Offiziere zu einer Verwendung im Mobil¬
machungsfalle sein. Man kann sich doch nicht verbergen: es ist jedenfalls
etwas Unnatürliches, diese jungen Pensionäre zwischen sechsunddreißig und
fünfzig Jahren, an welche der Staat kein Recht mehr haben soll; der Staat
als Heeresleitung hat sie freilich wie Schlacken in einem Verbrennungsprozesse
ausgeworfen und hat sich mit ihnen durch den verdienten Ruhegehalt abgefunden;
aber nun soll dieselbe Heeresleitung oder auch der Staat als Ganzes kein
Recht mehr besitzen, sie im Falle einer Mobilmachung wiederzuholen, wenn sie
damit nicht einverstanden sind, während er doch verheiratete Landwehrmänner
holt! Der Staat muß zusehen, wie sie ohne Gegenleistung große Summen
verschlingen, und wichtige Stellen im Mobilmachungsfalle nicht besetzt werden
können, wenn jene nicht wollen.

Ich glaube, daß, wenn der Staat jungen verabschiedeten Offizieren eine
anständige, ihrem bisherigen Range — etwa dem der Bezirksbeamten — ent¬
sprechende Zivilanstellung gleich bei ihrem Austritt bieten könnte, sich nicht leicht
einer besinnen würde, die dargebotene Verwendung anzunehmen und seine Bereit¬
willigkeit zur Verwendung im Mobilmachungsfalle zu erklären, und beide, der
Staat wie der Offizier, würden ein gutes Geschäft dabei machen. Der Staat
würde eine Gegenleistung für den gezählten Gehalt und der Offizier eine passende
Stellung erhalten, in der er angemessene Verwendung seiner Fähigkeiten fände,


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[0070] verabschiedete Offiziere. beneiden. Die Heeresleitung thut ja für sie, was sie kann, sie holt die verab¬ schiedeten Offiziere wenigstens teilweise aus der Pensionistengruft wieder hervor, indem sie, freilich zumeist mit den verhältnismäßig besser gestellten Stabsoffi¬ zieren, die spärlichen Bezirkskommandos besetzt, über die sie zu verfügen hat, und indem sie mit Charaktererhöhungen, wenn es irgend angeht, nicht karge. Allein im großen und ganzen ändert das nicht viel. Wie soll nun geholfen werden, und wer soll helfen? Man sollte denken, es wäre Sache des Staates, darauf zu sinnen, ob nicht ein in einem seiner Bereiche und für denselben ohne eigne Verschuldung vor der Zeit verbrauchtes Material für einen andern Bereich desselben Staates nutzbringend verwendet werden könnte. Die Antwort hierauf hat uns bisher der preußische Staat schon gegeben, indem er in leistungsfähigen Alter stehende verab¬ schiedete Offiziere von vorwurfsfreier Führung und entsprechender allgemeiner Bildung nach vorhergegangener Probcdicnstleistung und darauf folgender Prü¬ fung in gewissen Gebieten, im Verkehrswesen, bei der Post und Eisenbahn, im Finanz- oder Verwaltungsdienst (als Landräte ze.) anstellt und sie damit einer¬ seits zur Dienstleistung heranzieht, anderseits aber in einer Weise für sie sorgt, wie es eines großen Staates würdig ist und dem Material selbst entspricht. Eine weitere unerläßliche Vorbedingung zur Anwartschaft auf eine An¬ stellung im Zivildienst müßte freilich außer der Prüfung und Probedienstleistung die Bereitwilligkeit der betreffenden Offiziere zu einer Verwendung im Mobil¬ machungsfalle sein. Man kann sich doch nicht verbergen: es ist jedenfalls etwas Unnatürliches, diese jungen Pensionäre zwischen sechsunddreißig und fünfzig Jahren, an welche der Staat kein Recht mehr haben soll; der Staat als Heeresleitung hat sie freilich wie Schlacken in einem Verbrennungsprozesse ausgeworfen und hat sich mit ihnen durch den verdienten Ruhegehalt abgefunden; aber nun soll dieselbe Heeresleitung oder auch der Staat als Ganzes kein Recht mehr besitzen, sie im Falle einer Mobilmachung wiederzuholen, wenn sie damit nicht einverstanden sind, während er doch verheiratete Landwehrmänner holt! Der Staat muß zusehen, wie sie ohne Gegenleistung große Summen verschlingen, und wichtige Stellen im Mobilmachungsfalle nicht besetzt werden können, wenn jene nicht wollen. Ich glaube, daß, wenn der Staat jungen verabschiedeten Offizieren eine anständige, ihrem bisherigen Range — etwa dem der Bezirksbeamten — ent¬ sprechende Zivilanstellung gleich bei ihrem Austritt bieten könnte, sich nicht leicht einer besinnen würde, die dargebotene Verwendung anzunehmen und seine Bereit¬ willigkeit zur Verwendung im Mobilmachungsfalle zu erklären, und beide, der Staat wie der Offizier, würden ein gutes Geschäft dabei machen. Der Staat würde eine Gegenleistung für den gezählten Gehalt und der Offizier eine passende Stellung erhalten, in der er angemessene Verwendung seiner Fähigkeiten fände,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/70>, abgerufen am 28.07.2024.