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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

Aus dem Bisherigen dürfte sich ergeben haben, daß es wohl einige Ver¬
wendungen giebt, welche verabschiedeten Offizieren offen stehen, daß sie aber
nicht in genügender Anzahl zugänglich sind, und daß, wo sie dies wären, der
Erwerb nicht mit Sicherheit als ausreichend betrachtet werden kann.

Schriftstellerische Arbeiten sind nicht jedermanns Sache. Von bessern
Zeitschriften -- politischen wie litterarischen -- werden hohe Ansprüche gestellt,
ihre Mitarbeiter gehen aus vielseitig und zum Teil fachmännisch gebildeten
Kreisen hervor, und der Gegenstände von allgemeinem Interesse, welche sich
gerade zur Verarbeitung durch ehemalige Offiziere eignen, sind nicht sehr viele.
Verabschiedete Offiziere, die in weitern Kreisen durch litterarische Thätigkeit Ruf
erlangt haben, haben es als schwierig bezeichnet, an gebildete Zeitschriften oder
Zeitungen anzukommen. Bei letztern ist überdies auf die politische Richtung
Rücksicht zu nehmen; es kann doch ein verabschiedeter Offizier keine Beiträge
an ein demokratisches oder rcichsfeindliches Blatt einsenden, auch wenn es noch
so gut bezahlen sollte.

Nach allem Gesagten wird es schließlich darauf hinauskommen, daß die
Mehrzahl der verabschiedeten Offiziere im Range oder im Alter der Kompagnie¬
chefs oder höchstens der Stabsoffiziere, meistenteils Männer im Vollbesitze ihrer
Kraft und ihrer Fähigkeiten, letztere brach liegen lassen muß, weil sich ihnen
keine Verwendung bietet, welche ihre Zeit ausfüllt, ihr Interesse in Anspruch nimmt
und für die weniger bemittelten die zur Führung des Haushalts, zur Erziehung
und Ausbildung der Kinder ze. erforderlichen Mittel aufbringen hilft. Sie sind
und bleiben sich selbst überlassen, in einer unnatürlichen, bei andern Staats¬
angehörigen gar nicht vorkommenden Lage voll von sittlichen, sozialen und öko¬
nomischen Gefahren und Konflikten. Und doch sollen sie sich intakt erhalten,
schon als frühere Offiziere; sie sollen im Mobilmachungsfalle ein schätzbares,
ja wertvolles Material für eine Anzahl wichtiger und verantwortungsvoller
Stellen bilden. Wie viele oder richtiger wie wenige werden im Verlaufe von
fünfzehn, ja von zehn Jahren den alsdann an sie gestellten Anforderungen zu
genügen noch in der Lage seinl Ist nicht zu besorgen, daß alsdann ein Teil
derselben in einem weichlichen Genußleben verwöhnt und widerstandsunfähig
geworden, ein andrer in engen Verhältnissen der Verbitterung und damit viel¬
leicht zerstörenden Leidenschaften anheimgefallen sein, ein dritter im Verkehr mit
oder in Abhängigkeit von ganz anders gearteten, dem Offizierstande und allem,
was damit im Zusammenhange steht, abgeneigten oder feindlichen Elementen
und Kreisen alles Interesse an seinem einstigen Stande, dem er doch mit Eifer
und Pflichttreue ergeben war, verloren und damit die wertvollsten Eigenschaften
dafür eingebüßt haben wird?

Man wird einräumen: diese ganze Klasse von Staatsdienern, welche ohne
eignes Verschulden eben als Opfer eines durch die eigentümlichen Zeitverhältnisse
gebotenen und deshalb gerechtfertigten Systems zu betrachten ist, ist nicht zu


verabschiedete Offiziere.

Aus dem Bisherigen dürfte sich ergeben haben, daß es wohl einige Ver¬
wendungen giebt, welche verabschiedeten Offizieren offen stehen, daß sie aber
nicht in genügender Anzahl zugänglich sind, und daß, wo sie dies wären, der
Erwerb nicht mit Sicherheit als ausreichend betrachtet werden kann.

Schriftstellerische Arbeiten sind nicht jedermanns Sache. Von bessern
Zeitschriften — politischen wie litterarischen — werden hohe Ansprüche gestellt,
ihre Mitarbeiter gehen aus vielseitig und zum Teil fachmännisch gebildeten
Kreisen hervor, und der Gegenstände von allgemeinem Interesse, welche sich
gerade zur Verarbeitung durch ehemalige Offiziere eignen, sind nicht sehr viele.
Verabschiedete Offiziere, die in weitern Kreisen durch litterarische Thätigkeit Ruf
erlangt haben, haben es als schwierig bezeichnet, an gebildete Zeitschriften oder
Zeitungen anzukommen. Bei letztern ist überdies auf die politische Richtung
Rücksicht zu nehmen; es kann doch ein verabschiedeter Offizier keine Beiträge
an ein demokratisches oder rcichsfeindliches Blatt einsenden, auch wenn es noch
so gut bezahlen sollte.

Nach allem Gesagten wird es schließlich darauf hinauskommen, daß die
Mehrzahl der verabschiedeten Offiziere im Range oder im Alter der Kompagnie¬
chefs oder höchstens der Stabsoffiziere, meistenteils Männer im Vollbesitze ihrer
Kraft und ihrer Fähigkeiten, letztere brach liegen lassen muß, weil sich ihnen
keine Verwendung bietet, welche ihre Zeit ausfüllt, ihr Interesse in Anspruch nimmt
und für die weniger bemittelten die zur Führung des Haushalts, zur Erziehung
und Ausbildung der Kinder ze. erforderlichen Mittel aufbringen hilft. Sie sind
und bleiben sich selbst überlassen, in einer unnatürlichen, bei andern Staats¬
angehörigen gar nicht vorkommenden Lage voll von sittlichen, sozialen und öko¬
nomischen Gefahren und Konflikten. Und doch sollen sie sich intakt erhalten,
schon als frühere Offiziere; sie sollen im Mobilmachungsfalle ein schätzbares,
ja wertvolles Material für eine Anzahl wichtiger und verantwortungsvoller
Stellen bilden. Wie viele oder richtiger wie wenige werden im Verlaufe von
fünfzehn, ja von zehn Jahren den alsdann an sie gestellten Anforderungen zu
genügen noch in der Lage seinl Ist nicht zu besorgen, daß alsdann ein Teil
derselben in einem weichlichen Genußleben verwöhnt und widerstandsunfähig
geworden, ein andrer in engen Verhältnissen der Verbitterung und damit viel¬
leicht zerstörenden Leidenschaften anheimgefallen sein, ein dritter im Verkehr mit
oder in Abhängigkeit von ganz anders gearteten, dem Offizierstande und allem,
was damit im Zusammenhange steht, abgeneigten oder feindlichen Elementen
und Kreisen alles Interesse an seinem einstigen Stande, dem er doch mit Eifer
und Pflichttreue ergeben war, verloren und damit die wertvollsten Eigenschaften
dafür eingebüßt haben wird?

Man wird einräumen: diese ganze Klasse von Staatsdienern, welche ohne
eignes Verschulden eben als Opfer eines durch die eigentümlichen Zeitverhältnisse
gebotenen und deshalb gerechtfertigten Systems zu betrachten ist, ist nicht zu


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[0069] verabschiedete Offiziere. Aus dem Bisherigen dürfte sich ergeben haben, daß es wohl einige Ver¬ wendungen giebt, welche verabschiedeten Offizieren offen stehen, daß sie aber nicht in genügender Anzahl zugänglich sind, und daß, wo sie dies wären, der Erwerb nicht mit Sicherheit als ausreichend betrachtet werden kann. Schriftstellerische Arbeiten sind nicht jedermanns Sache. Von bessern Zeitschriften — politischen wie litterarischen — werden hohe Ansprüche gestellt, ihre Mitarbeiter gehen aus vielseitig und zum Teil fachmännisch gebildeten Kreisen hervor, und der Gegenstände von allgemeinem Interesse, welche sich gerade zur Verarbeitung durch ehemalige Offiziere eignen, sind nicht sehr viele. Verabschiedete Offiziere, die in weitern Kreisen durch litterarische Thätigkeit Ruf erlangt haben, haben es als schwierig bezeichnet, an gebildete Zeitschriften oder Zeitungen anzukommen. Bei letztern ist überdies auf die politische Richtung Rücksicht zu nehmen; es kann doch ein verabschiedeter Offizier keine Beiträge an ein demokratisches oder rcichsfeindliches Blatt einsenden, auch wenn es noch so gut bezahlen sollte. Nach allem Gesagten wird es schließlich darauf hinauskommen, daß die Mehrzahl der verabschiedeten Offiziere im Range oder im Alter der Kompagnie¬ chefs oder höchstens der Stabsoffiziere, meistenteils Männer im Vollbesitze ihrer Kraft und ihrer Fähigkeiten, letztere brach liegen lassen muß, weil sich ihnen keine Verwendung bietet, welche ihre Zeit ausfüllt, ihr Interesse in Anspruch nimmt und für die weniger bemittelten die zur Führung des Haushalts, zur Erziehung und Ausbildung der Kinder ze. erforderlichen Mittel aufbringen hilft. Sie sind und bleiben sich selbst überlassen, in einer unnatürlichen, bei andern Staats¬ angehörigen gar nicht vorkommenden Lage voll von sittlichen, sozialen und öko¬ nomischen Gefahren und Konflikten. Und doch sollen sie sich intakt erhalten, schon als frühere Offiziere; sie sollen im Mobilmachungsfalle ein schätzbares, ja wertvolles Material für eine Anzahl wichtiger und verantwortungsvoller Stellen bilden. Wie viele oder richtiger wie wenige werden im Verlaufe von fünfzehn, ja von zehn Jahren den alsdann an sie gestellten Anforderungen zu genügen noch in der Lage seinl Ist nicht zu besorgen, daß alsdann ein Teil derselben in einem weichlichen Genußleben verwöhnt und widerstandsunfähig geworden, ein andrer in engen Verhältnissen der Verbitterung und damit viel¬ leicht zerstörenden Leidenschaften anheimgefallen sein, ein dritter im Verkehr mit oder in Abhängigkeit von ganz anders gearteten, dem Offizierstande und allem, was damit im Zusammenhange steht, abgeneigten oder feindlichen Elementen und Kreisen alles Interesse an seinem einstigen Stande, dem er doch mit Eifer und Pflichttreue ergeben war, verloren und damit die wertvollsten Eigenschaften dafür eingebüßt haben wird? Man wird einräumen: diese ganze Klasse von Staatsdienern, welche ohne eignes Verschulden eben als Opfer eines durch die eigentümlichen Zeitverhältnisse gebotenen und deshalb gerechtfertigten Systems zu betrachten ist, ist nicht zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/69>, abgerufen am 28.07.2024.