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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete "Offiziere.

sichern, und wo das Terrain ausgenutzt ist, bleibt nichts andres übrig, als
Hebel ansetzen, mit Hilfe deren man die Leute veranlaßt, etwas zu thun, wozu
sie keine Lust haben. Das soll nun eben der Agent thun, dazu ist er da, und
der Offizieragent soll den Vorteil seiner frühern Stellung und seines Offizier-
titels, er soll seine Bekanntschaft mit den höhern Gesellschaftskreisen, welche
ihm zugänglicher waren und sind, als seinen nunmehrigen Kollegen oder Kon¬
kurrenten vom Zivil, ausnützen; und dies muß er rücksichtslos thun, wenn er
es auf diesem Gebiete zu etwas bringen, wenn er "gute Geschäfte" machen will.

Es dürfte also fraglich sein, ob der frühere Offizier in dieser Laufbahn,
auch wenn er es sich angelegen sein läßt und seine Aufgabe ernst nimmt, sicher
das findet, was er sucht: erfolgreiche Beschäftigung und eine in Betracht
kommende oder gar erfreuliche Vermehrung seiner Einkünfte. Wem nicht glän¬
zende Empfehlungen und genaueste Orts- und Personenkenntnissc zur Verfügung
stehen, die er rücksichtslos ausnutzt, dessen Erfolge werden selbst hinter mäßigen
Erwartungen zurückbleiben, sein Gewinn wird zu der aufgewandten Mühe und
den mancherlei Unannehmlichkeiten, die er mit in den Kauf nehmen muß, in
keinem Verhältnis stehen.

Über kaufmännische Agenturen besitze ich keine Erfahrung; ihre Renta¬
bilität wird je nach der Nachfrage und Konkurrenz verschieden, die Thätig¬
keit selbst aber ungefähr die gleiche sein, wie bei Versicherungsagenturen.
Stellen als Verwalter eines größern Gutes, als Inspektor eines größern
Fabrikgeschäfts oder industriellen Unternehmens können eigentlich als ständige
Erwerbsquellen für verabschiedete Offiziere nicht betrachtet werden, da es mehr
oder weniger Zufall oder Glückssache ist, wenn ein derartiger Posten frei wird.
Daß gewisse militärische Eigenschaften: Autorität bei einem großen Personal,
Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und Pflichttreue, sowie praktisches
Geschick für derartige Verwendungen erwünscht sind, leuchtet ein. Landwirt¬
schaftliche, technische oder auch kaufmännische Kenntnisse werden die Aussichten
für solche Verwendungen bedeutend erhöhen, aber als ständige Erwerbsquellen
für verabschiedete Offiziere sind sie nicht in Rechnung zu ziehen, weil sie be¬
stimmte Kenntnisse oder doch wenigstens Bekanntschaft mit dem betreffenden Ge¬
biete voraussetzen und weil dieser Stellen zu wenige sind. Hätte z. B. ein
Offizier vor seinem Eintritts in den königlichen Militärdienst forstwirtschaftliche
Prüfungen bestanden, so wäre es ihm wahrscheinlich nicht schwer, als Inspektor
einer größern Privatwaldung Anstellung zu finden, hat er auf einer landwirt¬
schaftlichen oder auf einer technischen Hochschule studirt, so ist ihm dies für
eine Stelle als Inspektor eines Gutes oder eines technischen Etablissements
natürlich sehr günstig, aber wie wenige haben solche Vorkenntnisse aufzuweisen!
Der Offizierstand selbst erfordert nachgerade viele Vorkenntnisse, und man muß
sich ihm schon zeitig widmen, ohne vorher lange anderweitige Studien zu machen,
sonst wird man zu alt dazu.


verabschiedete «Offiziere.

sichern, und wo das Terrain ausgenutzt ist, bleibt nichts andres übrig, als
Hebel ansetzen, mit Hilfe deren man die Leute veranlaßt, etwas zu thun, wozu
sie keine Lust haben. Das soll nun eben der Agent thun, dazu ist er da, und
der Offizieragent soll den Vorteil seiner frühern Stellung und seines Offizier-
titels, er soll seine Bekanntschaft mit den höhern Gesellschaftskreisen, welche
ihm zugänglicher waren und sind, als seinen nunmehrigen Kollegen oder Kon¬
kurrenten vom Zivil, ausnützen; und dies muß er rücksichtslos thun, wenn er
es auf diesem Gebiete zu etwas bringen, wenn er „gute Geschäfte" machen will.

Es dürfte also fraglich sein, ob der frühere Offizier in dieser Laufbahn,
auch wenn er es sich angelegen sein läßt und seine Aufgabe ernst nimmt, sicher
das findet, was er sucht: erfolgreiche Beschäftigung und eine in Betracht
kommende oder gar erfreuliche Vermehrung seiner Einkünfte. Wem nicht glän¬
zende Empfehlungen und genaueste Orts- und Personenkenntnissc zur Verfügung
stehen, die er rücksichtslos ausnutzt, dessen Erfolge werden selbst hinter mäßigen
Erwartungen zurückbleiben, sein Gewinn wird zu der aufgewandten Mühe und
den mancherlei Unannehmlichkeiten, die er mit in den Kauf nehmen muß, in
keinem Verhältnis stehen.

Über kaufmännische Agenturen besitze ich keine Erfahrung; ihre Renta¬
bilität wird je nach der Nachfrage und Konkurrenz verschieden, die Thätig¬
keit selbst aber ungefähr die gleiche sein, wie bei Versicherungsagenturen.
Stellen als Verwalter eines größern Gutes, als Inspektor eines größern
Fabrikgeschäfts oder industriellen Unternehmens können eigentlich als ständige
Erwerbsquellen für verabschiedete Offiziere nicht betrachtet werden, da es mehr
oder weniger Zufall oder Glückssache ist, wenn ein derartiger Posten frei wird.
Daß gewisse militärische Eigenschaften: Autorität bei einem großen Personal,
Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und Pflichttreue, sowie praktisches
Geschick für derartige Verwendungen erwünscht sind, leuchtet ein. Landwirt¬
schaftliche, technische oder auch kaufmännische Kenntnisse werden die Aussichten
für solche Verwendungen bedeutend erhöhen, aber als ständige Erwerbsquellen
für verabschiedete Offiziere sind sie nicht in Rechnung zu ziehen, weil sie be¬
stimmte Kenntnisse oder doch wenigstens Bekanntschaft mit dem betreffenden Ge¬
biete voraussetzen und weil dieser Stellen zu wenige sind. Hätte z. B. ein
Offizier vor seinem Eintritts in den königlichen Militärdienst forstwirtschaftliche
Prüfungen bestanden, so wäre es ihm wahrscheinlich nicht schwer, als Inspektor
einer größern Privatwaldung Anstellung zu finden, hat er auf einer landwirt¬
schaftlichen oder auf einer technischen Hochschule studirt, so ist ihm dies für
eine Stelle als Inspektor eines Gutes oder eines technischen Etablissements
natürlich sehr günstig, aber wie wenige haben solche Vorkenntnisse aufzuweisen!
Der Offizierstand selbst erfordert nachgerade viele Vorkenntnisse, und man muß
sich ihm schon zeitig widmen, ohne vorher lange anderweitige Studien zu machen,
sonst wird man zu alt dazu.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/68>, abgerufen am 28.07.2024.