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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Smaragdinsol.

Was aber nur zur Folge hatte, daß die alte Kabinetswirtschaft und Bestechungs¬
politik noch mehr ausgebildet wurde. Die englische Regierung, durch den Vize¬
könig auf dem Dubliner Schlosse vertreten, bildete sich eine sogenannte Schloß-
Partei, die im Katholikenhasse noch mehr leistete, als verlangt wurde. Die
meisten Sitze im Parlamente wurden geradezu von der Regierung oder einigen
wenigen hervorragenden Familien vergeben. Mehr als sechzig Sitze z. B. waren
in den Händen von drei Familien, und diese wenigen Machthaber wachten
eifrig über der Erhaltung ihrer Vorrechte. Ob darüber ein ganzes Volk in
Armut und Elend versank, kümmerte sie wenig. 1792 wurde von der kleinen
unabhängigen Partei ein Antrag auf Katholikenemanzipation eingebracht, wurde
aber abgelehnt. Ähnliche Anträge der Jahre 1793, 1794 und 1795 hatten
dasselbe Schicksal.

Zum Schlüsse, als die Wirtschaft zu bunt wurde, brachte die englische Ne¬
gierung die Union zu stände, wodurch Irland mit Großbritannien vereinigt
wurde und das Recht erhielt, eine Anzahl Vertreter zum britischen Parlamente
zu entsenden. Wie verrottet das alte irische Parlament war, beweist nichts so
schlagend wie die Geschichte der Vereinigung. Man verteilte Pairswürden mit
freigebiger Hand, und die großen Herren, welche die Parlamentssitze zu vergeben
hatten, erhielten Entschädigungen zum Satze von 7500 Psd. Sterl. ----- 150000
Mark für den Volksvertreter. Lord Downshire fackelte so 52 500 Pfd. Se.
------ 1 050 000 Mark ein, Lord Ely 45 000 Pfd. Se. ------- 900 000 Mark u. f. w.

Daß die Union dem irischen Volke, d. h. dem katholischen Teile, den er¬
hofften Segen gebracht hätte, läßt sich nicht behaupten. Die einzige Besserung
war, daß das irische Volk nicht mehr von einem irischen und einem englischen
Parlamente zugleich geplagt wurde. Die Reform, welche die Katholiken als
daseinsberechtigte Wesen auch im freien britischen Inselreiche anerkannte, trat
erst 1829 ins Leben. Bis 1871 jedoch hat sich die englische Staatskirche des
ganzen Besitzes der ehemaligen katholischen Kirche erfreut, obwohl nur 11 Pro¬
zent des Volkes anglikanisch sind, gegen 78 Prozent Katholiken. Heutzutage ist
der religiöse Gegensatz zwar aus dem Wege geräumt, aber sein jahrhunderte¬
langes Bestehen hat seine böse Frucht getragen. Die Verbitterung ist geblieben
und wird lebendig erhalten durch den nationalen und sozialen Gegensatz. Selbst
wenn die Iren sich jetzt materiell wohl befänden, Leiden, die ein Volk mehr
als ein halbes Jahrtausend erduldet hat. vergessen sie nicht so leicht. Aber
der Jrländer ist weit davon entfernt, mit seiner materiellen Lage zufrieden zu
und sein, die Unzufriedenheit und Not ist ständig gewachsen.

Nachdem im Jahre 1845 die Bevölkerung den Höhepunkt mit 3 295 061
erreicht hatte, ist sie von Jahr zu Jahr zurückgegangen: 1845 8 295 061
1851 6 552 385, 1861 5 793 564, 1871 5 412 377, 1881 5 174 836, 1887
4 850 536. Dabei wurden im Jahre 1887 nicht weniger als 442 289 Arme
gezählt, während England und Wales mit beinahe 26 Millionen 767 933 Arme


Die Smaragdinsol.

Was aber nur zur Folge hatte, daß die alte Kabinetswirtschaft und Bestechungs¬
politik noch mehr ausgebildet wurde. Die englische Regierung, durch den Vize¬
könig auf dem Dubliner Schlosse vertreten, bildete sich eine sogenannte Schloß-
Partei, die im Katholikenhasse noch mehr leistete, als verlangt wurde. Die
meisten Sitze im Parlamente wurden geradezu von der Regierung oder einigen
wenigen hervorragenden Familien vergeben. Mehr als sechzig Sitze z. B. waren
in den Händen von drei Familien, und diese wenigen Machthaber wachten
eifrig über der Erhaltung ihrer Vorrechte. Ob darüber ein ganzes Volk in
Armut und Elend versank, kümmerte sie wenig. 1792 wurde von der kleinen
unabhängigen Partei ein Antrag auf Katholikenemanzipation eingebracht, wurde
aber abgelehnt. Ähnliche Anträge der Jahre 1793, 1794 und 1795 hatten
dasselbe Schicksal.

Zum Schlüsse, als die Wirtschaft zu bunt wurde, brachte die englische Ne¬
gierung die Union zu stände, wodurch Irland mit Großbritannien vereinigt
wurde und das Recht erhielt, eine Anzahl Vertreter zum britischen Parlamente
zu entsenden. Wie verrottet das alte irische Parlament war, beweist nichts so
schlagend wie die Geschichte der Vereinigung. Man verteilte Pairswürden mit
freigebiger Hand, und die großen Herren, welche die Parlamentssitze zu vergeben
hatten, erhielten Entschädigungen zum Satze von 7500 Psd. Sterl. ----- 150000
Mark für den Volksvertreter. Lord Downshire fackelte so 52 500 Pfd. Se.
------ 1 050 000 Mark ein, Lord Ely 45 000 Pfd. Se. ------- 900 000 Mark u. f. w.

Daß die Union dem irischen Volke, d. h. dem katholischen Teile, den er¬
hofften Segen gebracht hätte, läßt sich nicht behaupten. Die einzige Besserung
war, daß das irische Volk nicht mehr von einem irischen und einem englischen
Parlamente zugleich geplagt wurde. Die Reform, welche die Katholiken als
daseinsberechtigte Wesen auch im freien britischen Inselreiche anerkannte, trat
erst 1829 ins Leben. Bis 1871 jedoch hat sich die englische Staatskirche des
ganzen Besitzes der ehemaligen katholischen Kirche erfreut, obwohl nur 11 Pro¬
zent des Volkes anglikanisch sind, gegen 78 Prozent Katholiken. Heutzutage ist
der religiöse Gegensatz zwar aus dem Wege geräumt, aber sein jahrhunderte¬
langes Bestehen hat seine böse Frucht getragen. Die Verbitterung ist geblieben
und wird lebendig erhalten durch den nationalen und sozialen Gegensatz. Selbst
wenn die Iren sich jetzt materiell wohl befänden, Leiden, die ein Volk mehr
als ein halbes Jahrtausend erduldet hat. vergessen sie nicht so leicht. Aber
der Jrländer ist weit davon entfernt, mit seiner materiellen Lage zufrieden zu
und sein, die Unzufriedenheit und Not ist ständig gewachsen.

Nachdem im Jahre 1845 die Bevölkerung den Höhepunkt mit 3 295 061
erreicht hatte, ist sie von Jahr zu Jahr zurückgegangen: 1845 8 295 061
1851 6 552 385, 1861 5 793 564, 1871 5 412 377, 1881 5 174 836, 1887
4 850 536. Dabei wurden im Jahre 1887 nicht weniger als 442 289 Arme
gezählt, während England und Wales mit beinahe 26 Millionen 767 933 Arme


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[0639] Die Smaragdinsol. Was aber nur zur Folge hatte, daß die alte Kabinetswirtschaft und Bestechungs¬ politik noch mehr ausgebildet wurde. Die englische Regierung, durch den Vize¬ könig auf dem Dubliner Schlosse vertreten, bildete sich eine sogenannte Schloß- Partei, die im Katholikenhasse noch mehr leistete, als verlangt wurde. Die meisten Sitze im Parlamente wurden geradezu von der Regierung oder einigen wenigen hervorragenden Familien vergeben. Mehr als sechzig Sitze z. B. waren in den Händen von drei Familien, und diese wenigen Machthaber wachten eifrig über der Erhaltung ihrer Vorrechte. Ob darüber ein ganzes Volk in Armut und Elend versank, kümmerte sie wenig. 1792 wurde von der kleinen unabhängigen Partei ein Antrag auf Katholikenemanzipation eingebracht, wurde aber abgelehnt. Ähnliche Anträge der Jahre 1793, 1794 und 1795 hatten dasselbe Schicksal. Zum Schlüsse, als die Wirtschaft zu bunt wurde, brachte die englische Ne¬ gierung die Union zu stände, wodurch Irland mit Großbritannien vereinigt wurde und das Recht erhielt, eine Anzahl Vertreter zum britischen Parlamente zu entsenden. Wie verrottet das alte irische Parlament war, beweist nichts so schlagend wie die Geschichte der Vereinigung. Man verteilte Pairswürden mit freigebiger Hand, und die großen Herren, welche die Parlamentssitze zu vergeben hatten, erhielten Entschädigungen zum Satze von 7500 Psd. Sterl. ----- 150000 Mark für den Volksvertreter. Lord Downshire fackelte so 52 500 Pfd. Se. ------ 1 050 000 Mark ein, Lord Ely 45 000 Pfd. Se. ------- 900 000 Mark u. f. w. Daß die Union dem irischen Volke, d. h. dem katholischen Teile, den er¬ hofften Segen gebracht hätte, läßt sich nicht behaupten. Die einzige Besserung war, daß das irische Volk nicht mehr von einem irischen und einem englischen Parlamente zugleich geplagt wurde. Die Reform, welche die Katholiken als daseinsberechtigte Wesen auch im freien britischen Inselreiche anerkannte, trat erst 1829 ins Leben. Bis 1871 jedoch hat sich die englische Staatskirche des ganzen Besitzes der ehemaligen katholischen Kirche erfreut, obwohl nur 11 Pro¬ zent des Volkes anglikanisch sind, gegen 78 Prozent Katholiken. Heutzutage ist der religiöse Gegensatz zwar aus dem Wege geräumt, aber sein jahrhunderte¬ langes Bestehen hat seine böse Frucht getragen. Die Verbitterung ist geblieben und wird lebendig erhalten durch den nationalen und sozialen Gegensatz. Selbst wenn die Iren sich jetzt materiell wohl befänden, Leiden, die ein Volk mehr als ein halbes Jahrtausend erduldet hat. vergessen sie nicht so leicht. Aber der Jrländer ist weit davon entfernt, mit seiner materiellen Lage zufrieden zu und sein, die Unzufriedenheit und Not ist ständig gewachsen. Nachdem im Jahre 1845 die Bevölkerung den Höhepunkt mit 3 295 061 erreicht hatte, ist sie von Jahr zu Jahr zurückgegangen: 1845 8 295 061 1851 6 552 385, 1861 5 793 564, 1871 5 412 377, 1881 5 174 836, 1887 4 850 536. Dabei wurden im Jahre 1887 nicht weniger als 442 289 Arme gezählt, während England und Wales mit beinahe 26 Millionen 767 933 Arme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/639>, abgerufen am 28.07.2024.