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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanische und deutsche Gewerbeschiedsgcrichtc und^inigiingsämtcr.

Einrichtung der Gewerbeschiedsgerichte und Einigungsämter, wie über das
Verfahren bor ihnen verbleiben der landesgesetzlichcn oder ortsstatutnrischen
Regelung, jedoch dürfen den Parteien andre als durch baare Auslagen ent¬
standene Kosten und die den Beisitzern auf Antrag zu zahlenden Entschädigungen
für Zeitversäumnis und Auslagen nicht angerechnet werden." Damit wäre zu¬
gleich die grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens gesichert, ohne die eine
schnelle Einbürgerung und eine gedeihliche Wirksamkeit der Einrichtungen kaum
zu erwarten sein dürfte.

Übrigens würde die praktische Durchführung der Einigungsämter
kaum auf Schwierigkeiten stoßen, sobald die grundsätzlichen Verschiedenheiten
zwischen Gewerbeschiedsgericht und Einigungsamt nicht außer Acht gelassen
werden. Das erstere ist ein wirkliches Gericht (siehe § 14^ des Gerichtsver-
fassungsgesctzes), das letztere dagegen eine Behörde mit gemischten Befugnissen.
Dort handelt es sich um die endgiltige Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten
zwischen persönlich bestimmten Prozeßparteien, also um die Feststellung der
Rechtsfolgen aus schon bestehenden Arbeitsverträgen, hier um eine gleichsam
statutarische Regelung von Jnteressenstreitigkeiten zwischen gewissen Berufsgruppen,
d. h. um die Feststellung der Grundbestimmungen für erst abzuschließende Ar¬
beitsverhältnisse; mit andern Worten, dort erzeugt das Verfahren fertige Voll¬
streckungstitel, hier nur die rechtlichen Unterlagen dafür.

Der statutarische Charakter der Feststellungen vor dem Einignngsamte
kommt darin zum Ausdruck, daß sie durch die Beurkundung zu Protokoll eine
autoritative Bekräftigung erhalten und, soweit sie durch Schiedsspruch erfolgen,
sich als eine im staatlichen Interesse erfolgende Oktroyirung darstellen. Daraus
folgt zugleich, daß diese Satzungen nicht die einzelnen Personen als solche,
sondern nur als Teilnehmer an den bezüglichen Interessengruppen verpflichten,
sodaß sie ähnlich wie Korporationsstatuten immer nur für den jeweiligen Teil¬
nehmerkreis verbindlich sind. Der privatrechtlichen Grundlage wird aber
dadurch Rechnung getragen, daß den einzelnen Teilnehmern ein Aufkündigungs¬
recht zusteht, dessen Fristverletzung eine Konventionalstrafe zu Gunsten der da¬
durch geschädigten zur Folge hat. Als berechtigte und verpflichtete, d. h. als un¬
teilbare Einheit der bezüglichen Interessengruppen werden in dieser Beziehung der
einzelne Arbeitgeber und dessen jeweilige Arbeiterschaft oder die Besitzer und Arbeiter
der einzelnen Arbeitsstätte einander gegenüberstehen. Dabei ließe sich auch auf
feiten der Arbeiterschaft eine größere Gewähr für die Einhaltung der Satzungen
und für die Vollstreckung der Konventionalstrafen ohne Schwierigkeit erreichen,
wenn gleich bei deren Festsetzung auf die Hinterlegung von Kautionen oder die
Bestellung von Bürgschaften für die einzelnen Arbeitsstätten hingewirkt würde.

Freilich würde dies meist überflüssig werden und das ganze Verfahren
überhaupt sich wesentlich vereinfachen, sobald die Parteien sich in beiderseits
anerkannten festen Organisationen gegenüberstehen. Aber solche Fälle bilden


Amerikanische und deutsche Gewerbeschiedsgcrichtc und^inigiingsämtcr.

Einrichtung der Gewerbeschiedsgerichte und Einigungsämter, wie über das
Verfahren bor ihnen verbleiben der landesgesetzlichcn oder ortsstatutnrischen
Regelung, jedoch dürfen den Parteien andre als durch baare Auslagen ent¬
standene Kosten und die den Beisitzern auf Antrag zu zahlenden Entschädigungen
für Zeitversäumnis und Auslagen nicht angerechnet werden." Damit wäre zu¬
gleich die grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens gesichert, ohne die eine
schnelle Einbürgerung und eine gedeihliche Wirksamkeit der Einrichtungen kaum
zu erwarten sein dürfte.

Übrigens würde die praktische Durchführung der Einigungsämter
kaum auf Schwierigkeiten stoßen, sobald die grundsätzlichen Verschiedenheiten
zwischen Gewerbeschiedsgericht und Einigungsamt nicht außer Acht gelassen
werden. Das erstere ist ein wirkliches Gericht (siehe § 14^ des Gerichtsver-
fassungsgesctzes), das letztere dagegen eine Behörde mit gemischten Befugnissen.
Dort handelt es sich um die endgiltige Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten
zwischen persönlich bestimmten Prozeßparteien, also um die Feststellung der
Rechtsfolgen aus schon bestehenden Arbeitsverträgen, hier um eine gleichsam
statutarische Regelung von Jnteressenstreitigkeiten zwischen gewissen Berufsgruppen,
d. h. um die Feststellung der Grundbestimmungen für erst abzuschließende Ar¬
beitsverhältnisse; mit andern Worten, dort erzeugt das Verfahren fertige Voll¬
streckungstitel, hier nur die rechtlichen Unterlagen dafür.

Der statutarische Charakter der Feststellungen vor dem Einignngsamte
kommt darin zum Ausdruck, daß sie durch die Beurkundung zu Protokoll eine
autoritative Bekräftigung erhalten und, soweit sie durch Schiedsspruch erfolgen,
sich als eine im staatlichen Interesse erfolgende Oktroyirung darstellen. Daraus
folgt zugleich, daß diese Satzungen nicht die einzelnen Personen als solche,
sondern nur als Teilnehmer an den bezüglichen Interessengruppen verpflichten,
sodaß sie ähnlich wie Korporationsstatuten immer nur für den jeweiligen Teil¬
nehmerkreis verbindlich sind. Der privatrechtlichen Grundlage wird aber
dadurch Rechnung getragen, daß den einzelnen Teilnehmern ein Aufkündigungs¬
recht zusteht, dessen Fristverletzung eine Konventionalstrafe zu Gunsten der da¬
durch geschädigten zur Folge hat. Als berechtigte und verpflichtete, d. h. als un¬
teilbare Einheit der bezüglichen Interessengruppen werden in dieser Beziehung der
einzelne Arbeitgeber und dessen jeweilige Arbeiterschaft oder die Besitzer und Arbeiter
der einzelnen Arbeitsstätte einander gegenüberstehen. Dabei ließe sich auch auf
feiten der Arbeiterschaft eine größere Gewähr für die Einhaltung der Satzungen
und für die Vollstreckung der Konventionalstrafen ohne Schwierigkeit erreichen,
wenn gleich bei deren Festsetzung auf die Hinterlegung von Kautionen oder die
Bestellung von Bürgschaften für die einzelnen Arbeitsstätten hingewirkt würde.

Freilich würde dies meist überflüssig werden und das ganze Verfahren
überhaupt sich wesentlich vereinfachen, sobald die Parteien sich in beiderseits
anerkannten festen Organisationen gegenüberstehen. Aber solche Fälle bilden


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[0621] Amerikanische und deutsche Gewerbeschiedsgcrichtc und^inigiingsämtcr. Einrichtung der Gewerbeschiedsgerichte und Einigungsämter, wie über das Verfahren bor ihnen verbleiben der landesgesetzlichcn oder ortsstatutnrischen Regelung, jedoch dürfen den Parteien andre als durch baare Auslagen ent¬ standene Kosten und die den Beisitzern auf Antrag zu zahlenden Entschädigungen für Zeitversäumnis und Auslagen nicht angerechnet werden." Damit wäre zu¬ gleich die grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens gesichert, ohne die eine schnelle Einbürgerung und eine gedeihliche Wirksamkeit der Einrichtungen kaum zu erwarten sein dürfte. Übrigens würde die praktische Durchführung der Einigungsämter kaum auf Schwierigkeiten stoßen, sobald die grundsätzlichen Verschiedenheiten zwischen Gewerbeschiedsgericht und Einigungsamt nicht außer Acht gelassen werden. Das erstere ist ein wirkliches Gericht (siehe § 14^ des Gerichtsver- fassungsgesctzes), das letztere dagegen eine Behörde mit gemischten Befugnissen. Dort handelt es sich um die endgiltige Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten zwischen persönlich bestimmten Prozeßparteien, also um die Feststellung der Rechtsfolgen aus schon bestehenden Arbeitsverträgen, hier um eine gleichsam statutarische Regelung von Jnteressenstreitigkeiten zwischen gewissen Berufsgruppen, d. h. um die Feststellung der Grundbestimmungen für erst abzuschließende Ar¬ beitsverhältnisse; mit andern Worten, dort erzeugt das Verfahren fertige Voll¬ streckungstitel, hier nur die rechtlichen Unterlagen dafür. Der statutarische Charakter der Feststellungen vor dem Einignngsamte kommt darin zum Ausdruck, daß sie durch die Beurkundung zu Protokoll eine autoritative Bekräftigung erhalten und, soweit sie durch Schiedsspruch erfolgen, sich als eine im staatlichen Interesse erfolgende Oktroyirung darstellen. Daraus folgt zugleich, daß diese Satzungen nicht die einzelnen Personen als solche, sondern nur als Teilnehmer an den bezüglichen Interessengruppen verpflichten, sodaß sie ähnlich wie Korporationsstatuten immer nur für den jeweiligen Teil¬ nehmerkreis verbindlich sind. Der privatrechtlichen Grundlage wird aber dadurch Rechnung getragen, daß den einzelnen Teilnehmern ein Aufkündigungs¬ recht zusteht, dessen Fristverletzung eine Konventionalstrafe zu Gunsten der da¬ durch geschädigten zur Folge hat. Als berechtigte und verpflichtete, d. h. als un¬ teilbare Einheit der bezüglichen Interessengruppen werden in dieser Beziehung der einzelne Arbeitgeber und dessen jeweilige Arbeiterschaft oder die Besitzer und Arbeiter der einzelnen Arbeitsstätte einander gegenüberstehen. Dabei ließe sich auch auf feiten der Arbeiterschaft eine größere Gewähr für die Einhaltung der Satzungen und für die Vollstreckung der Konventionalstrafen ohne Schwierigkeit erreichen, wenn gleich bei deren Festsetzung auf die Hinterlegung von Kautionen oder die Bestellung von Bürgschaften für die einzelnen Arbeitsstätten hingewirkt würde. Freilich würde dies meist überflüssig werden und das ganze Verfahren überhaupt sich wesentlich vereinfachen, sobald die Parteien sich in beiderseits anerkannten festen Organisationen gegenüberstehen. Aber solche Fälle bilden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/621>, abgerufen am 28.07.2024.