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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanische und deutsche Gewcrbeschiedsgerichte und LinigungsLmter.

die Selbsthilfe auf diesem Gebiete -- bis auf vereinzelte Ausnahmen --
als ohnmächtig erwiesen hat.

Vor allem würde dazu erforderlich sein, die in § 120 a Absatz 3 der Ge¬
werbeordnung nur "fakultativ" vorgesehenen Schiedsgerichte "obligatorisch" zu
machen, damit die Streitenden in jedem Falle eine schnelle, billige und sach¬
kundige Entscheidung herbeiführen könnten. Es dürfte dies keine besondern Schwie¬
rigkeiten bieten, wenn man den Vorsitz der Schiedsgerichte allgemein den in
§ 139d bezeichneten Beamten (Gewerberäten, Fabrikinspektoren) übertrüge und
den dritten Absatz des § 120g. etwa folgendermaßen faßte: "An Stelle der
gegenwärtig hierfür bestimmten Behörden ist die Entscheidung da, wo Beamte
der in Z 139d bezeichneten Art eingeführt sind oder eingeführt werden, "Ge¬
werbeschiedsgerichten" zu übertragen. Dieselben sind durch die Landesregierungen
oder Gemeindebehörden unter Verwendung der vorbezeichneten Beamten als Vor¬
sitzender und unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitern
als Beisitzern zu bilden."

Hierdurch würde eine Gewähr dafür gegeben sein, daß die Schiedsgerichte
nur da, aber auch überall da eingeführt werden, wo ein praktisches Bedürfnis
dazu vorliegt. Auch brauchte man keinen neuen Beamtenapparat, sondern
brauchte nur an schon Bestehendes anzuknüpfen. Außerdem erscheinen die Ge¬
werberäte und Fabrikinspektoren als die zum Vorsitze in den Gewerbeschieds-
gcrichten besonders berufenen Persönlichkeiten, da sie schon jetzt eine vermittelnde
Vertrauensstellung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern einnehmen, die größte
Sachkenntnis besitzen und als staatliche Beamte die vor allem notwendige Un¬
abhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Endlich würde sich die ganze
Einrichtung ohne sonderliche Eingriffe in die bestehenden Verhältnisse durchführen
lassen und die Ausführung im wesentlichen der landesgesetzlichen oder orts-
statutarijchen Regelung überlassen bleiben können. Höchstens möchte es sich em¬
pfehlen, zur Wahrung des einheitlichen Charakters der Gewerbeschiedsgerichte
die leitenden Grundbestimmungen einer besondern Ausführungsverordnung zu
s 120 a vorzubehalten oder auch diesem Paragraphen selbst etwa in folgender
Weise anzufügen: "Den Verhandlungen vor dem Gcwerbeschiedsgerichte muß
ein Sühneversuch vor dem Vorsitzenden vorausgehen. Das Gewerbeschiedsgericht
ist beschlußfähig bei Anwesenheit des Vorsitzenden und mindestens zweier Bei¬
sitzer. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen. Kommt ein Vergleich zu stände,
so ist sein Inhalt zu Protokoll festzustellen. Andernfalls hat das Gewerbeschieds¬
gericht nach Schluß der Verhandlungen seiner freien Überzeugung gemäß zu
entscheiden. Das Urteil ist sofort oder längstens binnen drei Tagen zu ver¬
künden und ist endgiltig. Sofern auf die Leistung einer Handlung erkannt wird,
ist zugleich für den Fall der Nichtleistung innerhalb einer zu bestimmenden
kurzen Frist von Amtswegen der Betrag der eintretenden Entschädigung fest¬
zusetzen. Die Urteile des Gewerbeschiedsgerichts und die vor ihm oder im


Amerikanische und deutsche Gewcrbeschiedsgerichte und LinigungsLmter.

die Selbsthilfe auf diesem Gebiete — bis auf vereinzelte Ausnahmen —
als ohnmächtig erwiesen hat.

Vor allem würde dazu erforderlich sein, die in § 120 a Absatz 3 der Ge¬
werbeordnung nur „fakultativ" vorgesehenen Schiedsgerichte „obligatorisch" zu
machen, damit die Streitenden in jedem Falle eine schnelle, billige und sach¬
kundige Entscheidung herbeiführen könnten. Es dürfte dies keine besondern Schwie¬
rigkeiten bieten, wenn man den Vorsitz der Schiedsgerichte allgemein den in
§ 139d bezeichneten Beamten (Gewerberäten, Fabrikinspektoren) übertrüge und
den dritten Absatz des § 120g. etwa folgendermaßen faßte: „An Stelle der
gegenwärtig hierfür bestimmten Behörden ist die Entscheidung da, wo Beamte
der in Z 139d bezeichneten Art eingeführt sind oder eingeführt werden, »Ge¬
werbeschiedsgerichten« zu übertragen. Dieselben sind durch die Landesregierungen
oder Gemeindebehörden unter Verwendung der vorbezeichneten Beamten als Vor¬
sitzender und unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitern
als Beisitzern zu bilden."

Hierdurch würde eine Gewähr dafür gegeben sein, daß die Schiedsgerichte
nur da, aber auch überall da eingeführt werden, wo ein praktisches Bedürfnis
dazu vorliegt. Auch brauchte man keinen neuen Beamtenapparat, sondern
brauchte nur an schon Bestehendes anzuknüpfen. Außerdem erscheinen die Ge¬
werberäte und Fabrikinspektoren als die zum Vorsitze in den Gewerbeschieds-
gcrichten besonders berufenen Persönlichkeiten, da sie schon jetzt eine vermittelnde
Vertrauensstellung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern einnehmen, die größte
Sachkenntnis besitzen und als staatliche Beamte die vor allem notwendige Un¬
abhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Endlich würde sich die ganze
Einrichtung ohne sonderliche Eingriffe in die bestehenden Verhältnisse durchführen
lassen und die Ausführung im wesentlichen der landesgesetzlichen oder orts-
statutarijchen Regelung überlassen bleiben können. Höchstens möchte es sich em¬
pfehlen, zur Wahrung des einheitlichen Charakters der Gewerbeschiedsgerichte
die leitenden Grundbestimmungen einer besondern Ausführungsverordnung zu
s 120 a vorzubehalten oder auch diesem Paragraphen selbst etwa in folgender
Weise anzufügen: „Den Verhandlungen vor dem Gcwerbeschiedsgerichte muß
ein Sühneversuch vor dem Vorsitzenden vorausgehen. Das Gewerbeschiedsgericht
ist beschlußfähig bei Anwesenheit des Vorsitzenden und mindestens zweier Bei¬
sitzer. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen. Kommt ein Vergleich zu stände,
so ist sein Inhalt zu Protokoll festzustellen. Andernfalls hat das Gewerbeschieds¬
gericht nach Schluß der Verhandlungen seiner freien Überzeugung gemäß zu
entscheiden. Das Urteil ist sofort oder längstens binnen drei Tagen zu ver¬
künden und ist endgiltig. Sofern auf die Leistung einer Handlung erkannt wird,
ist zugleich für den Fall der Nichtleistung innerhalb einer zu bestimmenden
kurzen Frist von Amtswegen der Betrag der eintretenden Entschädigung fest¬
zusetzen. Die Urteile des Gewerbeschiedsgerichts und die vor ihm oder im


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[0618] Amerikanische und deutsche Gewcrbeschiedsgerichte und LinigungsLmter. die Selbsthilfe auf diesem Gebiete — bis auf vereinzelte Ausnahmen — als ohnmächtig erwiesen hat. Vor allem würde dazu erforderlich sein, die in § 120 a Absatz 3 der Ge¬ werbeordnung nur „fakultativ" vorgesehenen Schiedsgerichte „obligatorisch" zu machen, damit die Streitenden in jedem Falle eine schnelle, billige und sach¬ kundige Entscheidung herbeiführen könnten. Es dürfte dies keine besondern Schwie¬ rigkeiten bieten, wenn man den Vorsitz der Schiedsgerichte allgemein den in § 139d bezeichneten Beamten (Gewerberäten, Fabrikinspektoren) übertrüge und den dritten Absatz des § 120g. etwa folgendermaßen faßte: „An Stelle der gegenwärtig hierfür bestimmten Behörden ist die Entscheidung da, wo Beamte der in Z 139d bezeichneten Art eingeführt sind oder eingeführt werden, »Ge¬ werbeschiedsgerichten« zu übertragen. Dieselben sind durch die Landesregierungen oder Gemeindebehörden unter Verwendung der vorbezeichneten Beamten als Vor¬ sitzender und unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitern als Beisitzern zu bilden." Hierdurch würde eine Gewähr dafür gegeben sein, daß die Schiedsgerichte nur da, aber auch überall da eingeführt werden, wo ein praktisches Bedürfnis dazu vorliegt. Auch brauchte man keinen neuen Beamtenapparat, sondern brauchte nur an schon Bestehendes anzuknüpfen. Außerdem erscheinen die Ge¬ werberäte und Fabrikinspektoren als die zum Vorsitze in den Gewerbeschieds- gcrichten besonders berufenen Persönlichkeiten, da sie schon jetzt eine vermittelnde Vertrauensstellung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern einnehmen, die größte Sachkenntnis besitzen und als staatliche Beamte die vor allem notwendige Un¬ abhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleisten. Endlich würde sich die ganze Einrichtung ohne sonderliche Eingriffe in die bestehenden Verhältnisse durchführen lassen und die Ausführung im wesentlichen der landesgesetzlichen oder orts- statutarijchen Regelung überlassen bleiben können. Höchstens möchte es sich em¬ pfehlen, zur Wahrung des einheitlichen Charakters der Gewerbeschiedsgerichte die leitenden Grundbestimmungen einer besondern Ausführungsverordnung zu s 120 a vorzubehalten oder auch diesem Paragraphen selbst etwa in folgender Weise anzufügen: „Den Verhandlungen vor dem Gcwerbeschiedsgerichte muß ein Sühneversuch vor dem Vorsitzenden vorausgehen. Das Gewerbeschiedsgericht ist beschlußfähig bei Anwesenheit des Vorsitzenden und mindestens zweier Bei¬ sitzer. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen. Kommt ein Vergleich zu stände, so ist sein Inhalt zu Protokoll festzustellen. Andernfalls hat das Gewerbeschieds¬ gericht nach Schluß der Verhandlungen seiner freien Überzeugung gemäß zu entscheiden. Das Urteil ist sofort oder längstens binnen drei Tagen zu ver¬ künden und ist endgiltig. Sofern auf die Leistung einer Handlung erkannt wird, ist zugleich für den Fall der Nichtleistung innerhalb einer zu bestimmenden kurzen Frist von Amtswegen der Betrag der eintretenden Entschädigung fest¬ zusetzen. Die Urteile des Gewerbeschiedsgerichts und die vor ihm oder im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/618>, abgerufen am 28.07.2024.