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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Nordschleswigs Protestpartei.

leiden müssen. Die nächstbcrechtigten Landeskinder mußten mit minder guten
Stellen in Dänemark vorlieb nehmen, wenn man es nicht vorzog, sie wegen deut¬
scher Gesinnung abzusetzen oder stellenlos zu lassen. Dieser Umstand wurde seiner¬
zeit auch von den Nordschlcswigern als arger Mißbrauch verschrieen. Heute
scheine" die Herren Protestler für dergleichen Dinge kein Verständnis mehr zu
haben, sie scheinen sie vollständig vergessen zu haben. Ferner bestimmt das
Staatsgrundgesctz, es solle in den Herzogtümern keine andre Münze gelten, als
die in Hamburg und Lübeck gäng und gäbe sei. Trotzdem haben die Dänen
daneben dänisches Geld eingeführt. Endlich bestimmte der Vertrag Däne¬
marks mit Preußen und Österreich vom Jahre 1851, daß im Herzogtum
Schleswig die dänische und die deutsche Sprache gleichberechtigt sein sollten.
Aber die Dänen hatten nichts eiligeres zu thun, als in Mittclschleswig dä¬
nische Kirchen- und Schulsprache einzuführen, in Gegenden, wo man der¬
gleichen niemals gehabt hatte und wo teilweise das Dänische nicht einmal ver¬
standen wurde. Wie Herr Mörl Hansen unter solchen Umständen die Verge¬
waltigung Schleswigs in den Jahren 1852 bis 1864 für die grundlose Erfindung
einer verlogenen Presse erklären kann, begreifen wir nicht. Wir wissen besser,
wie es gewesen ist.

Wenn nun auch unzweifelhaft Deutschland die Nordschleswigcr besser be¬
handelt als einst Dänemark die Südschleswiger, so schreien doch die Protcstler
Zeter und Mord über angeblich erlittene Vergewaltigung durch die Deutschen,
und dieses von den Agitatoren erhobene Geschrei findet seinen Wiederhall im
Volke. Noch immer sind viele, die eine Rückkehr nach Dänemark für eine er¬
wünschte Sache halten. Ob sie freilich, wenn sie heute wirklich dänisch würden,
dies noch nach einigen Wochen für ein Glück halten würden, ist sehr fraglich.
Denn eine unerquicklichere politische Lage als in Dänemark ist kaum denkbar.
Augenblicklich schlummern freilich die Parteistreitigkeiten, aber jeden Augenblick
können sie geweckt werden und im blutigen Kampfe ihren Ausgleich suchen.
Vielleicht gäbe es kein gründlicheres Mittel, unsre Nordschleswigcr von ihrer
Dänenliebe zu heilen, als sie einmal mitten im erregten Parteistreite aus ein
Vierteljahr dänisch werden zu lassen, nur auf Probe. Da sich dieses Mittel
in der Praxis nicht durchführen läßt, muß man den Herren Protestlern mit
andern Mitteln zu Leibe gehen. Und da giebt es nach unsrer festen Überzeu¬
gung kein besseres, als die Hmiptschreier zum Schweigen zu bringen. Güte
fruchtet nichts, also muß mens mit Gewalt versuchen. Sind erst die Aufhetzer
zur Ruhe gebracht, so wird die Opposition gegen das Deutschtum bald im Sande
verlaufen. Im Grunde ist unsre Bevölkerung gar nicht so protestlerisch gesinnt,
nur die fortgesetzte Agitation bringt sie zu dem Glauben, der Anschluß an
Dänemark sei für Nordschleswig ein Glück und eine Notwendigkeit.




Nordschleswigs Protestpartei.

leiden müssen. Die nächstbcrechtigten Landeskinder mußten mit minder guten
Stellen in Dänemark vorlieb nehmen, wenn man es nicht vorzog, sie wegen deut¬
scher Gesinnung abzusetzen oder stellenlos zu lassen. Dieser Umstand wurde seiner¬
zeit auch von den Nordschlcswigern als arger Mißbrauch verschrieen. Heute
scheine» die Herren Protestler für dergleichen Dinge kein Verständnis mehr zu
haben, sie scheinen sie vollständig vergessen zu haben. Ferner bestimmt das
Staatsgrundgesctz, es solle in den Herzogtümern keine andre Münze gelten, als
die in Hamburg und Lübeck gäng und gäbe sei. Trotzdem haben die Dänen
daneben dänisches Geld eingeführt. Endlich bestimmte der Vertrag Däne¬
marks mit Preußen und Österreich vom Jahre 1851, daß im Herzogtum
Schleswig die dänische und die deutsche Sprache gleichberechtigt sein sollten.
Aber die Dänen hatten nichts eiligeres zu thun, als in Mittclschleswig dä¬
nische Kirchen- und Schulsprache einzuführen, in Gegenden, wo man der¬
gleichen niemals gehabt hatte und wo teilweise das Dänische nicht einmal ver¬
standen wurde. Wie Herr Mörl Hansen unter solchen Umständen die Verge¬
waltigung Schleswigs in den Jahren 1852 bis 1864 für die grundlose Erfindung
einer verlogenen Presse erklären kann, begreifen wir nicht. Wir wissen besser,
wie es gewesen ist.

Wenn nun auch unzweifelhaft Deutschland die Nordschleswigcr besser be¬
handelt als einst Dänemark die Südschleswiger, so schreien doch die Protcstler
Zeter und Mord über angeblich erlittene Vergewaltigung durch die Deutschen,
und dieses von den Agitatoren erhobene Geschrei findet seinen Wiederhall im
Volke. Noch immer sind viele, die eine Rückkehr nach Dänemark für eine er¬
wünschte Sache halten. Ob sie freilich, wenn sie heute wirklich dänisch würden,
dies noch nach einigen Wochen für ein Glück halten würden, ist sehr fraglich.
Denn eine unerquicklichere politische Lage als in Dänemark ist kaum denkbar.
Augenblicklich schlummern freilich die Parteistreitigkeiten, aber jeden Augenblick
können sie geweckt werden und im blutigen Kampfe ihren Ausgleich suchen.
Vielleicht gäbe es kein gründlicheres Mittel, unsre Nordschleswigcr von ihrer
Dänenliebe zu heilen, als sie einmal mitten im erregten Parteistreite aus ein
Vierteljahr dänisch werden zu lassen, nur auf Probe. Da sich dieses Mittel
in der Praxis nicht durchführen läßt, muß man den Herren Protestlern mit
andern Mitteln zu Leibe gehen. Und da giebt es nach unsrer festen Überzeu¬
gung kein besseres, als die Hmiptschreier zum Schweigen zu bringen. Güte
fruchtet nichts, also muß mens mit Gewalt versuchen. Sind erst die Aufhetzer
zur Ruhe gebracht, so wird die Opposition gegen das Deutschtum bald im Sande
verlaufen. Im Grunde ist unsre Bevölkerung gar nicht so protestlerisch gesinnt,
nur die fortgesetzte Agitation bringt sie zu dem Glauben, der Anschluß an
Dänemark sei für Nordschleswig ein Glück und eine Notwendigkeit.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/616>, abgerufen am 28.07.2024.