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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.

Sie, daß ich Sie zu schnell vergäße? Seien Sie ruhig, Sie löscht man nicht
aus, aus dem Leben! Aber nehmen Sie sich in Acht! Einer Liebe wie der
meinen begegnet eine Frau nicht zweimal in ihrem Leben; nehmen Sie sich in
Acht, damit es Ihnen nicht Unglück bringt, daß Sie mich von sich gewiesen.
Ich wünsche Ihnen nichts Böses, nein, nein, möge Ihnen alle Not und aller
Kummer fern bleiben, möge all das Glück, welches Reichtum, Bewunderung
und gesellige Erfolge zu bieten vermögen, Ihnen im vollsten Maße zu teil
werden, im allervollsten, das wünsche ich Ihnen; möge die ganze Welt Ihnen
offen stehen, ausgenommen eine einzige kleine Thür, wie viel Sie auch klopfen,
wie oft Sie sich auch bemühen mögen, sonst alles, alles so voll und so weit,
wie Sie es nur wünschen können!

Er sagte das langsam, fast traurig, nicht im geringsten bitter, aber mit
einem eigenartig zitternden Klang in der Stimme, mit einem Klang, den sie
nicht kannte und der Eindruck auf sie machte. Sie war ein wenig bleich ge¬
worden und stand steif auf den Stuhl gestützt da.

Ricks, sagte sie, Ricks, prophezeie mir nicht Böses, bedenke, daß du
nicht hier warst, Ricks, und meine Liebe -- ich wußte ja selber nicht, wie
wirklich sie war, es war mir immer, als beschäftige sie mich im Grunde nur;
sie klang durch mein Leben wie ein feines, geistvolles Gedicht, sie umschlang
mich niemals mit starken Armen, sie hatte Schwingen -- nnr Schwingen. Das
glaubte ich, ich wußte es ja nicht besser bis zu diesem Augenblicke, oder bis
damals, wo ich den Schritt gethan, als ich "ja" gesagt. Es kam auch so
eigentümlich, es war so vielerlei, was mit hineinspielte; so viele, auf die man
Rücksicht nehmen mußte.

Mit meinem Bruder Hardenskjold fing die Sache an, du weißt ja, der¬
selbe, der damals nach Westindien ging. Er war hier ein wenig wild gewesen,
aber da drüben wurde er dann vernünftig; er verband sich mit jemand, verdiente
viel Geld und heiratete eine reiche Witwe, eine entzückende kleine Person, ver¬
sichere ich dir, und dann kam er nach Hause, und dann war zwischen ihm und
dem Vater alles wieder gut, denn Hatte war völlig verändert, o er ist so
achtungsbedürftig geworden, so besorgt, daß die Leute etwas sagen könnten,
gräßlich beschränkt, sage ich dir! Natürlich meinte er, es wäre das einzig
Richtige, daß ich wieder mit meiner Familie auf guten Fuß käme, und er
predigte und bat und quälte mich jedesmal, wenn er zu mir kam, und der
Vater ist ja auch schon ein alter Mann, und da gab ich denn endlich nach,
und nun ist wieder alles wie in alten Tagen. (Fortsetzung folgt.)




Ricks Lyhne.

Sie, daß ich Sie zu schnell vergäße? Seien Sie ruhig, Sie löscht man nicht
aus, aus dem Leben! Aber nehmen Sie sich in Acht! Einer Liebe wie der
meinen begegnet eine Frau nicht zweimal in ihrem Leben; nehmen Sie sich in
Acht, damit es Ihnen nicht Unglück bringt, daß Sie mich von sich gewiesen.
Ich wünsche Ihnen nichts Böses, nein, nein, möge Ihnen alle Not und aller
Kummer fern bleiben, möge all das Glück, welches Reichtum, Bewunderung
und gesellige Erfolge zu bieten vermögen, Ihnen im vollsten Maße zu teil
werden, im allervollsten, das wünsche ich Ihnen; möge die ganze Welt Ihnen
offen stehen, ausgenommen eine einzige kleine Thür, wie viel Sie auch klopfen,
wie oft Sie sich auch bemühen mögen, sonst alles, alles so voll und so weit,
wie Sie es nur wünschen können!

Er sagte das langsam, fast traurig, nicht im geringsten bitter, aber mit
einem eigenartig zitternden Klang in der Stimme, mit einem Klang, den sie
nicht kannte und der Eindruck auf sie machte. Sie war ein wenig bleich ge¬
worden und stand steif auf den Stuhl gestützt da.

Ricks, sagte sie, Ricks, prophezeie mir nicht Böses, bedenke, daß du
nicht hier warst, Ricks, und meine Liebe — ich wußte ja selber nicht, wie
wirklich sie war, es war mir immer, als beschäftige sie mich im Grunde nur;
sie klang durch mein Leben wie ein feines, geistvolles Gedicht, sie umschlang
mich niemals mit starken Armen, sie hatte Schwingen — nnr Schwingen. Das
glaubte ich, ich wußte es ja nicht besser bis zu diesem Augenblicke, oder bis
damals, wo ich den Schritt gethan, als ich „ja" gesagt. Es kam auch so
eigentümlich, es war so vielerlei, was mit hineinspielte; so viele, auf die man
Rücksicht nehmen mußte.

Mit meinem Bruder Hardenskjold fing die Sache an, du weißt ja, der¬
selbe, der damals nach Westindien ging. Er war hier ein wenig wild gewesen,
aber da drüben wurde er dann vernünftig; er verband sich mit jemand, verdiente
viel Geld und heiratete eine reiche Witwe, eine entzückende kleine Person, ver¬
sichere ich dir, und dann kam er nach Hause, und dann war zwischen ihm und
dem Vater alles wieder gut, denn Hatte war völlig verändert, o er ist so
achtungsbedürftig geworden, so besorgt, daß die Leute etwas sagen könnten,
gräßlich beschränkt, sage ich dir! Natürlich meinte er, es wäre das einzig
Richtige, daß ich wieder mit meiner Familie auf guten Fuß käme, und er
predigte und bat und quälte mich jedesmal, wenn er zu mir kam, und der
Vater ist ja auch schon ein alter Mann, und da gab ich denn endlich nach,
und nun ist wieder alles wie in alten Tagen. (Fortsetzung folgt.)




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[0605] Ricks Lyhne. Sie, daß ich Sie zu schnell vergäße? Seien Sie ruhig, Sie löscht man nicht aus, aus dem Leben! Aber nehmen Sie sich in Acht! Einer Liebe wie der meinen begegnet eine Frau nicht zweimal in ihrem Leben; nehmen Sie sich in Acht, damit es Ihnen nicht Unglück bringt, daß Sie mich von sich gewiesen. Ich wünsche Ihnen nichts Böses, nein, nein, möge Ihnen alle Not und aller Kummer fern bleiben, möge all das Glück, welches Reichtum, Bewunderung und gesellige Erfolge zu bieten vermögen, Ihnen im vollsten Maße zu teil werden, im allervollsten, das wünsche ich Ihnen; möge die ganze Welt Ihnen offen stehen, ausgenommen eine einzige kleine Thür, wie viel Sie auch klopfen, wie oft Sie sich auch bemühen mögen, sonst alles, alles so voll und so weit, wie Sie es nur wünschen können! Er sagte das langsam, fast traurig, nicht im geringsten bitter, aber mit einem eigenartig zitternden Klang in der Stimme, mit einem Klang, den sie nicht kannte und der Eindruck auf sie machte. Sie war ein wenig bleich ge¬ worden und stand steif auf den Stuhl gestützt da. Ricks, sagte sie, Ricks, prophezeie mir nicht Böses, bedenke, daß du nicht hier warst, Ricks, und meine Liebe — ich wußte ja selber nicht, wie wirklich sie war, es war mir immer, als beschäftige sie mich im Grunde nur; sie klang durch mein Leben wie ein feines, geistvolles Gedicht, sie umschlang mich niemals mit starken Armen, sie hatte Schwingen — nnr Schwingen. Das glaubte ich, ich wußte es ja nicht besser bis zu diesem Augenblicke, oder bis damals, wo ich den Schritt gethan, als ich „ja" gesagt. Es kam auch so eigentümlich, es war so vielerlei, was mit hineinspielte; so viele, auf die man Rücksicht nehmen mußte. Mit meinem Bruder Hardenskjold fing die Sache an, du weißt ja, der¬ selbe, der damals nach Westindien ging. Er war hier ein wenig wild gewesen, aber da drüben wurde er dann vernünftig; er verband sich mit jemand, verdiente viel Geld und heiratete eine reiche Witwe, eine entzückende kleine Person, ver¬ sichere ich dir, und dann kam er nach Hause, und dann war zwischen ihm und dem Vater alles wieder gut, denn Hatte war völlig verändert, o er ist so achtungsbedürftig geworden, so besorgt, daß die Leute etwas sagen könnten, gräßlich beschränkt, sage ich dir! Natürlich meinte er, es wäre das einzig Richtige, daß ich wieder mit meiner Familie auf guten Fuß käme, und er predigte und bat und quälte mich jedesmal, wenn er zu mir kam, und der Vater ist ja auch schon ein alter Mann, und da gab ich denn endlich nach, und nun ist wieder alles wie in alten Tagen. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/605>, abgerufen am 27.07.2024.