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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Studium der alte" Sprachen auf den Gymnasien,

"och eine Beschränkung der häuslichen Arbeiten dazu, so gewinnt man die
Möglichkeit, einerseits endlich etwas für unsre Muttersprache zu thun, die noch
immer das Aschenbrödel auf unsern höheren Schulen ist, und die doch bei dem
wahrhaft verwüstenden Einflusse, den das jüdische Zeitungsdeutsch jetzt übt, so
bald als nur irgend möglich einer planmäßigen Pflege bedarf; anderseits aber
der unverantwortlichen Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung der Jugend
ein Ziel zu scheu. Nicht, wie bisher, zwei Stunden wöchentlich, sondern
zwölf bis fünfzehn würden dann verwendet werden können, die jungen Leute
durch Turnen, Schulspiele, Exerzieren, Schwimmen und dergleichen gesund,
kräftig, geschickt und mutig zu machen, sie auf Ausflügen uuter der Aufsicht
der Lehrer im Marschiren und Ertragen von Strapazen zu üben, ihnen Freude
an der freien Natur beizubringen, sie in Botanik, Geologie, Bodenkunde ein¬
zuführen, ja auch zu eiuer malerisch-poetischen Auffassung der Natur anzuleiten
und sie zu lehren, diese Genüsse den oft verderblichen Zerstreuungen der Städte
vorzuziehen. Welch unendlicher Segen daraus für die Jugend selbst hervor¬
gehen würde, welche Vorteile für den Staat in sozialer, in militärischer, ja
sogar in wirtschaftlicher und in finanzieller Hinsicht -- das auseinanderzu¬
setzen behalte ich mir für ein andermal vor.

Zum Schluß fasse ich den wesentlichen Inhalt meiner Darlegung in fol¬
gende kurze Sätze zusammen: 1. Die lateinische Sprache ist ein unentbehrliches
und durch nichts andres zu ersetzendes Mittel zur Schulung des kindlichen
Geistes. Sie muß auch fernerhin einen Hauptunterrichtsgegenstand auf unsern
Gymnasien bilden. 2. Der Unterricht in der lateinischen Sprache ist in der
untersten Gymnasialklasse zu beginnen und die ganze Gymnasialzeit hindurch
fortzusetzen. 3. Dieser Unterricht muß so lange ein wesentlich philologischer sein,
als es sich um die Erlernung der Sprache handelt. Kommt die Litteratur in
Betracht, so muß die geschichtliche und ästhetische Behandlung in den Vorder¬
grund treten. 4. Als Grenze des lateinischen Unterrichts ist flottes Lesen des
Livius und gutes Verständnis des Horaz zu bezeichnen. Alles darüber hinaus¬
gehende, namentlich das Lateiuischschrciben und -Sprechen, ist abzuschaffen. 5. Das
Griechische ist auf den Gymnasien für jetzt beizubehalten, jedoch erst in Unter¬
prima zu beginnen und nur bis zum Lesen des Homer auszudehnen. 6. Diese
Vorbildung in den alten Sprachen genügt für den künftigen Mediziner, Juristen
und Theologen. 7. Infolge dieser Beschränkung des Unterrichts in den alten
Sprachen werden die Lehrstunden der Gymnasien von 31 bis 32 wöchentlich auf
24 vermindert, auch die häuslichen Arbeiten bedeutend beschränkt werden können.
8. Die hierdurch gewonnene Zeit ist vor allem auf den Unterricht im Deutschen
und auf körperliche Übungen jeder Art zu verwenden. 9. Es ist die Haupt¬
aufgabe des Gymnasiallehrers, der in den alten Sprachen zu unterrichten hat,
den Schülern eine möglichst genaue Kenntnis des Altertums, seiner Einrich¬
tungen und Leistungen ans allen Gebieten beizubringen und ein möglichst leb-


Das Studium der alte» Sprachen auf den Gymnasien,

„och eine Beschränkung der häuslichen Arbeiten dazu, so gewinnt man die
Möglichkeit, einerseits endlich etwas für unsre Muttersprache zu thun, die noch
immer das Aschenbrödel auf unsern höheren Schulen ist, und die doch bei dem
wahrhaft verwüstenden Einflusse, den das jüdische Zeitungsdeutsch jetzt übt, so
bald als nur irgend möglich einer planmäßigen Pflege bedarf; anderseits aber
der unverantwortlichen Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung der Jugend
ein Ziel zu scheu. Nicht, wie bisher, zwei Stunden wöchentlich, sondern
zwölf bis fünfzehn würden dann verwendet werden können, die jungen Leute
durch Turnen, Schulspiele, Exerzieren, Schwimmen und dergleichen gesund,
kräftig, geschickt und mutig zu machen, sie auf Ausflügen uuter der Aufsicht
der Lehrer im Marschiren und Ertragen von Strapazen zu üben, ihnen Freude
an der freien Natur beizubringen, sie in Botanik, Geologie, Bodenkunde ein¬
zuführen, ja auch zu eiuer malerisch-poetischen Auffassung der Natur anzuleiten
und sie zu lehren, diese Genüsse den oft verderblichen Zerstreuungen der Städte
vorzuziehen. Welch unendlicher Segen daraus für die Jugend selbst hervor¬
gehen würde, welche Vorteile für den Staat in sozialer, in militärischer, ja
sogar in wirtschaftlicher und in finanzieller Hinsicht — das auseinanderzu¬
setzen behalte ich mir für ein andermal vor.

Zum Schluß fasse ich den wesentlichen Inhalt meiner Darlegung in fol¬
gende kurze Sätze zusammen: 1. Die lateinische Sprache ist ein unentbehrliches
und durch nichts andres zu ersetzendes Mittel zur Schulung des kindlichen
Geistes. Sie muß auch fernerhin einen Hauptunterrichtsgegenstand auf unsern
Gymnasien bilden. 2. Der Unterricht in der lateinischen Sprache ist in der
untersten Gymnasialklasse zu beginnen und die ganze Gymnasialzeit hindurch
fortzusetzen. 3. Dieser Unterricht muß so lange ein wesentlich philologischer sein,
als es sich um die Erlernung der Sprache handelt. Kommt die Litteratur in
Betracht, so muß die geschichtliche und ästhetische Behandlung in den Vorder¬
grund treten. 4. Als Grenze des lateinischen Unterrichts ist flottes Lesen des
Livius und gutes Verständnis des Horaz zu bezeichnen. Alles darüber hinaus¬
gehende, namentlich das Lateiuischschrciben und -Sprechen, ist abzuschaffen. 5. Das
Griechische ist auf den Gymnasien für jetzt beizubehalten, jedoch erst in Unter¬
prima zu beginnen und nur bis zum Lesen des Homer auszudehnen. 6. Diese
Vorbildung in den alten Sprachen genügt für den künftigen Mediziner, Juristen
und Theologen. 7. Infolge dieser Beschränkung des Unterrichts in den alten
Sprachen werden die Lehrstunden der Gymnasien von 31 bis 32 wöchentlich auf
24 vermindert, auch die häuslichen Arbeiten bedeutend beschränkt werden können.
8. Die hierdurch gewonnene Zeit ist vor allem auf den Unterricht im Deutschen
und auf körperliche Übungen jeder Art zu verwenden. 9. Es ist die Haupt¬
aufgabe des Gymnasiallehrers, der in den alten Sprachen zu unterrichten hat,
den Schülern eine möglichst genaue Kenntnis des Altertums, seiner Einrich¬
tungen und Leistungen ans allen Gebieten beizubringen und ein möglichst leb-


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[0583] Das Studium der alte» Sprachen auf den Gymnasien, „och eine Beschränkung der häuslichen Arbeiten dazu, so gewinnt man die Möglichkeit, einerseits endlich etwas für unsre Muttersprache zu thun, die noch immer das Aschenbrödel auf unsern höheren Schulen ist, und die doch bei dem wahrhaft verwüstenden Einflusse, den das jüdische Zeitungsdeutsch jetzt übt, so bald als nur irgend möglich einer planmäßigen Pflege bedarf; anderseits aber der unverantwortlichen Vernachlässigung der körperlichen Ausbildung der Jugend ein Ziel zu scheu. Nicht, wie bisher, zwei Stunden wöchentlich, sondern zwölf bis fünfzehn würden dann verwendet werden können, die jungen Leute durch Turnen, Schulspiele, Exerzieren, Schwimmen und dergleichen gesund, kräftig, geschickt und mutig zu machen, sie auf Ausflügen uuter der Aufsicht der Lehrer im Marschiren und Ertragen von Strapazen zu üben, ihnen Freude an der freien Natur beizubringen, sie in Botanik, Geologie, Bodenkunde ein¬ zuführen, ja auch zu eiuer malerisch-poetischen Auffassung der Natur anzuleiten und sie zu lehren, diese Genüsse den oft verderblichen Zerstreuungen der Städte vorzuziehen. Welch unendlicher Segen daraus für die Jugend selbst hervor¬ gehen würde, welche Vorteile für den Staat in sozialer, in militärischer, ja sogar in wirtschaftlicher und in finanzieller Hinsicht — das auseinanderzu¬ setzen behalte ich mir für ein andermal vor. Zum Schluß fasse ich den wesentlichen Inhalt meiner Darlegung in fol¬ gende kurze Sätze zusammen: 1. Die lateinische Sprache ist ein unentbehrliches und durch nichts andres zu ersetzendes Mittel zur Schulung des kindlichen Geistes. Sie muß auch fernerhin einen Hauptunterrichtsgegenstand auf unsern Gymnasien bilden. 2. Der Unterricht in der lateinischen Sprache ist in der untersten Gymnasialklasse zu beginnen und die ganze Gymnasialzeit hindurch fortzusetzen. 3. Dieser Unterricht muß so lange ein wesentlich philologischer sein, als es sich um die Erlernung der Sprache handelt. Kommt die Litteratur in Betracht, so muß die geschichtliche und ästhetische Behandlung in den Vorder¬ grund treten. 4. Als Grenze des lateinischen Unterrichts ist flottes Lesen des Livius und gutes Verständnis des Horaz zu bezeichnen. Alles darüber hinaus¬ gehende, namentlich das Lateiuischschrciben und -Sprechen, ist abzuschaffen. 5. Das Griechische ist auf den Gymnasien für jetzt beizubehalten, jedoch erst in Unter¬ prima zu beginnen und nur bis zum Lesen des Homer auszudehnen. 6. Diese Vorbildung in den alten Sprachen genügt für den künftigen Mediziner, Juristen und Theologen. 7. Infolge dieser Beschränkung des Unterrichts in den alten Sprachen werden die Lehrstunden der Gymnasien von 31 bis 32 wöchentlich auf 24 vermindert, auch die häuslichen Arbeiten bedeutend beschränkt werden können. 8. Die hierdurch gewonnene Zeit ist vor allem auf den Unterricht im Deutschen und auf körperliche Übungen jeder Art zu verwenden. 9. Es ist die Haupt¬ aufgabe des Gymnasiallehrers, der in den alten Sprachen zu unterrichten hat, den Schülern eine möglichst genaue Kenntnis des Altertums, seiner Einrich¬ tungen und Leistungen ans allen Gebieten beizubringen und ein möglichst leb-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/583>, abgerufen am 27.07.2024.