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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanische und deutsche Gewerbeschiedsgerichte und Linigungsämter.

Wicklung zu Gunsten des sozialen Friedens versprechen und deshalb eine Nutz¬
anwendung auf die einheimischen Verhältnisse besonders wünschenswert machen.
Hierher gehört vor allem die Einrichtung staatlicher Arbeitsämter -- durvaris ok
lador 8i-z.ti8dio8 --, die zuerst ganz vereinzelt und versuchsweise eingeführt wurde",
in den letzten Jahren aber eine überraschend schnelle Ausbreitung gefunden haben.

Das erste dieser Ämter wurde in dem hervorragendsten Industriestaat?
Amerikas, in Massachusetts, auf Grund eines besondern Gesetzes im Jahre 1869
eingesetzt, und nach diesem Muster sind dann alle späteren -- im ganzen bis
jetzt in 22 Staaten -- eingerichtet worden. In der Regel besteht ein solches
Amt aus einem durch den Gouverneur unter Zustimmung des Senats ernannten
Direktor (oornmissionm') mit den nötigen Hilfsbeamten (olsrlcs) und hat die
Aufgabe, das statistische Material "über die Beziehungen zwischen Arbeit und
Kapital, über Arbeitszeiten und Arbeitslöhne, und zur Förderung der mate¬
riellen, sozialen, geistigen und sittlichen Wohlfahrt der Lohnarbeiter" zu sammeln,
insbesondre auch die von der Legislatur auf diesem Gebiete angeordneten Er¬
hebungen zu erledigen. Das Amt hat deshalb die Befugnis, jedes industrielle Eta¬
blissement zu betreten, Dokumente und Papiere einzusehen, Zeugen und Sachver¬
ständige eidlich zu vernehmen, statistische Fragebogen zur Beantwortung an die
beteiligten Kreise zu versenden oder unmittelbare Erhebungen durch die eignen Be¬
amten anzustellen (oirou1g.r xlcm und xsrsonal insxöotiou Mu) und erforderlichen
Falls alles dies durch entsprechende Geld- oder Freiheitsstrafen zu erzwingen.
Über die Ergebnisse dieser Thätigkeit ist alljährlich ein Bericht an den Gou¬
verneur zu erstatten, der ihn seinerseits der Legislatur und der Öffentlichkeit
übergiebt. Die Kosten für die einzelnen Ämter schwanken zwischen 3000 und
10 000 Dollars jährlich.

Mit dieser Einrichtung hat man augenscheinlich nicht bloß Klarheit über
den industriellen Entwicklungsgang, sondern vornehmlich eine geeignete Grund¬
lage für eine zweckmäßige Arbeiterschutzgesetzgebung erlangen wollen, deren Not¬
wendigkeit bei den zunehmenden Reibungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern
und den dadurch bewirkten Rückschlägen sich immer fühlbarer machte. Einen
Beweis hierfür kann man daraus entnehmen, daß die steigende Ausbreitung
und Wirksamkeit der Arbeitsämter der industriellen Entwicklung der einzelnen
Staaten fast gleichen Schritt hält. Während noch im Jahre 1882 von den
38 Unionsstaaten nur 6 Staaten solche Ämter hatten, stieg deren Zahl 1885
bereits ans 16 und 1887 auf 22. Außerdem halten die Direktoren der
Ämter seit 1883 alljährlich Zusammenkünfte ab, um sich über die leitenden
Gesichtspunkte mit einander zu verständigen, und seit 1885 hat diese freiwillige
Organisation durch die Einsetzung eines Bundesamtes -- national duroau ok
labor -- einen festen Mittelpunkt erhalten, dessen Thätigkeit in allen gemein¬
samen Angelegenheiten schon jetzt maßgebend ist, wenn sie auch bisher noch
nicht die gesetzliche Billigung erhalten hat. Dieses Bundesamt bildet eine


Amerikanische und deutsche Gewerbeschiedsgerichte und Linigungsämter.

Wicklung zu Gunsten des sozialen Friedens versprechen und deshalb eine Nutz¬
anwendung auf die einheimischen Verhältnisse besonders wünschenswert machen.
Hierher gehört vor allem die Einrichtung staatlicher Arbeitsämter — durvaris ok
lador 8i-z.ti8dio8 —, die zuerst ganz vereinzelt und versuchsweise eingeführt wurde»,
in den letzten Jahren aber eine überraschend schnelle Ausbreitung gefunden haben.

Das erste dieser Ämter wurde in dem hervorragendsten Industriestaat?
Amerikas, in Massachusetts, auf Grund eines besondern Gesetzes im Jahre 1869
eingesetzt, und nach diesem Muster sind dann alle späteren — im ganzen bis
jetzt in 22 Staaten — eingerichtet worden. In der Regel besteht ein solches
Amt aus einem durch den Gouverneur unter Zustimmung des Senats ernannten
Direktor (oornmissionm') mit den nötigen Hilfsbeamten (olsrlcs) und hat die
Aufgabe, das statistische Material „über die Beziehungen zwischen Arbeit und
Kapital, über Arbeitszeiten und Arbeitslöhne, und zur Förderung der mate¬
riellen, sozialen, geistigen und sittlichen Wohlfahrt der Lohnarbeiter" zu sammeln,
insbesondre auch die von der Legislatur auf diesem Gebiete angeordneten Er¬
hebungen zu erledigen. Das Amt hat deshalb die Befugnis, jedes industrielle Eta¬
blissement zu betreten, Dokumente und Papiere einzusehen, Zeugen und Sachver¬
ständige eidlich zu vernehmen, statistische Fragebogen zur Beantwortung an die
beteiligten Kreise zu versenden oder unmittelbare Erhebungen durch die eignen Be¬
amten anzustellen (oirou1g.r xlcm und xsrsonal insxöotiou Mu) und erforderlichen
Falls alles dies durch entsprechende Geld- oder Freiheitsstrafen zu erzwingen.
Über die Ergebnisse dieser Thätigkeit ist alljährlich ein Bericht an den Gou¬
verneur zu erstatten, der ihn seinerseits der Legislatur und der Öffentlichkeit
übergiebt. Die Kosten für die einzelnen Ämter schwanken zwischen 3000 und
10 000 Dollars jährlich.

Mit dieser Einrichtung hat man augenscheinlich nicht bloß Klarheit über
den industriellen Entwicklungsgang, sondern vornehmlich eine geeignete Grund¬
lage für eine zweckmäßige Arbeiterschutzgesetzgebung erlangen wollen, deren Not¬
wendigkeit bei den zunehmenden Reibungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern
und den dadurch bewirkten Rückschlägen sich immer fühlbarer machte. Einen
Beweis hierfür kann man daraus entnehmen, daß die steigende Ausbreitung
und Wirksamkeit der Arbeitsämter der industriellen Entwicklung der einzelnen
Staaten fast gleichen Schritt hält. Während noch im Jahre 1882 von den
38 Unionsstaaten nur 6 Staaten solche Ämter hatten, stieg deren Zahl 1885
bereits ans 16 und 1887 auf 22. Außerdem halten die Direktoren der
Ämter seit 1883 alljährlich Zusammenkünfte ab, um sich über die leitenden
Gesichtspunkte mit einander zu verständigen, und seit 1885 hat diese freiwillige
Organisation durch die Einsetzung eines Bundesamtes — national duroau ok
labor — einen festen Mittelpunkt erhalten, dessen Thätigkeit in allen gemein¬
samen Angelegenheiten schon jetzt maßgebend ist, wenn sie auch bisher noch
nicht die gesetzliche Billigung erhalten hat. Dieses Bundesamt bildet eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/567>, abgerufen am 01.09.2024.