Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Oeo juvante.

Eine Stadt von Villen, Gasthöfen und Kaufläden, La Condamine, breitet
sich in der Bodensenkung zwischen den beiden, den Hafen begrenzenden Fels¬
vorsprüngen aus. Durch diesen sichtlich wachsenden Ort oder um denselben
herum auf einer an den Bergwänden und über kühn geschwungene Brücken
hingeführten Straße gelangen wir nach Monte Carlo. Hier sind wir im Feen¬
märchen. Der noch vor dreißig Jahren kahle Fels prangt mit den üppigsten
Pflanzenformen aller Weltteile, und aus dem mannichfaltigsten Grün und der
Blütenpracht blinken die Paläste, die Terrassen, die Marmorstiegen, als wären
sie soeben durch einen Zauberstab aus dem Nichts heraufbeschworen worden.
Nirgends sonst wird man in gleicher Weise die Redensart verkörpert finden:
das Geld spielt keine Rolle. Welche Summen die Herstellung und die Er¬
haltung dieser Bauten und dieser Gartenanlagen erfordern müssen, läßt sich
nur ahnen. Unterirdische Heizvorrichtungen mußten benutzt werden, um die
Bäume der tropischen Zone bis zu einem Grade der Entwicklung zu bringen,
daß sie in dieser geschützten und sonnigen Lage im Freien fortkommen; dafür
steht hier aber auch der Ficus, der es bei uns in Deutschland nur selten über
einen mannshohen Schößling hinausbringt, als mächtiger Baum mit prachtvoll
abgerundeter Krone, und versammelt sich hier alles, was unsre Treibhäuser als
Seltenheit züchten. Und beinahe mochte man glauben, daß jedes Blatt täglich
abgestäubt und gewaschen würde, und daß die Baulichkeiten nur zur Schau,
nicht zur Benutzung vorhanden seien: so frisch und blank sieht alles aus. Und
so stolz und heiter erhebt sich der Barockpalast in die blaue Luft, so entzückend
sind die Blicke über die grünen Gänge, über das im Sonnenlicht funkelnde
Meer, nach Roccabruna und Capo Martino hinüber, daß man nur einen kleinen
Umstand zu vergessen braucht, um sagen zu können: hier ist ein Paradies.

Der eine kleine Umstand! Natürlich sagt man: die höchst achtbare Aktien¬
gesellschaft, welche die Schöpfung des berühmten Hauses Blaue übernommen
hat, zwingt ja keinen Besucher zum Spielen. Im Gegenteil, sie hält förmlich
davon ab durch die unbedingte Öffnung der Gärten, der Musik- und Lesesäle
für Fremde. Verdicken kam" sie das Betreten der Spielsäle Wohl den Landes¬
kindern, aber nicht den Franzosen. Engländern, Amerikanern, Deutschen n. s. w.
Wenn sie immer neue Tische aufstellt, so folgt sie lediglich dem Wunsche der
vielen, die vor Begierde brennen, ihre Napoleons loszuwerden und keinen Platz
mehr finden. Die Gesellschaft hat noch niemals einem geraten, anvertrautes
Geld auf Not oder Schwarz zu setzen, noch auch sich zu erschießen, wenn er
es verspielt hat. So sagt man -- mit vollem Recht. Und der größte Trumpf
kommt erst! Wäre diese ganze Märchenwelt Wirklichkeit geworden ohne die
Bank? Verschafft diese nicht einer großen Menge von Menschen Brot und läßt
sie nicht immer neue Werke aufführen, nur um Arbeitslosen Verdienst zuzu¬
weisen? Ja es soll sogar mehr als einmal sich ereignet haben, daß ein Spieler
baaren Gewinnst mit wegnahm, um ihn erst im folgenden Jahre, natürlich mit


Oeo juvante.

Eine Stadt von Villen, Gasthöfen und Kaufläden, La Condamine, breitet
sich in der Bodensenkung zwischen den beiden, den Hafen begrenzenden Fels¬
vorsprüngen aus. Durch diesen sichtlich wachsenden Ort oder um denselben
herum auf einer an den Bergwänden und über kühn geschwungene Brücken
hingeführten Straße gelangen wir nach Monte Carlo. Hier sind wir im Feen¬
märchen. Der noch vor dreißig Jahren kahle Fels prangt mit den üppigsten
Pflanzenformen aller Weltteile, und aus dem mannichfaltigsten Grün und der
Blütenpracht blinken die Paläste, die Terrassen, die Marmorstiegen, als wären
sie soeben durch einen Zauberstab aus dem Nichts heraufbeschworen worden.
Nirgends sonst wird man in gleicher Weise die Redensart verkörpert finden:
das Geld spielt keine Rolle. Welche Summen die Herstellung und die Er¬
haltung dieser Bauten und dieser Gartenanlagen erfordern müssen, läßt sich
nur ahnen. Unterirdische Heizvorrichtungen mußten benutzt werden, um die
Bäume der tropischen Zone bis zu einem Grade der Entwicklung zu bringen,
daß sie in dieser geschützten und sonnigen Lage im Freien fortkommen; dafür
steht hier aber auch der Ficus, der es bei uns in Deutschland nur selten über
einen mannshohen Schößling hinausbringt, als mächtiger Baum mit prachtvoll
abgerundeter Krone, und versammelt sich hier alles, was unsre Treibhäuser als
Seltenheit züchten. Und beinahe mochte man glauben, daß jedes Blatt täglich
abgestäubt und gewaschen würde, und daß die Baulichkeiten nur zur Schau,
nicht zur Benutzung vorhanden seien: so frisch und blank sieht alles aus. Und
so stolz und heiter erhebt sich der Barockpalast in die blaue Luft, so entzückend
sind die Blicke über die grünen Gänge, über das im Sonnenlicht funkelnde
Meer, nach Roccabruna und Capo Martino hinüber, daß man nur einen kleinen
Umstand zu vergessen braucht, um sagen zu können: hier ist ein Paradies.

Der eine kleine Umstand! Natürlich sagt man: die höchst achtbare Aktien¬
gesellschaft, welche die Schöpfung des berühmten Hauses Blaue übernommen
hat, zwingt ja keinen Besucher zum Spielen. Im Gegenteil, sie hält förmlich
davon ab durch die unbedingte Öffnung der Gärten, der Musik- und Lesesäle
für Fremde. Verdicken kam» sie das Betreten der Spielsäle Wohl den Landes¬
kindern, aber nicht den Franzosen. Engländern, Amerikanern, Deutschen n. s. w.
Wenn sie immer neue Tische aufstellt, so folgt sie lediglich dem Wunsche der
vielen, die vor Begierde brennen, ihre Napoleons loszuwerden und keinen Platz
mehr finden. Die Gesellschaft hat noch niemals einem geraten, anvertrautes
Geld auf Not oder Schwarz zu setzen, noch auch sich zu erschießen, wenn er
es verspielt hat. So sagt man — mit vollem Recht. Und der größte Trumpf
kommt erst! Wäre diese ganze Märchenwelt Wirklichkeit geworden ohne die
Bank? Verschafft diese nicht einer großen Menge von Menschen Brot und läßt
sie nicht immer neue Werke aufführen, nur um Arbeitslosen Verdienst zuzu¬
weisen? Ja es soll sogar mehr als einmal sich ereignet haben, daß ein Spieler
baaren Gewinnst mit wegnahm, um ihn erst im folgenden Jahre, natürlich mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202825"/>
          <fw type="header" place="top"> Oeo juvante.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_120"> Eine Stadt von Villen, Gasthöfen und Kaufläden, La Condamine, breitet<lb/>
sich in der Bodensenkung zwischen den beiden, den Hafen begrenzenden Fels¬<lb/>
vorsprüngen aus. Durch diesen sichtlich wachsenden Ort oder um denselben<lb/>
herum auf einer an den Bergwänden und über kühn geschwungene Brücken<lb/>
hingeführten Straße gelangen wir nach Monte Carlo. Hier sind wir im Feen¬<lb/>
märchen. Der noch vor dreißig Jahren kahle Fels prangt mit den üppigsten<lb/>
Pflanzenformen aller Weltteile, und aus dem mannichfaltigsten Grün und der<lb/>
Blütenpracht blinken die Paläste, die Terrassen, die Marmorstiegen, als wären<lb/>
sie soeben durch einen Zauberstab aus dem Nichts heraufbeschworen worden.<lb/>
Nirgends sonst wird man in gleicher Weise die Redensart verkörpert finden:<lb/>
das Geld spielt keine Rolle. Welche Summen die Herstellung und die Er¬<lb/>
haltung dieser Bauten und dieser Gartenanlagen erfordern müssen, läßt sich<lb/>
nur ahnen. Unterirdische Heizvorrichtungen mußten benutzt werden, um die<lb/>
Bäume der tropischen Zone bis zu einem Grade der Entwicklung zu bringen,<lb/>
daß sie in dieser geschützten und sonnigen Lage im Freien fortkommen; dafür<lb/>
steht hier aber auch der Ficus, der es bei uns in Deutschland nur selten über<lb/>
einen mannshohen Schößling hinausbringt, als mächtiger Baum mit prachtvoll<lb/>
abgerundeter Krone, und versammelt sich hier alles, was unsre Treibhäuser als<lb/>
Seltenheit züchten. Und beinahe mochte man glauben, daß jedes Blatt täglich<lb/>
abgestäubt und gewaschen würde, und daß die Baulichkeiten nur zur Schau,<lb/>
nicht zur Benutzung vorhanden seien: so frisch und blank sieht alles aus. Und<lb/>
so stolz und heiter erhebt sich der Barockpalast in die blaue Luft, so entzückend<lb/>
sind die Blicke über die grünen Gänge, über das im Sonnenlicht funkelnde<lb/>
Meer, nach Roccabruna und Capo Martino hinüber, daß man nur einen kleinen<lb/>
Umstand zu vergessen braucht, um sagen zu können: hier ist ein Paradies.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_121" next="#ID_122"> Der eine kleine Umstand! Natürlich sagt man: die höchst achtbare Aktien¬<lb/>
gesellschaft, welche die Schöpfung des berühmten Hauses Blaue übernommen<lb/>
hat, zwingt ja keinen Besucher zum Spielen. Im Gegenteil, sie hält förmlich<lb/>
davon ab durch die unbedingte Öffnung der Gärten, der Musik- und Lesesäle<lb/>
für Fremde. Verdicken kam» sie das Betreten der Spielsäle Wohl den Landes¬<lb/>
kindern, aber nicht den Franzosen. Engländern, Amerikanern, Deutschen n. s. w.<lb/>
Wenn sie immer neue Tische aufstellt, so folgt sie lediglich dem Wunsche der<lb/>
vielen, die vor Begierde brennen, ihre Napoleons loszuwerden und keinen Platz<lb/>
mehr finden. Die Gesellschaft hat noch niemals einem geraten, anvertrautes<lb/>
Geld auf Not oder Schwarz zu setzen, noch auch sich zu erschießen, wenn er<lb/>
es verspielt hat. So sagt man &#x2014; mit vollem Recht. Und der größte Trumpf<lb/>
kommt erst! Wäre diese ganze Märchenwelt Wirklichkeit geworden ohne die<lb/>
Bank? Verschafft diese nicht einer großen Menge von Menschen Brot und läßt<lb/>
sie nicht immer neue Werke aufführen, nur um Arbeitslosen Verdienst zuzu¬<lb/>
weisen? Ja es soll sogar mehr als einmal sich ereignet haben, daß ein Spieler<lb/>
baaren Gewinnst mit wegnahm, um ihn erst im folgenden Jahre, natürlich mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] Oeo juvante. Eine Stadt von Villen, Gasthöfen und Kaufläden, La Condamine, breitet sich in der Bodensenkung zwischen den beiden, den Hafen begrenzenden Fels¬ vorsprüngen aus. Durch diesen sichtlich wachsenden Ort oder um denselben herum auf einer an den Bergwänden und über kühn geschwungene Brücken hingeführten Straße gelangen wir nach Monte Carlo. Hier sind wir im Feen¬ märchen. Der noch vor dreißig Jahren kahle Fels prangt mit den üppigsten Pflanzenformen aller Weltteile, und aus dem mannichfaltigsten Grün und der Blütenpracht blinken die Paläste, die Terrassen, die Marmorstiegen, als wären sie soeben durch einen Zauberstab aus dem Nichts heraufbeschworen worden. Nirgends sonst wird man in gleicher Weise die Redensart verkörpert finden: das Geld spielt keine Rolle. Welche Summen die Herstellung und die Er¬ haltung dieser Bauten und dieser Gartenanlagen erfordern müssen, läßt sich nur ahnen. Unterirdische Heizvorrichtungen mußten benutzt werden, um die Bäume der tropischen Zone bis zu einem Grade der Entwicklung zu bringen, daß sie in dieser geschützten und sonnigen Lage im Freien fortkommen; dafür steht hier aber auch der Ficus, der es bei uns in Deutschland nur selten über einen mannshohen Schößling hinausbringt, als mächtiger Baum mit prachtvoll abgerundeter Krone, und versammelt sich hier alles, was unsre Treibhäuser als Seltenheit züchten. Und beinahe mochte man glauben, daß jedes Blatt täglich abgestäubt und gewaschen würde, und daß die Baulichkeiten nur zur Schau, nicht zur Benutzung vorhanden seien: so frisch und blank sieht alles aus. Und so stolz und heiter erhebt sich der Barockpalast in die blaue Luft, so entzückend sind die Blicke über die grünen Gänge, über das im Sonnenlicht funkelnde Meer, nach Roccabruna und Capo Martino hinüber, daß man nur einen kleinen Umstand zu vergessen braucht, um sagen zu können: hier ist ein Paradies. Der eine kleine Umstand! Natürlich sagt man: die höchst achtbare Aktien¬ gesellschaft, welche die Schöpfung des berühmten Hauses Blaue übernommen hat, zwingt ja keinen Besucher zum Spielen. Im Gegenteil, sie hält förmlich davon ab durch die unbedingte Öffnung der Gärten, der Musik- und Lesesäle für Fremde. Verdicken kam» sie das Betreten der Spielsäle Wohl den Landes¬ kindern, aber nicht den Franzosen. Engländern, Amerikanern, Deutschen n. s. w. Wenn sie immer neue Tische aufstellt, so folgt sie lediglich dem Wunsche der vielen, die vor Begierde brennen, ihre Napoleons loszuwerden und keinen Platz mehr finden. Die Gesellschaft hat noch niemals einem geraten, anvertrautes Geld auf Not oder Schwarz zu setzen, noch auch sich zu erschießen, wenn er es verspielt hat. So sagt man — mit vollem Recht. Und der größte Trumpf kommt erst! Wäre diese ganze Märchenwelt Wirklichkeit geworden ohne die Bank? Verschafft diese nicht einer großen Menge von Menschen Brot und läßt sie nicht immer neue Werke aufführen, nur um Arbeitslosen Verdienst zuzu¬ weisen? Ja es soll sogar mehr als einmal sich ereignet haben, daß ein Spieler baaren Gewinnst mit wegnahm, um ihn erst im folgenden Jahre, natürlich mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/48>, abgerufen am 28.07.2024.