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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanisches Eisenbahnwesen.

kleineren Abteilungen giebt, vielmehr Herren und Damen sich in demselben
Raume zur Ruhe begeben müssen, so pflegen die letzteren es vorzuziehen, sich
ganz angekleidet niederzulegen, während die Herren sich wenigstens hinter den
Vorhängen ihres Bettes der Oberkleider zu entledigen suchen, was bei der geringen
Höhe der Betten freilich seine Schwierigkeiten hat. Auch kommt es nicht selten
vor, daß man im Oberbett des Wagens sein Lager mit einer Rußschicht um¬
säumt findet, da die Luftfenster des Oberdaches trotz der eingesetzten Drahtsiebe
den Rauch der Lokomotive doch nicht ganz abhalten. Am meisten geschätzt sind
die Mittelplätze, weil diese am wenigsten stoßen; wer jedoch etwas zur See¬
krankheit neigt, der sollte besonders im Westen auf die Schlafwagen verzichten,
da sie dort derart schleudern und febern, daß die Wirkungen ganz überraschend
sind, namentlich wenn sich der Magen mit der amerikanischen Küche nicht recht
befreunden will. Die Salonwagen werden auch kurzweg?uI1rng.um oars genannt,
weil sie sämtlich von der berühmten Pullmannschen Kompagnie gebaut werden,
ihr gehören und den Eisenbahngesellschaften nur vermietet werden. Die Fabrik¬
stadt, nach ihrem Begründer und dem Erfinder der Schlafwagen "Püttmann"
genannt, bietet ein interessantes, praktisches Beispiel zu dem seiner Zeit vom
Geheimen RegientNgsrät Gamp gemachten Vorschlage, die Großindustrien ans
das Platte Land zu verlegen. Denn die bis dahin in verschiednen Großstädten
zerstreuten Etablissements wurden im Jahre 1880 auf einem eine halbe Stunde
südlich von Chicago (im Hhdepark und arn Lake CalUmct) gelegenen Terrain
vereinigt, und zugleich für sämtliche Angestellte der Kompagnie und deren Fa¬
milien die Mit allen technischen Verbesserungen der Neuzeit ausgestatteten
Wohnungen hergestellt, d. h. es wurde eine ganze Stadt gebäUt, die heute schon
1500 Ziegelhäuser mit 10 000 Einwohnern zählt, Kirche, Schule, Hotel und
Theater, Park, Gas- und Wasserleitung, Kanalisation u. s. w. auszuweisen hat
und mit ihren schönen Alleestraßen und freundlich-säubern Häusern zu den
Fabrikvierteln der Großstädte einen überaus wohlthuenden Gegensatz bildet.

Die Verpflegung auf der Eisenbahn schließt sich der allgemeinen amerika¬
nischen Sitte ein, nur drei kräftige Mahlzeiten des Tages einzunehmen, und
erfolgt nach zwei verschiednen Arten, d. h. entweder im Zuge selbst oder auf
besondern Eßstationen. Die erstere Einrichtung ist namentlich bei den zwischen
Newyork und San Franzisko durchgehenden Zügen und auf ähnlichen weiten
Strecken üblich und dort auch notwendig, weil man dabei Tage lang durch öde
Gegenden fährt, wo das Auge, soweit es reicht, nichts als "Gegend" sieht, die
stellenweise, z. B. im Mormvnenstaäte Utah, selbst von den Amerikanern als
"Wüste" bezeichnet wird. Zur Verpflegung der Reisenden der ersten Klasse
-- die übrigen müssen sich selbst versorgen -- dienen die ämiiiZ c^rs, d. h.
Nestäurativnswagen, welche alles dazu erforderliche, nämlich Speisekammer, Küche
und Eßsacil enthalten und nach Art der übrigen Salonwagen eingerichtet sind.
Die drei üblichen Mahlzeiten sind: droalMst zwischen 7 und 9 Uhr morgens,


Amerikanisches Eisenbahnwesen.

kleineren Abteilungen giebt, vielmehr Herren und Damen sich in demselben
Raume zur Ruhe begeben müssen, so pflegen die letzteren es vorzuziehen, sich
ganz angekleidet niederzulegen, während die Herren sich wenigstens hinter den
Vorhängen ihres Bettes der Oberkleider zu entledigen suchen, was bei der geringen
Höhe der Betten freilich seine Schwierigkeiten hat. Auch kommt es nicht selten
vor, daß man im Oberbett des Wagens sein Lager mit einer Rußschicht um¬
säumt findet, da die Luftfenster des Oberdaches trotz der eingesetzten Drahtsiebe
den Rauch der Lokomotive doch nicht ganz abhalten. Am meisten geschätzt sind
die Mittelplätze, weil diese am wenigsten stoßen; wer jedoch etwas zur See¬
krankheit neigt, der sollte besonders im Westen auf die Schlafwagen verzichten,
da sie dort derart schleudern und febern, daß die Wirkungen ganz überraschend
sind, namentlich wenn sich der Magen mit der amerikanischen Küche nicht recht
befreunden will. Die Salonwagen werden auch kurzweg?uI1rng.um oars genannt,
weil sie sämtlich von der berühmten Pullmannschen Kompagnie gebaut werden,
ihr gehören und den Eisenbahngesellschaften nur vermietet werden. Die Fabrik¬
stadt, nach ihrem Begründer und dem Erfinder der Schlafwagen „Püttmann"
genannt, bietet ein interessantes, praktisches Beispiel zu dem seiner Zeit vom
Geheimen RegientNgsrät Gamp gemachten Vorschlage, die Großindustrien ans
das Platte Land zu verlegen. Denn die bis dahin in verschiednen Großstädten
zerstreuten Etablissements wurden im Jahre 1880 auf einem eine halbe Stunde
südlich von Chicago (im Hhdepark und arn Lake CalUmct) gelegenen Terrain
vereinigt, und zugleich für sämtliche Angestellte der Kompagnie und deren Fa¬
milien die Mit allen technischen Verbesserungen der Neuzeit ausgestatteten
Wohnungen hergestellt, d. h. es wurde eine ganze Stadt gebäUt, die heute schon
1500 Ziegelhäuser mit 10 000 Einwohnern zählt, Kirche, Schule, Hotel und
Theater, Park, Gas- und Wasserleitung, Kanalisation u. s. w. auszuweisen hat
und mit ihren schönen Alleestraßen und freundlich-säubern Häusern zu den
Fabrikvierteln der Großstädte einen überaus wohlthuenden Gegensatz bildet.

Die Verpflegung auf der Eisenbahn schließt sich der allgemeinen amerika¬
nischen Sitte ein, nur drei kräftige Mahlzeiten des Tages einzunehmen, und
erfolgt nach zwei verschiednen Arten, d. h. entweder im Zuge selbst oder auf
besondern Eßstationen. Die erstere Einrichtung ist namentlich bei den zwischen
Newyork und San Franzisko durchgehenden Zügen und auf ähnlichen weiten
Strecken üblich und dort auch notwendig, weil man dabei Tage lang durch öde
Gegenden fährt, wo das Auge, soweit es reicht, nichts als „Gegend" sieht, die
stellenweise, z. B. im Mormvnenstaäte Utah, selbst von den Amerikanern als
„Wüste" bezeichnet wird. Zur Verpflegung der Reisenden der ersten Klasse
— die übrigen müssen sich selbst versorgen — dienen die ämiiiZ c^rs, d. h.
Nestäurativnswagen, welche alles dazu erforderliche, nämlich Speisekammer, Küche
und Eßsacil enthalten und nach Art der übrigen Salonwagen eingerichtet sind.
Die drei üblichen Mahlzeiten sind: droalMst zwischen 7 und 9 Uhr morgens,


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[0466] Amerikanisches Eisenbahnwesen. kleineren Abteilungen giebt, vielmehr Herren und Damen sich in demselben Raume zur Ruhe begeben müssen, so pflegen die letzteren es vorzuziehen, sich ganz angekleidet niederzulegen, während die Herren sich wenigstens hinter den Vorhängen ihres Bettes der Oberkleider zu entledigen suchen, was bei der geringen Höhe der Betten freilich seine Schwierigkeiten hat. Auch kommt es nicht selten vor, daß man im Oberbett des Wagens sein Lager mit einer Rußschicht um¬ säumt findet, da die Luftfenster des Oberdaches trotz der eingesetzten Drahtsiebe den Rauch der Lokomotive doch nicht ganz abhalten. Am meisten geschätzt sind die Mittelplätze, weil diese am wenigsten stoßen; wer jedoch etwas zur See¬ krankheit neigt, der sollte besonders im Westen auf die Schlafwagen verzichten, da sie dort derart schleudern und febern, daß die Wirkungen ganz überraschend sind, namentlich wenn sich der Magen mit der amerikanischen Küche nicht recht befreunden will. Die Salonwagen werden auch kurzweg?uI1rng.um oars genannt, weil sie sämtlich von der berühmten Pullmannschen Kompagnie gebaut werden, ihr gehören und den Eisenbahngesellschaften nur vermietet werden. Die Fabrik¬ stadt, nach ihrem Begründer und dem Erfinder der Schlafwagen „Püttmann" genannt, bietet ein interessantes, praktisches Beispiel zu dem seiner Zeit vom Geheimen RegientNgsrät Gamp gemachten Vorschlage, die Großindustrien ans das Platte Land zu verlegen. Denn die bis dahin in verschiednen Großstädten zerstreuten Etablissements wurden im Jahre 1880 auf einem eine halbe Stunde südlich von Chicago (im Hhdepark und arn Lake CalUmct) gelegenen Terrain vereinigt, und zugleich für sämtliche Angestellte der Kompagnie und deren Fa¬ milien die Mit allen technischen Verbesserungen der Neuzeit ausgestatteten Wohnungen hergestellt, d. h. es wurde eine ganze Stadt gebäUt, die heute schon 1500 Ziegelhäuser mit 10 000 Einwohnern zählt, Kirche, Schule, Hotel und Theater, Park, Gas- und Wasserleitung, Kanalisation u. s. w. auszuweisen hat und mit ihren schönen Alleestraßen und freundlich-säubern Häusern zu den Fabrikvierteln der Großstädte einen überaus wohlthuenden Gegensatz bildet. Die Verpflegung auf der Eisenbahn schließt sich der allgemeinen amerika¬ nischen Sitte ein, nur drei kräftige Mahlzeiten des Tages einzunehmen, und erfolgt nach zwei verschiednen Arten, d. h. entweder im Zuge selbst oder auf besondern Eßstationen. Die erstere Einrichtung ist namentlich bei den zwischen Newyork und San Franzisko durchgehenden Zügen und auf ähnlichen weiten Strecken üblich und dort auch notwendig, weil man dabei Tage lang durch öde Gegenden fährt, wo das Auge, soweit es reicht, nichts als „Gegend" sieht, die stellenweise, z. B. im Mormvnenstaäte Utah, selbst von den Amerikanern als „Wüste" bezeichnet wird. Zur Verpflegung der Reisenden der ersten Klasse — die übrigen müssen sich selbst versorgen — dienen die ämiiiZ c^rs, d. h. Nestäurativnswagen, welche alles dazu erforderliche, nämlich Speisekammer, Küche und Eßsacil enthalten und nach Art der übrigen Salonwagen eingerichtet sind. Die drei üblichen Mahlzeiten sind: droalMst zwischen 7 und 9 Uhr morgens,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/466>, abgerufen am 28.07.2024.