Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Oeo MVÄNte.

ganzen Menschheit, in die Himmelsregionen -- ohne zurückkehren zu können.
Eine Dantische Phantasie, dieser Flug Muukels dnrch alle Welten!

Zum Kometen
Ward er öder "Gigant"^, und sein ird'scher Eigner
Ward zum "fliegenden Holländer,"
Ward zum Ahasver des Weltraums.
Schweifen wird er immer noch
In des Himmels co'gar Fernen,
Wenn getilgt des Erdeupilgcrs
Fluch und der gcspenst'ge Segler
Längst erlöst im Hasen ausruht.

Das Schicksal, welches schließlich dem strebenden Homunculus zu Teil wird,
entspricht ganz seinen alten Idealen, nur wirds zur Geißel. Mit dem er¬
habenen Hinweis auf das Leben durch die Liebe schließt Hamerlings satirisches
Gemälde einer Zeit ohne Liebe, ohne Seele.


Moritz Necker.


Deo ^uvMte.

GWMM
WMonde Carlooo! ruft der Schaffner, und sofort entleert sich fast
der ganze Zug. Wir fahren noch einige Minuten weiter an
dem schönen Hafen hin, welchen ein wie eine Hand weit in das
Meer gestrecktes Vorgebirge gegen Süden abschließt, und ver¬
lassen am Fuße des letztern den Wagen. Port d'Hercule heißt
der Hafen, in dem jetzt nur wenige Barken und Gondeln liegen. Die Sage läßt
ja den Helden auf seinem Zuge nach Spanien hier Thaten verrichten und legt
ihm nach dem einsamen Felsensitze den Namen Herakles Monoikos bei; das
Mittelalter aber machte daraus Moncichus, und zwei Mönche in schwarzer
Kutte, über deren ganze Länge sich ein weißes lateinisches Kreuz hinzieht,
halten den blauweißen Rautenschild des fürstlichen Wappens. Ein Spruchband
darunter zeigt die Worte: oso .suvauto. Sie könnten nicht sinniger angewandt
werden! Ein Grimaldi soll gegen Ende des ersten Jahrtausends die sara¬
zenischen Seeräuber, die sich auf dem befestigten Felsen eingenistet hatten, ver¬
trieben haben, und seine Nachkommen setzten das Geschäft der Vertriebenen
nach Kräften fort. Die Geschichte dieses Hauses sieht der vieler italienischen
Adelsfamilien sehr ähnlich. Bald von den Genuesen, bald mit Hilfe eines
Protektors -- des französischen oder des spanischen Königs, des Herzogs von
Mailand, des Kaisers -- wieder eingesetzt, bald mit dieser, bald mit jener
Macht es haltend, durch Meuchelmord sich den Weg zum Throne bahnend,


Oeo MVÄNte.

ganzen Menschheit, in die Himmelsregionen — ohne zurückkehren zu können.
Eine Dantische Phantasie, dieser Flug Muukels dnrch alle Welten!

Zum Kometen
Ward er öder „Gigant"^, und sein ird'scher Eigner
Ward zum „fliegenden Holländer,"
Ward zum Ahasver des Weltraums.
Schweifen wird er immer noch
In des Himmels co'gar Fernen,
Wenn getilgt des Erdeupilgcrs
Fluch und der gcspenst'ge Segler
Längst erlöst im Hasen ausruht.

Das Schicksal, welches schließlich dem strebenden Homunculus zu Teil wird,
entspricht ganz seinen alten Idealen, nur wirds zur Geißel. Mit dem er¬
habenen Hinweis auf das Leben durch die Liebe schließt Hamerlings satirisches
Gemälde einer Zeit ohne Liebe, ohne Seele.


Moritz Necker.


Deo ^uvMte.

GWMM
WMonde Carlooo! ruft der Schaffner, und sofort entleert sich fast
der ganze Zug. Wir fahren noch einige Minuten weiter an
dem schönen Hafen hin, welchen ein wie eine Hand weit in das
Meer gestrecktes Vorgebirge gegen Süden abschließt, und ver¬
lassen am Fuße des letztern den Wagen. Port d'Hercule heißt
der Hafen, in dem jetzt nur wenige Barken und Gondeln liegen. Die Sage läßt
ja den Helden auf seinem Zuge nach Spanien hier Thaten verrichten und legt
ihm nach dem einsamen Felsensitze den Namen Herakles Monoikos bei; das
Mittelalter aber machte daraus Moncichus, und zwei Mönche in schwarzer
Kutte, über deren ganze Länge sich ein weißes lateinisches Kreuz hinzieht,
halten den blauweißen Rautenschild des fürstlichen Wappens. Ein Spruchband
darunter zeigt die Worte: oso .suvauto. Sie könnten nicht sinniger angewandt
werden! Ein Grimaldi soll gegen Ende des ersten Jahrtausends die sara¬
zenischen Seeräuber, die sich auf dem befestigten Felsen eingenistet hatten, ver¬
trieben haben, und seine Nachkommen setzten das Geschäft der Vertriebenen
nach Kräften fort. Die Geschichte dieses Hauses sieht der vieler italienischen
Adelsfamilien sehr ähnlich. Bald von den Genuesen, bald mit Hilfe eines
Protektors — des französischen oder des spanischen Königs, des Herzogs von
Mailand, des Kaisers — wieder eingesetzt, bald mit dieser, bald mit jener
Macht es haltend, durch Meuchelmord sich den Weg zum Throne bahnend,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202822"/>
          <fw type="header" place="top"> Oeo MVÄNte.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_112" prev="#ID_111" next="#ID_113"> ganzen Menschheit, in die Himmelsregionen &#x2014; ohne zurückkehren zu können.<lb/>
Eine Dantische Phantasie, dieser Flug Muukels dnrch alle Welten!</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_24" type="poem">
            <l> Zum Kometen<lb/>
Ward er öder &#x201E;Gigant"^, und sein ird'scher Eigner<lb/>
Ward zum &#x201E;fliegenden Holländer,"<lb/>
Ward zum Ahasver des Weltraums.<lb/>
Schweifen wird er immer noch<lb/>
In des Himmels co'gar Fernen,<lb/>
Wenn getilgt des Erdeupilgcrs<lb/>
Fluch und der gcspenst'ge Segler<lb/>
Längst erlöst im Hasen ausruht.</l>
          </lg><lb/>
          <p xml:id="ID_113" prev="#ID_112"> Das Schicksal, welches schließlich dem strebenden Homunculus zu Teil wird,<lb/>
entspricht ganz seinen alten Idealen, nur wirds zur Geißel. Mit dem er¬<lb/>
habenen Hinweis auf das Leben durch die Liebe schließt Hamerlings satirisches<lb/>
Gemälde einer Zeit ohne Liebe, ohne Seele.</p><lb/>
          <note type="byline"> Moritz Necker.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Deo ^uvMte.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_114" next="#ID_115"> GWMM<lb/>
WMonde Carlooo! ruft der Schaffner, und sofort entleert sich fast<lb/>
der ganze Zug. Wir fahren noch einige Minuten weiter an<lb/>
dem schönen Hafen hin, welchen ein wie eine Hand weit in das<lb/>
Meer gestrecktes Vorgebirge gegen Süden abschließt, und ver¬<lb/>
lassen am Fuße des letztern den Wagen.  Port d'Hercule heißt<lb/>
der Hafen, in dem jetzt nur wenige Barken und Gondeln liegen. Die Sage läßt<lb/>
ja den Helden auf seinem Zuge nach Spanien hier Thaten verrichten und legt<lb/>
ihm nach dem einsamen Felsensitze den Namen Herakles Monoikos bei; das<lb/>
Mittelalter aber machte daraus Moncichus, und zwei Mönche in schwarzer<lb/>
Kutte, über deren ganze Länge sich ein weißes lateinisches Kreuz hinzieht,<lb/>
halten den blauweißen Rautenschild des fürstlichen Wappens. Ein Spruchband<lb/>
darunter zeigt die Worte: oso .suvauto. Sie könnten nicht sinniger angewandt<lb/>
werden! Ein Grimaldi soll gegen Ende des ersten Jahrtausends die sara¬<lb/>
zenischen Seeräuber, die sich auf dem befestigten Felsen eingenistet hatten, ver¬<lb/>
trieben haben, und seine Nachkommen setzten das Geschäft der Vertriebenen<lb/>
nach Kräften fort. Die Geschichte dieses Hauses sieht der vieler italienischen<lb/>
Adelsfamilien sehr ähnlich. Bald von den Genuesen, bald mit Hilfe eines<lb/>
Protektors &#x2014; des französischen oder des spanischen Königs, des Herzogs von<lb/>
Mailand, des Kaisers &#x2014; wieder eingesetzt, bald mit dieser, bald mit jener<lb/>
Macht es haltend, durch Meuchelmord sich den Weg zum Throne bahnend,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] Oeo MVÄNte. ganzen Menschheit, in die Himmelsregionen — ohne zurückkehren zu können. Eine Dantische Phantasie, dieser Flug Muukels dnrch alle Welten! Zum Kometen Ward er öder „Gigant"^, und sein ird'scher Eigner Ward zum „fliegenden Holländer," Ward zum Ahasver des Weltraums. Schweifen wird er immer noch In des Himmels co'gar Fernen, Wenn getilgt des Erdeupilgcrs Fluch und der gcspenst'ge Segler Längst erlöst im Hasen ausruht. Das Schicksal, welches schließlich dem strebenden Homunculus zu Teil wird, entspricht ganz seinen alten Idealen, nur wirds zur Geißel. Mit dem er¬ habenen Hinweis auf das Leben durch die Liebe schließt Hamerlings satirisches Gemälde einer Zeit ohne Liebe, ohne Seele. Moritz Necker. Deo ^uvMte. GWMM WMonde Carlooo! ruft der Schaffner, und sofort entleert sich fast der ganze Zug. Wir fahren noch einige Minuten weiter an dem schönen Hafen hin, welchen ein wie eine Hand weit in das Meer gestrecktes Vorgebirge gegen Süden abschließt, und ver¬ lassen am Fuße des letztern den Wagen. Port d'Hercule heißt der Hafen, in dem jetzt nur wenige Barken und Gondeln liegen. Die Sage läßt ja den Helden auf seinem Zuge nach Spanien hier Thaten verrichten und legt ihm nach dem einsamen Felsensitze den Namen Herakles Monoikos bei; das Mittelalter aber machte daraus Moncichus, und zwei Mönche in schwarzer Kutte, über deren ganze Länge sich ein weißes lateinisches Kreuz hinzieht, halten den blauweißen Rautenschild des fürstlichen Wappens. Ein Spruchband darunter zeigt die Worte: oso .suvauto. Sie könnten nicht sinniger angewandt werden! Ein Grimaldi soll gegen Ende des ersten Jahrtausends die sara¬ zenischen Seeräuber, die sich auf dem befestigten Felsen eingenistet hatten, ver¬ trieben haben, und seine Nachkommen setzten das Geschäft der Vertriebenen nach Kräften fort. Die Geschichte dieses Hauses sieht der vieler italienischen Adelsfamilien sehr ähnlich. Bald von den Genuesen, bald mit Hilfe eines Protektors — des französischen oder des spanischen Königs, des Herzogs von Mailand, des Kaisers — wieder eingesetzt, bald mit dieser, bald mit jener Macht es haltend, durch Meuchelmord sich den Weg zum Throne bahnend,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/45
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/45>, abgerufen am 28.07.2024.