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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanisches Eisenbahnwesen.

diuo. Man muß daher seine Uhr stets vor der Abfahrt nach der amtlichen
Zeitrechnung genau stellen, wenn man nicht Gefahr laufen will, eine ganze
Stunde zu früh oder ebensoviel zu spät auf dem Bahnhofe zu erscheinen.

Hat der Fremde endlich alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und das
erste amerikanische Eisenbahnbillet in seinen Händen, so wird er sich über dessen
Aussehen etwas verwundern. Statt des bekannten kleinen Kärtchens hat er
einen schmalen, etwa handbreiten Papierstreifen erhalten, der aus so vielen
Längsstückcn zusammengesetzt ist, als er Abschnitte verschiedner Eisenbahngesell¬
schaften durchfährt. Die einzelnen Stücke enthalten den Namen der betreffenden
Gesellschaft, die beiden Kopfstationen und die üblichen Giltigkeitsvermerke, da¬
gegen keinerlei Ausweis über den Fahrpreis, sodaß eine sofortige Kontrole
etwaiger Übervorteilungen nicht möglich ist. Bei weitern oder zusammen¬
gesetzten Touren läßt sich ein solches Billet fast nach der Elle abmessen; in
der Regel erhält der Käufer diese Papiermasse kunstvoll zusammengefaltet in
einem festen Umschlage überreicht, der mit der Firma der verkaufenden Agentur
und den unvermeidlichen Neklamenotizen bedruckt ist.

Es fragt sich nun, wie man am zweckmäßigsten nach dem Bahnhofe kommt
und sich mit dem Gepäck einrichtet. Die Verbindung zwischen den Hotels und
den Bahnhöfen ist im allgemeinen eine dreifache. Die gewöhnlichste und in den
Großstädten besonders übliche bildet die Pferdebahn, wobei man sein Gepäck
bei der Abfahrt durch den Portier des Hotels oder bei der Ankunft durch den
W^Ma-ni im Zuge einer der vielen Speditionsgesellschaften (Lxxr-zss Company)
übergeben läßt, die gegen 50 Cents für ein Stück das Gepäck nach jedem Punkte
der Stadt besorgen. Daneben giebt es, wenigstens in allen größern Städten,
besondre Omnibusse, die den Verkehr zwischen sämtlichen Bahnhöfen und Hotels
der Stadt vermitteln; sie befördern den Reisenden samt seinem Gepäck gegen
eine Gebühr von 2s'bis 50 Cents. Endlich findet man. zumal an kleinern
Orten, auch die bei uns üblichen Hotelwagen. Die Benutzung der Droschken,
die uns so bequem und geläufig ist, bildet drüben die Ausnahme, da die Fahr¬
preise namentlich mit größerm Gepäck ziemlich hoch sind. Mit der Gewährung
von Freigepäck sind die Eisenbahngesellschaften sehr entgegenkommend (100 bis
150 Pfund), da der Amerikaner schon der großen Entfernungen halber viel
mitzunehmen gezwungen ist. In der Regel werden daher alle größer" Stücke
aufgegeben; dabei erhält man an Stelle unsers Gepäckscheines einen olisÄc,
d- i. eine kleine Blechmarke, welche die Anfangsbuchstaben der Eiscnbahngesell-
schaft und die Nummer des Gepäckstückes angiebt. Touristen werden aber gut
thun, sich bloß auf einen Handkoffer einzurichten, den sie zur Not eine Strecke
weit selbst tragen können und im Zuge bei sich behalten; man spart dann,
"amentlich bei häufigen Unterbrechungen der Reise, viel an Zeit und Geld, da
es doch häufig vorkommt, daß man durch die Expreßkompagnien erst nach
vierundzwanzig Stunden oder später in den Besitz seiner Sachen gelangt und


Grenzboten II. 1888. ^
Amerikanisches Eisenbahnwesen.

diuo. Man muß daher seine Uhr stets vor der Abfahrt nach der amtlichen
Zeitrechnung genau stellen, wenn man nicht Gefahr laufen will, eine ganze
Stunde zu früh oder ebensoviel zu spät auf dem Bahnhofe zu erscheinen.

Hat der Fremde endlich alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und das
erste amerikanische Eisenbahnbillet in seinen Händen, so wird er sich über dessen
Aussehen etwas verwundern. Statt des bekannten kleinen Kärtchens hat er
einen schmalen, etwa handbreiten Papierstreifen erhalten, der aus so vielen
Längsstückcn zusammengesetzt ist, als er Abschnitte verschiedner Eisenbahngesell¬
schaften durchfährt. Die einzelnen Stücke enthalten den Namen der betreffenden
Gesellschaft, die beiden Kopfstationen und die üblichen Giltigkeitsvermerke, da¬
gegen keinerlei Ausweis über den Fahrpreis, sodaß eine sofortige Kontrole
etwaiger Übervorteilungen nicht möglich ist. Bei weitern oder zusammen¬
gesetzten Touren läßt sich ein solches Billet fast nach der Elle abmessen; in
der Regel erhält der Käufer diese Papiermasse kunstvoll zusammengefaltet in
einem festen Umschlage überreicht, der mit der Firma der verkaufenden Agentur
und den unvermeidlichen Neklamenotizen bedruckt ist.

Es fragt sich nun, wie man am zweckmäßigsten nach dem Bahnhofe kommt
und sich mit dem Gepäck einrichtet. Die Verbindung zwischen den Hotels und
den Bahnhöfen ist im allgemeinen eine dreifache. Die gewöhnlichste und in den
Großstädten besonders übliche bildet die Pferdebahn, wobei man sein Gepäck
bei der Abfahrt durch den Portier des Hotels oder bei der Ankunft durch den
W^Ma-ni im Zuge einer der vielen Speditionsgesellschaften (Lxxr-zss Company)
übergeben läßt, die gegen 50 Cents für ein Stück das Gepäck nach jedem Punkte
der Stadt besorgen. Daneben giebt es, wenigstens in allen größern Städten,
besondre Omnibusse, die den Verkehr zwischen sämtlichen Bahnhöfen und Hotels
der Stadt vermitteln; sie befördern den Reisenden samt seinem Gepäck gegen
eine Gebühr von 2s'bis 50 Cents. Endlich findet man. zumal an kleinern
Orten, auch die bei uns üblichen Hotelwagen. Die Benutzung der Droschken,
die uns so bequem und geläufig ist, bildet drüben die Ausnahme, da die Fahr¬
preise namentlich mit größerm Gepäck ziemlich hoch sind. Mit der Gewährung
von Freigepäck sind die Eisenbahngesellschaften sehr entgegenkommend (100 bis
150 Pfund), da der Amerikaner schon der großen Entfernungen halber viel
mitzunehmen gezwungen ist. In der Regel werden daher alle größer» Stücke
aufgegeben; dabei erhält man an Stelle unsers Gepäckscheines einen olisÄc,
d- i. eine kleine Blechmarke, welche die Anfangsbuchstaben der Eiscnbahngesell-
schaft und die Nummer des Gepäckstückes angiebt. Touristen werden aber gut
thun, sich bloß auf einen Handkoffer einzurichten, den sie zur Not eine Strecke
weit selbst tragen können und im Zuge bei sich behalten; man spart dann,
«amentlich bei häufigen Unterbrechungen der Reise, viel an Zeit und Geld, da
es doch häufig vorkommt, daß man durch die Expreßkompagnien erst nach
vierundzwanzig Stunden oder später in den Besitz seiner Sachen gelangt und


Grenzboten II. 1888. ^
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[0441] Amerikanisches Eisenbahnwesen. diuo. Man muß daher seine Uhr stets vor der Abfahrt nach der amtlichen Zeitrechnung genau stellen, wenn man nicht Gefahr laufen will, eine ganze Stunde zu früh oder ebensoviel zu spät auf dem Bahnhofe zu erscheinen. Hat der Fremde endlich alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und das erste amerikanische Eisenbahnbillet in seinen Händen, so wird er sich über dessen Aussehen etwas verwundern. Statt des bekannten kleinen Kärtchens hat er einen schmalen, etwa handbreiten Papierstreifen erhalten, der aus so vielen Längsstückcn zusammengesetzt ist, als er Abschnitte verschiedner Eisenbahngesell¬ schaften durchfährt. Die einzelnen Stücke enthalten den Namen der betreffenden Gesellschaft, die beiden Kopfstationen und die üblichen Giltigkeitsvermerke, da¬ gegen keinerlei Ausweis über den Fahrpreis, sodaß eine sofortige Kontrole etwaiger Übervorteilungen nicht möglich ist. Bei weitern oder zusammen¬ gesetzten Touren läßt sich ein solches Billet fast nach der Elle abmessen; in der Regel erhält der Käufer diese Papiermasse kunstvoll zusammengefaltet in einem festen Umschlage überreicht, der mit der Firma der verkaufenden Agentur und den unvermeidlichen Neklamenotizen bedruckt ist. Es fragt sich nun, wie man am zweckmäßigsten nach dem Bahnhofe kommt und sich mit dem Gepäck einrichtet. Die Verbindung zwischen den Hotels und den Bahnhöfen ist im allgemeinen eine dreifache. Die gewöhnlichste und in den Großstädten besonders übliche bildet die Pferdebahn, wobei man sein Gepäck bei der Abfahrt durch den Portier des Hotels oder bei der Ankunft durch den W^Ma-ni im Zuge einer der vielen Speditionsgesellschaften (Lxxr-zss Company) übergeben läßt, die gegen 50 Cents für ein Stück das Gepäck nach jedem Punkte der Stadt besorgen. Daneben giebt es, wenigstens in allen größern Städten, besondre Omnibusse, die den Verkehr zwischen sämtlichen Bahnhöfen und Hotels der Stadt vermitteln; sie befördern den Reisenden samt seinem Gepäck gegen eine Gebühr von 2s'bis 50 Cents. Endlich findet man. zumal an kleinern Orten, auch die bei uns üblichen Hotelwagen. Die Benutzung der Droschken, die uns so bequem und geläufig ist, bildet drüben die Ausnahme, da die Fahr¬ preise namentlich mit größerm Gepäck ziemlich hoch sind. Mit der Gewährung von Freigepäck sind die Eisenbahngesellschaften sehr entgegenkommend (100 bis 150 Pfund), da der Amerikaner schon der großen Entfernungen halber viel mitzunehmen gezwungen ist. In der Regel werden daher alle größer» Stücke aufgegeben; dabei erhält man an Stelle unsers Gepäckscheines einen olisÄc, d- i. eine kleine Blechmarke, welche die Anfangsbuchstaben der Eiscnbahngesell- schaft und die Nummer des Gepäckstückes angiebt. Touristen werden aber gut thun, sich bloß auf einen Handkoffer einzurichten, den sie zur Not eine Strecke weit selbst tragen können und im Zuge bei sich behalten; man spart dann, «amentlich bei häufigen Unterbrechungen der Reise, viel an Zeit und Geld, da es doch häufig vorkommt, daß man durch die Expreßkompagnien erst nach vierundzwanzig Stunden oder später in den Besitz seiner Sachen gelangt und Grenzboten II. 1888. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/441>, abgerufen am 28.07.2024.