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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanisches Eisenbahnwesen,

da der spätere Übergang auf eine andre Linie die Lösung eines neuen Billets
erheischt. Für Geschäftsreisende und solche, die sich keinerlei Aufenthalt unter¬
wegs gestatten können, werden dagegen die andern, insbesondre die sogenannten
Uiraugli-tiol"ze8 oder Durchgangsbillets vorzuziehen sein. In jedem Falle muß
aber von den "xvursion-tiolcvts (Rundreisebillets) abgeraten werden, denn die
fabelhaft niedrigen Preise derselben Pflegen eine Unzahl von Passagieren anzu¬
locken, aber die Unfälle solcher "xcmrsian-drinn" (Extrazügc) sind bereits sprich¬
wörtlich geworden.

Weniger Schwierigkeiten verursacht die Auswahl der Wagenklasse und des
Zuges, da in dieser Beziehung die Einrichtungen im wesentlichen dieselben sind
wie bei uns. Zwar hat man schon unterwegs bei der Fahrt über das große
Waffer von den Mitreisenden bis zum Überdruß gehört: "Bei uus im freien
Amerika giebts nur eine Klasse! Da fährt der Arbeiter mit dein Millionär
in demselben Wagen!" In der Nähe besehe", ist dies aber durchaus nicht so;
vielmehr giebt es dort ebenso vier verschied"? Klassen wie bei uns, nnr sind
die Bezeichnungen anders. Verlangt man ein Billet ohne weitern Zusatz, so
erhält man ein Ur8t-Li<i88 tivlcsl, d. h. ein Billet erster Klasse, welche die ge¬
wöhnliche Reiseklasse darstellt und in ihrer Ausstattung etwa unsrer zweiten
Wcigcnklasse entspricht. Gegen besondre Anzahlung, in der Regel zwei Dollars
für den Tag oder die Nacht, berechtigt aber das Billet zur Benutzung der
piu-lor iurä LlövxillA vin-8, die etwa die Stelle unsrer Salon- und Schlaf¬
wagen einnehme". Außerdem giebt es noch die smoKing- oder sooouci-oll^L
e,!Z,i-L (Nauchwcigcn) und die öinigrimt" e.N'8 (Answandererwagen), die im
ganzen unsrer dritten und vierten Klasse entsprechen. Wir sehen also, daß
anch das freie Amerika die gesellschaftlichen Unterschiede keineswegs mifznheben
vermocht hat, und daß der Arbeiter ganz so wie bei uns mit dem Millionär
nur dann zusammenfährt, wenn ers bezahlen kann. Der bloßen Phrase
"Standesunterschiede kennt Amerika nicht" mußte aber die überall sonst übliche,
einfachere und deutlichere Bezeichnung der Wagenklasfen nach Ziffern (I, II,
III, IV) zum Opfer fallen, so praktisch sonst anch der Amerikaner ist. Hin¬
sichtlich der Einteilung der Züge finden wir unsre Schnell-, Personen-, ge¬
mischten und Gütcrzüge drüben als vxpro88-, 1,3.88011001-, inixöä- und IrLigÄi-
tttünL wieder, während den sogenannten Blitzzügen zwischen den enropäischen
Hauptstädten die zwischen den amerikanischen Großstädten verkehrenden liiiiiw"!
vxxr68L-r>rg,i"8 gleichzustellen sind.

Die Feststellung der Abfahrtszeit wird erst verwickelter, wenn der Reisende
über Chicago oder Se. Louis hinaus weiter nach Westen vordringen will.
Denn da die Zeitrechnung zwischen Newyork und Sau Francisco (etwa
3500 in.it<Z8) um nahezu vier Stunden abweicht, so ist diese ganze Strecke
in vier Abschnitte mit vier verschiednen Zeitrechnungen eingeteilt, welche um
je eine Stunde sich "nterscheiden: die Lidern, vviiliAl, irionntcün und p"ol<le!


Amerikanisches Eisenbahnwesen,

da der spätere Übergang auf eine andre Linie die Lösung eines neuen Billets
erheischt. Für Geschäftsreisende und solche, die sich keinerlei Aufenthalt unter¬
wegs gestatten können, werden dagegen die andern, insbesondre die sogenannten
Uiraugli-tiol«ze8 oder Durchgangsbillets vorzuziehen sein. In jedem Falle muß
aber von den «xvursion-tiolcvts (Rundreisebillets) abgeraten werden, denn die
fabelhaft niedrigen Preise derselben Pflegen eine Unzahl von Passagieren anzu¬
locken, aber die Unfälle solcher «xcmrsian-drinn« (Extrazügc) sind bereits sprich¬
wörtlich geworden.

Weniger Schwierigkeiten verursacht die Auswahl der Wagenklasse und des
Zuges, da in dieser Beziehung die Einrichtungen im wesentlichen dieselben sind
wie bei uns. Zwar hat man schon unterwegs bei der Fahrt über das große
Waffer von den Mitreisenden bis zum Überdruß gehört: „Bei uus im freien
Amerika giebts nur eine Klasse! Da fährt der Arbeiter mit dein Millionär
in demselben Wagen!" In der Nähe besehe», ist dies aber durchaus nicht so;
vielmehr giebt es dort ebenso vier verschied»? Klassen wie bei uns, nnr sind
die Bezeichnungen anders. Verlangt man ein Billet ohne weitern Zusatz, so
erhält man ein Ur8t-Li<i88 tivlcsl, d. h. ein Billet erster Klasse, welche die ge¬
wöhnliche Reiseklasse darstellt und in ihrer Ausstattung etwa unsrer zweiten
Wcigcnklasse entspricht. Gegen besondre Anzahlung, in der Regel zwei Dollars
für den Tag oder die Nacht, berechtigt aber das Billet zur Benutzung der
piu-lor iurä LlövxillA vin-8, die etwa die Stelle unsrer Salon- und Schlaf¬
wagen einnehme». Außerdem giebt es noch die smoKing- oder sooouci-oll^L
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ganzen unsrer dritten und vierten Klasse entsprechen. Wir sehen also, daß
anch das freie Amerika die gesellschaftlichen Unterschiede keineswegs mifznheben
vermocht hat, und daß der Arbeiter ganz so wie bei uns mit dem Millionär
nur dann zusammenfährt, wenn ers bezahlen kann. Der bloßen Phrase
„Standesunterschiede kennt Amerika nicht" mußte aber die überall sonst übliche,
einfachere und deutlichere Bezeichnung der Wagenklasfen nach Ziffern (I, II,
III, IV) zum Opfer fallen, so praktisch sonst anch der Amerikaner ist. Hin¬
sichtlich der Einteilung der Züge finden wir unsre Schnell-, Personen-, ge¬
mischten und Gütcrzüge drüben als vxpro88-, 1,3.88011001-, inixöä- und IrLigÄi-
tttünL wieder, während den sogenannten Blitzzügen zwischen den enropäischen
Hauptstädten die zwischen den amerikanischen Großstädten verkehrenden liiiiiw«!
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Die Feststellung der Abfahrtszeit wird erst verwickelter, wenn der Reisende
über Chicago oder Se. Louis hinaus weiter nach Westen vordringen will.
Denn da die Zeitrechnung zwischen Newyork und Sau Francisco (etwa
3500 in.it<Z8) um nahezu vier Stunden abweicht, so ist diese ganze Strecke
in vier Abschnitte mit vier verschiednen Zeitrechnungen eingeteilt, welche um
je eine Stunde sich »nterscheiden: die Lidern, vviiliAl, irionntcün und p»ol<le!


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[0440] Amerikanisches Eisenbahnwesen, da der spätere Übergang auf eine andre Linie die Lösung eines neuen Billets erheischt. Für Geschäftsreisende und solche, die sich keinerlei Aufenthalt unter¬ wegs gestatten können, werden dagegen die andern, insbesondre die sogenannten Uiraugli-tiol«ze8 oder Durchgangsbillets vorzuziehen sein. In jedem Falle muß aber von den «xvursion-tiolcvts (Rundreisebillets) abgeraten werden, denn die fabelhaft niedrigen Preise derselben Pflegen eine Unzahl von Passagieren anzu¬ locken, aber die Unfälle solcher «xcmrsian-drinn« (Extrazügc) sind bereits sprich¬ wörtlich geworden. Weniger Schwierigkeiten verursacht die Auswahl der Wagenklasse und des Zuges, da in dieser Beziehung die Einrichtungen im wesentlichen dieselben sind wie bei uns. Zwar hat man schon unterwegs bei der Fahrt über das große Waffer von den Mitreisenden bis zum Überdruß gehört: „Bei uus im freien Amerika giebts nur eine Klasse! Da fährt der Arbeiter mit dein Millionär in demselben Wagen!" In der Nähe besehe», ist dies aber durchaus nicht so; vielmehr giebt es dort ebenso vier verschied»? Klassen wie bei uns, nnr sind die Bezeichnungen anders. Verlangt man ein Billet ohne weitern Zusatz, so erhält man ein Ur8t-Li<i88 tivlcsl, d. h. ein Billet erster Klasse, welche die ge¬ wöhnliche Reiseklasse darstellt und in ihrer Ausstattung etwa unsrer zweiten Wcigcnklasse entspricht. Gegen besondre Anzahlung, in der Regel zwei Dollars für den Tag oder die Nacht, berechtigt aber das Billet zur Benutzung der piu-lor iurä LlövxillA vin-8, die etwa die Stelle unsrer Salon- und Schlaf¬ wagen einnehme». Außerdem giebt es noch die smoKing- oder sooouci-oll^L e,!Z,i-L (Nauchwcigcn) und die öinigrimt» e.N'8 (Answandererwagen), die im ganzen unsrer dritten und vierten Klasse entsprechen. Wir sehen also, daß anch das freie Amerika die gesellschaftlichen Unterschiede keineswegs mifznheben vermocht hat, und daß der Arbeiter ganz so wie bei uns mit dem Millionär nur dann zusammenfährt, wenn ers bezahlen kann. Der bloßen Phrase „Standesunterschiede kennt Amerika nicht" mußte aber die überall sonst übliche, einfachere und deutlichere Bezeichnung der Wagenklasfen nach Ziffern (I, II, III, IV) zum Opfer fallen, so praktisch sonst anch der Amerikaner ist. Hin¬ sichtlich der Einteilung der Züge finden wir unsre Schnell-, Personen-, ge¬ mischten und Gütcrzüge drüben als vxpro88-, 1,3.88011001-, inixöä- und IrLigÄi- tttünL wieder, während den sogenannten Blitzzügen zwischen den enropäischen Hauptstädten die zwischen den amerikanischen Großstädten verkehrenden liiiiiw«! vxxr68L-r>rg,i»8 gleichzustellen sind. Die Feststellung der Abfahrtszeit wird erst verwickelter, wenn der Reisende über Chicago oder Se. Louis hinaus weiter nach Westen vordringen will. Denn da die Zeitrechnung zwischen Newyork und Sau Francisco (etwa 3500 in.it<Z8) um nahezu vier Stunden abweicht, so ist diese ganze Strecke in vier Abschnitte mit vier verschiednen Zeitrechnungen eingeteilt, welche um je eine Stunde sich »nterscheiden: die Lidern, vviiliAl, irionntcün und p»ol<le!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/440>, abgerufen am 28.07.2024.