Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Uleinere Mitteilungen. Wicklung des Bevbachtnngsvermögens und eine stärkere Betonung der neuern Der Vortrag des Gymnasialdirektors Dr. Hcnßner aus Kassel: "Das Lateinische *) Fürchterliches Wort! Warum nicht Unterrichts- und Crzlehmigsthiitigkeit? Grenzboten U. 1888. 49
Uleinere Mitteilungen. Wicklung des Bevbachtnngsvermögens und eine stärkere Betonung der neuern Der Vortrag des Gymnasialdirektors Dr. Hcnßner aus Kassel: „Das Lateinische *) Fürchterliches Wort! Warum nicht Unterrichts- und Crzlehmigsthiitigkeit? Grenzboten U. 1888. 49
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203170"/> <fw type="header" place="top"> Uleinere Mitteilungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1282" prev="#ID_1281"> Wicklung des Bevbachtnngsvermögens und eine stärkere Betonung der neuern<lb/> Sprachen. Die Schwäche der Realgymnasien liegt in der unzureichenden Berück¬<lb/> sichtigung des klassische» Altertums und damit einer der wichtigsten Grundlagen der<lb/> modernen und unsrer deutschen Kultur. 3. Die höhere Einheitsschule muß sich<lb/> jene Vorzüge aneignen, ohne die bewährte Grundlage des Humangymnasiums,<lb/> insbesondre ohne die Pflege des Griechischen zu gefährden. 4. Dazu ist vor allem<lb/> eine fortschreitende Besserung des Lehrplans und der Lehrweise notwendig, welche<lb/> in dem heutigen Stande der Pädagogik und Didaktik den fruchtbcirsteu Boden<lb/> findet. Eine den Anregungen derselben entsprechende Umwandlung des Unterrichts<lb/> an den höhern Lehranstalten ist bereits in der Entwicklung begriffen. 5. Um diese<lb/> weiterzuführen und zu vollenden, ist vor allem zweierlei erforderlich: ») Bes¬<lb/> serung der theoretisch- und Praktisch-Pädagogischen Vorbildung des höhern Lehr¬<lb/> standes; b) Beseitigung der Hemmung, welche die unterrichtliche*) und erziehende<lb/> Thätigkeit der Schule durch das Berechtigungswesen erfährt. Denn die Einfügung<lb/> von Schulberechtiguugen innerhalb des Lehrganges hindert eine einheitliche Ge¬<lb/> staltung des Lehrplans, bewirkt, daß viele Schüler nur eine Teilbildung ins Leben<lb/> mitnehmen und führt eine nachteilige Ueberfüllung der untern und mittlern Klassen,<lb/> noch dazu oft mit ungeeigneten Schülern, herbei. Alle Schulberechtigungen, be¬<lb/> sonders die zum einjährigen Heeresdienste, sollten daher an die Abgangsprüfung<lb/> geknüpft werden, eine Maßnahme, durch welche zugleich weniger geeignete Elemente<lb/> leichter von wissenschaftlichen Fachstudien ferngehalten werden würden. 6. Behufs<lb/> dieser Reform ist nur eine verhältnismäßig geringe Aenderung in der Verteilung<lb/> der Lehrstunden an die Unterrichtsfächer erforderlich, für welche u. a. die Gymnasien<lb/> Badens und Hannovers die Richtung angeben können. Als Hauptpunkte dieser<lb/> Aenderung erscheinen: Fortführung des obligatorischen Zeichenunterrichts über<lb/> Quarta hinaus, Einführung des Englischen als Pflichtfach von Untersekunda ab,<lb/> Gewährung von vier Wochenstunden an die Mathematik in allen Klassen. 7. Der<lb/> Raum für diese Umgestaltung wird hauptsächlich durch Beschränkung des Lateinischen<lb/> zu gewinnen sein. 8. Die Verschmelzung von Gymnasium und Realgymnasium<lb/> kann und darf nicht auf einmal vollzogen werden. Vielmehr ist zunächst nur zu<lb/> wünschen, daß einigen Gymnasien gestattet werde, ihren Lehrplan nach obigen<lb/> Gesichtspunkten zu ändern; denn nur praktische Versuche können endgiltig die Durch¬<lb/> führbarkeit des obigen Reformplans beweisen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1283" next="#ID_1284"> Der Vortrag des Gymnasialdirektors Dr. Hcnßner aus Kassel: „Das Lateinische<lb/> in der Einheitsschule," hatte im wesentlichen die Aufgabe zu zeigen, warum und<lb/> wie das Ziel des Unterrichts im Lateinischen zurückgesetzt und das Pensum ver¬<lb/> mindert werden müsse, und wie der Betrieb desselben einzurichten sei, damit doch<lb/> etwas dem Zwecke dieses Unterrichts entsprechendes erreicht werde. Es wurde<lb/> entwickelt, Wie das Volksleben der Deutschen freilich in Staat, Recht, Kirche, Lit¬<lb/> teratur und Kunst vom frühen Mittelalter an dnrch römische Bildung aufs aller-<lb/> stärkste beeinflußt wurde, wie aber dieser Einfluß allmählich schwand und noch<lb/> immer mehr verschwindet, wie die lateinische Sprache vor allem jetzt auch aufgehört<lb/> hat, Gelehrtensprache zu sein, denn an ihre Stelle ist unsre lebendige, frisch quel¬<lb/> lende Muttersprache getreten. In demselben Grade, wie seit dem achtzehnten Jahr¬<lb/> hundert die römische Litteratur und Sprache zurückgetreten ist, sind die Einflüsse<lb/> gestiegen, welche wir durch die griechische Litteratur empfangen haben. Hat so das<lb/> Lateinische in seiner Bedeutung als nationales Bildungselement stufenweise mehr</p><lb/> <note xml:id="FID_16" place="foot"> *) Fürchterliches Wort! Warum nicht Unterrichts- und Crzlehmigsthiitigkeit?</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten U. 1888. 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
Uleinere Mitteilungen.
Wicklung des Bevbachtnngsvermögens und eine stärkere Betonung der neuern
Sprachen. Die Schwäche der Realgymnasien liegt in der unzureichenden Berück¬
sichtigung des klassische» Altertums und damit einer der wichtigsten Grundlagen der
modernen und unsrer deutschen Kultur. 3. Die höhere Einheitsschule muß sich
jene Vorzüge aneignen, ohne die bewährte Grundlage des Humangymnasiums,
insbesondre ohne die Pflege des Griechischen zu gefährden. 4. Dazu ist vor allem
eine fortschreitende Besserung des Lehrplans und der Lehrweise notwendig, welche
in dem heutigen Stande der Pädagogik und Didaktik den fruchtbcirsteu Boden
findet. Eine den Anregungen derselben entsprechende Umwandlung des Unterrichts
an den höhern Lehranstalten ist bereits in der Entwicklung begriffen. 5. Um diese
weiterzuführen und zu vollenden, ist vor allem zweierlei erforderlich: ») Bes¬
serung der theoretisch- und Praktisch-Pädagogischen Vorbildung des höhern Lehr¬
standes; b) Beseitigung der Hemmung, welche die unterrichtliche*) und erziehende
Thätigkeit der Schule durch das Berechtigungswesen erfährt. Denn die Einfügung
von Schulberechtiguugen innerhalb des Lehrganges hindert eine einheitliche Ge¬
staltung des Lehrplans, bewirkt, daß viele Schüler nur eine Teilbildung ins Leben
mitnehmen und führt eine nachteilige Ueberfüllung der untern und mittlern Klassen,
noch dazu oft mit ungeeigneten Schülern, herbei. Alle Schulberechtigungen, be¬
sonders die zum einjährigen Heeresdienste, sollten daher an die Abgangsprüfung
geknüpft werden, eine Maßnahme, durch welche zugleich weniger geeignete Elemente
leichter von wissenschaftlichen Fachstudien ferngehalten werden würden. 6. Behufs
dieser Reform ist nur eine verhältnismäßig geringe Aenderung in der Verteilung
der Lehrstunden an die Unterrichtsfächer erforderlich, für welche u. a. die Gymnasien
Badens und Hannovers die Richtung angeben können. Als Hauptpunkte dieser
Aenderung erscheinen: Fortführung des obligatorischen Zeichenunterrichts über
Quarta hinaus, Einführung des Englischen als Pflichtfach von Untersekunda ab,
Gewährung von vier Wochenstunden an die Mathematik in allen Klassen. 7. Der
Raum für diese Umgestaltung wird hauptsächlich durch Beschränkung des Lateinischen
zu gewinnen sein. 8. Die Verschmelzung von Gymnasium und Realgymnasium
kann und darf nicht auf einmal vollzogen werden. Vielmehr ist zunächst nur zu
wünschen, daß einigen Gymnasien gestattet werde, ihren Lehrplan nach obigen
Gesichtspunkten zu ändern; denn nur praktische Versuche können endgiltig die Durch¬
führbarkeit des obigen Reformplans beweisen."
Der Vortrag des Gymnasialdirektors Dr. Hcnßner aus Kassel: „Das Lateinische
in der Einheitsschule," hatte im wesentlichen die Aufgabe zu zeigen, warum und
wie das Ziel des Unterrichts im Lateinischen zurückgesetzt und das Pensum ver¬
mindert werden müsse, und wie der Betrieb desselben einzurichten sei, damit doch
etwas dem Zwecke dieses Unterrichts entsprechendes erreicht werde. Es wurde
entwickelt, Wie das Volksleben der Deutschen freilich in Staat, Recht, Kirche, Lit¬
teratur und Kunst vom frühen Mittelalter an dnrch römische Bildung aufs aller-
stärkste beeinflußt wurde, wie aber dieser Einfluß allmählich schwand und noch
immer mehr verschwindet, wie die lateinische Sprache vor allem jetzt auch aufgehört
hat, Gelehrtensprache zu sein, denn an ihre Stelle ist unsre lebendige, frisch quel¬
lende Muttersprache getreten. In demselben Grade, wie seit dem achtzehnten Jahr¬
hundert die römische Litteratur und Sprache zurückgetreten ist, sind die Einflüsse
gestiegen, welche wir durch die griechische Litteratur empfangen haben. Hat so das
Lateinische in seiner Bedeutung als nationales Bildungselement stufenweise mehr
*) Fürchterliches Wort! Warum nicht Unterrichts- und Crzlehmigsthiitigkeit?
Grenzboten U. 1888. 49
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |