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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Österreich und der deutsch-französische Krieg.

so befinden Sie sich in einem großen Irrtume, und ich habe die Entwürfe mehrerer
Depeschen, unter andern derjenigen, die ich am 27. und 31. Juli und am 3. August
an ihn richtete, vor Augen, welche keinen andern Gegenstand betrafen. Ich zweifelte
nicht an den Absichten Oesterreichs, ich zweifle auch heute nicht daran, und ich
hege die Ueberzeugung, daß, wenn unsre eben so plötzlichen als unvorhergesehenen
Unglücksfälle seinen Beistand nicht unmöglich gemacht hätten, dieser Beistand uns
gewährt worden wäre, wie er uns versprochen war. Ich hatte, wie ich gestehe,
etwas weniger Vertrauen auf die Promptheit seiner Vorbereitungen, obwohl ich
in dieser Hinsicht von sehr kompetenten Persönlichkeiten beruhigende Mitteilungen
erhalten hatte.

Ich schließe, Herr Graf, diesen Brief, der schon zu lang geworden ist, indem
ich mich gegen jede Idee des Borwurfes und der Anklage verwahre. Ich halte
meine beiden Behauptungen fest, aber nichts liegt meinen Gedanken ferner als
Beschwerde zu erheben, sei es gegen die kaiserliche und königliche Negierung, sei
es gegen Sie selbst, über das politische Verhalten nach unsern Unglücksfällen. Es
hieße im höchsten Grade des praktischen Sinnes und selbst der Billigkeit ermangeln,
wenn man sich über die Zeit des Stillstandes wundern wollte, welche die Folge
unsrer Niederlagen und vorzüglich unsrer innern Wirren war. Ich möchte
sogar sagen, daß es von unsrer Seite eine gewisse Undankbarkeit sein würde, wenn
wir nicht erkennten, daß unter allen Mächten Oesterreich die letzte gewesen ist,
Frankreich vollständig aufzugeben. . . . Wir wissen es in Frankreich, daß die
Sympathien des wirklichen Oesterreich ^der Herzog hat vorher von einem unechten,
einer von der "durch Preußen bezahlten Presse" gefälschten öffentlichen Meinung
gesprochen^ uns bis über unsre Unglücksfälle hinaus gefolgt sind, und wir würden
unsrer Erkenntlichkeit nur an dem Tage entbunden sein, wo uns kundgegeben
würde, daß seine Regierung heute die Gefühle zu verleugnen sucht, zu denen sie
sich einst bekannte.

Beust schwieg damals auf diese Antwort. "Es war begreiflich sagt er --,
daß ich, auch ohne diesfalls verständliche Winke erhalten zu haben, in meiner
Stellung als Botschafter ^am Hofe von Se. James j die Diskussion nicht fortsetzen
durfte. So mußte ich denn manches irrige und unberechtigte Urteil über mich
ergehen lassen, dem ich durch eine Duplik leicht entgehen konnte." In seinein
Werke holt er das damals Unterlassene nach, aber, wie uns scheint, nicht durchweg
mit Glück. Darüber in einem Schlußartikel, der auch einiges andre über das
damalige Verhalten des österreichischen Staatsmannes und seine deutschfeind¬
liche Sinnesart und Richtung enthalten wird.




Österreich und der deutsch-französische Krieg.

so befinden Sie sich in einem großen Irrtume, und ich habe die Entwürfe mehrerer
Depeschen, unter andern derjenigen, die ich am 27. und 31. Juli und am 3. August
an ihn richtete, vor Augen, welche keinen andern Gegenstand betrafen. Ich zweifelte
nicht an den Absichten Oesterreichs, ich zweifle auch heute nicht daran, und ich
hege die Ueberzeugung, daß, wenn unsre eben so plötzlichen als unvorhergesehenen
Unglücksfälle seinen Beistand nicht unmöglich gemacht hätten, dieser Beistand uns
gewährt worden wäre, wie er uns versprochen war. Ich hatte, wie ich gestehe,
etwas weniger Vertrauen auf die Promptheit seiner Vorbereitungen, obwohl ich
in dieser Hinsicht von sehr kompetenten Persönlichkeiten beruhigende Mitteilungen
erhalten hatte.

Ich schließe, Herr Graf, diesen Brief, der schon zu lang geworden ist, indem
ich mich gegen jede Idee des Borwurfes und der Anklage verwahre. Ich halte
meine beiden Behauptungen fest, aber nichts liegt meinen Gedanken ferner als
Beschwerde zu erheben, sei es gegen die kaiserliche und königliche Negierung, sei
es gegen Sie selbst, über das politische Verhalten nach unsern Unglücksfällen. Es
hieße im höchsten Grade des praktischen Sinnes und selbst der Billigkeit ermangeln,
wenn man sich über die Zeit des Stillstandes wundern wollte, welche die Folge
unsrer Niederlagen und vorzüglich unsrer innern Wirren war. Ich möchte
sogar sagen, daß es von unsrer Seite eine gewisse Undankbarkeit sein würde, wenn
wir nicht erkennten, daß unter allen Mächten Oesterreich die letzte gewesen ist,
Frankreich vollständig aufzugeben. . . . Wir wissen es in Frankreich, daß die
Sympathien des wirklichen Oesterreich ^der Herzog hat vorher von einem unechten,
einer von der „durch Preußen bezahlten Presse" gefälschten öffentlichen Meinung
gesprochen^ uns bis über unsre Unglücksfälle hinaus gefolgt sind, und wir würden
unsrer Erkenntlichkeit nur an dem Tage entbunden sein, wo uns kundgegeben
würde, daß seine Regierung heute die Gefühle zu verleugnen sucht, zu denen sie
sich einst bekannte.

Beust schwieg damals auf diese Antwort. „Es war begreiflich sagt er —,
daß ich, auch ohne diesfalls verständliche Winke erhalten zu haben, in meiner
Stellung als Botschafter ^am Hofe von Se. James j die Diskussion nicht fortsetzen
durfte. So mußte ich denn manches irrige und unberechtigte Urteil über mich
ergehen lassen, dem ich durch eine Duplik leicht entgehen konnte." In seinein
Werke holt er das damals Unterlassene nach, aber, wie uns scheint, nicht durchweg
mit Glück. Darüber in einem Schlußartikel, der auch einiges andre über das
damalige Verhalten des österreichischen Staatsmannes und seine deutschfeind¬
liche Sinnesart und Richtung enthalten wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/317>, abgerufen am 01.09.2024.