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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Österreich und der deutsch-französische Arieg.

stellt. Ja jener Geist, der glücklicherweise doch wohl bei allen Deutschen vor¬
handen ist und den geweckt und allgemein gemacht zu haben das nicht genug
zu preisende Verdienst einzig des erhabenen Herrschergeschlechtes ist, das in
Kaiser Wilhelm den deutschen Kaiserthron bestieg -- jener Geist allein, ob er
sich nun im Sachsen, Baiern, Schwaben oder im Preußen verkörpert, ist preußisch,
verdient den Namen Preußentum.

Aber es ist leider sehr leicht in Deutschland, mächtigen Begriffen in der
Öffentlichkeit einen häßlichen Klang anzuheften, Anstrengungen für die Gesamt¬
heit selbstsüchtig auszulegen, starke, wahrhafte Empfindungen wo nicht verdächtig,
so doch lächerlich zu machen. Von dem letztern haben wir in diesen Wochen
wieder traurige Beweise gehabt. Man sollte sich doch billiger zeigen gegen
Empfindungen, die bei uns bisher nur noch stets einen rein defensiven Charakter
getragen haben. Solche können kaum ein Übermaß haben. Es gab eine Zeit,
wo man lachte über die "defensive Begeisterung," die sich etwa in Liedern wie
"Sie sollen ihn nicht haben" ausprägte. Ich weiß nicht, ich finde sie schön
und im tiefsten Sinne deutsch. So lange sich unser Nationalbewußtsein noch so
in der Abwehr hält wie bisher, ist eine schädliche Wirkung auf unsern National¬
charakter sicher nicht zu besorgen. Bis zum as Aloirs, bis zur dew as 1a
"Zivilisation u. dergl. hat unser "Patriotismus" noch sehr weit. Dazu ist der
Deutsche -- zu sehr er selbst.




Österreich und der deutsch-französische Krieg.
i.

R
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MUöM^?'n den Erinnerungen und Aufzeichnungen Graf Beusts, die im
vorigen Jahre unter dem Titel "Aus drei Vierteljahrhunderten"
erschienen sind, ist im zweiten Bande S. 343--400 auch der Stel¬
lung gedacht, welche Österreich-Ungarn zu dem Kriege von 1370
einnahm, und die in Gestalt einer Polemik gegen gewisse französische
Behauptungen gehaltene ausführliche Schilderung derselben verdient aus mehreren
Gründen ernste Beachtung der deutschen Presse. Im folgenden erfüllen wir
unsernteils diese Pflicht, indem wir zuvörderst einen Abriß der Thatsachen geben,
wie sie Beust und wie sie sein Hauptgegner, der Herzog von Gramont, berichtet.

Zu Ende des Jahres 1872 erklärte Thiers vor der LoinvüsÄou Ä'enyMs
xTr1ame.utg.irö, es sei ihm, als er während seiner Rundreise zur Anrufung des


Österreich und der deutsch-französische Arieg.

stellt. Ja jener Geist, der glücklicherweise doch wohl bei allen Deutschen vor¬
handen ist und den geweckt und allgemein gemacht zu haben das nicht genug
zu preisende Verdienst einzig des erhabenen Herrschergeschlechtes ist, das in
Kaiser Wilhelm den deutschen Kaiserthron bestieg — jener Geist allein, ob er
sich nun im Sachsen, Baiern, Schwaben oder im Preußen verkörpert, ist preußisch,
verdient den Namen Preußentum.

Aber es ist leider sehr leicht in Deutschland, mächtigen Begriffen in der
Öffentlichkeit einen häßlichen Klang anzuheften, Anstrengungen für die Gesamt¬
heit selbstsüchtig auszulegen, starke, wahrhafte Empfindungen wo nicht verdächtig,
so doch lächerlich zu machen. Von dem letztern haben wir in diesen Wochen
wieder traurige Beweise gehabt. Man sollte sich doch billiger zeigen gegen
Empfindungen, die bei uns bisher nur noch stets einen rein defensiven Charakter
getragen haben. Solche können kaum ein Übermaß haben. Es gab eine Zeit,
wo man lachte über die „defensive Begeisterung," die sich etwa in Liedern wie
„Sie sollen ihn nicht haben" ausprägte. Ich weiß nicht, ich finde sie schön
und im tiefsten Sinne deutsch. So lange sich unser Nationalbewußtsein noch so
in der Abwehr hält wie bisher, ist eine schädliche Wirkung auf unsern National¬
charakter sicher nicht zu besorgen. Bis zum as Aloirs, bis zur dew as 1a
«Zivilisation u. dergl. hat unser „Patriotismus" noch sehr weit. Dazu ist der
Deutsche — zu sehr er selbst.




Österreich und der deutsch-französische Krieg.
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MUöM^?'n den Erinnerungen und Aufzeichnungen Graf Beusts, die im
vorigen Jahre unter dem Titel „Aus drei Vierteljahrhunderten"
erschienen sind, ist im zweiten Bande S. 343—400 auch der Stel¬
lung gedacht, welche Österreich-Ungarn zu dem Kriege von 1370
einnahm, und die in Gestalt einer Polemik gegen gewisse französische
Behauptungen gehaltene ausführliche Schilderung derselben verdient aus mehreren
Gründen ernste Beachtung der deutschen Presse. Im folgenden erfüllen wir
unsernteils diese Pflicht, indem wir zuvörderst einen Abriß der Thatsachen geben,
wie sie Beust und wie sie sein Hauptgegner, der Herzog von Gramont, berichtet.

Zu Ende des Jahres 1872 erklärte Thiers vor der LoinvüsÄou Ä'enyMs
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[0310] Österreich und der deutsch-französische Arieg. stellt. Ja jener Geist, der glücklicherweise doch wohl bei allen Deutschen vor¬ handen ist und den geweckt und allgemein gemacht zu haben das nicht genug zu preisende Verdienst einzig des erhabenen Herrschergeschlechtes ist, das in Kaiser Wilhelm den deutschen Kaiserthron bestieg — jener Geist allein, ob er sich nun im Sachsen, Baiern, Schwaben oder im Preußen verkörpert, ist preußisch, verdient den Namen Preußentum. Aber es ist leider sehr leicht in Deutschland, mächtigen Begriffen in der Öffentlichkeit einen häßlichen Klang anzuheften, Anstrengungen für die Gesamt¬ heit selbstsüchtig auszulegen, starke, wahrhafte Empfindungen wo nicht verdächtig, so doch lächerlich zu machen. Von dem letztern haben wir in diesen Wochen wieder traurige Beweise gehabt. Man sollte sich doch billiger zeigen gegen Empfindungen, die bei uns bisher nur noch stets einen rein defensiven Charakter getragen haben. Solche können kaum ein Übermaß haben. Es gab eine Zeit, wo man lachte über die „defensive Begeisterung," die sich etwa in Liedern wie „Sie sollen ihn nicht haben" ausprägte. Ich weiß nicht, ich finde sie schön und im tiefsten Sinne deutsch. So lange sich unser Nationalbewußtsein noch so in der Abwehr hält wie bisher, ist eine schädliche Wirkung auf unsern National¬ charakter sicher nicht zu besorgen. Bis zum as Aloirs, bis zur dew as 1a «Zivilisation u. dergl. hat unser „Patriotismus" noch sehr weit. Dazu ist der Deutsche — zu sehr er selbst. Österreich und der deutsch-französische Krieg. i. R U MUöM^?'n den Erinnerungen und Aufzeichnungen Graf Beusts, die im vorigen Jahre unter dem Titel „Aus drei Vierteljahrhunderten" erschienen sind, ist im zweiten Bande S. 343—400 auch der Stel¬ lung gedacht, welche Österreich-Ungarn zu dem Kriege von 1370 einnahm, und die in Gestalt einer Polemik gegen gewisse französische Behauptungen gehaltene ausführliche Schilderung derselben verdient aus mehreren Gründen ernste Beachtung der deutschen Presse. Im folgenden erfüllen wir unsernteils diese Pflicht, indem wir zuvörderst einen Abriß der Thatsachen geben, wie sie Beust und wie sie sein Hauptgegner, der Herzog von Gramont, berichtet. Zu Ende des Jahres 1872 erklärte Thiers vor der LoinvüsÄou Ä'enyMs xTr1ame.utg.irö, es sei ihm, als er während seiner Rundreise zur Anrufung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/310>, abgerufen am 13.11.2024.