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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ulrich von Hurter.

und die Folge war, daß ihn der Kaiser in feierlicher Versammlung zum Dichter
krönte, indem er ihm eigenhändig den von Peutingers schöner Tochter Konstanze
geflochtenen Lorberkranz aufsetzte.

Größern Wert freilich als die Hütten als gekröntem Dichter nunmehr zu¬
stehenden Ehrenrechte hatte für ihn die Gewinnung einer gesicherten Lebens¬
stellung, und eine solche fand sich für den Ritter, indem er nun endgiltig in
den Dienst des kunstliebenden Erzbischofs von Mainz, seines seitherigen Gönners,
trat. In dessen Gefolge kam er im Jahre darauf wieder nach Augsburg zum
Reichstage. Den dort anwesenden Kardinal Cajetan beobachtete er mit Falken¬
augen und hat den übermütigen Italiener später (im Dialog "Die Anschauenden")
mit spitzem Griffel verewigt; dagegen ist es beachtenswert und bezeichnend für
den Humanisten, daß ihm die Bedeutung Luthers, den der Kardinal zur Unter¬
werfung bringen sollte und mit dem Hütten so zum zweitenmale in einer Stadt
zusammen war, auch jetzt noch nicht aufging, indem er hinsichtlich des Lutherischen
Streites nichts empfindet als unverhehlte Schadenfreude darüber, daß die ver¬
haßten Mönche in solchen Zänkereien sich gegenseitig selber auffressen.

Huttens Lebensverhältnisse waren noch nie so günstig gewesen wie damals
und sollten es auch nie wieder werden. Sein Kurfürst stellte ihn so frei wie
möglich, indem er ihn des persönlichen Hofdienstes entband, sodaß er in sorgen¬
freier Muße seinen litterarischen Neigungen leben konnte. Was Wunder, daß
der umgetriebene Mann, den das Leben schon so hart geschüttelt hatte, nun
daran dachte, seinem stillen Gelehrtenleben die Krone aufzusetzen und ein be¬
hagliches Heim zu gründen, eine Hoffnung, die sich auf dem Hintergrunde seiner
unruhevollen Wanderjahre in doppelt verlockender Schönheit abheben mußte.
Dieser Stimmung entsprang Huttens liebenswürdiger Dialog "Fortuna," der
einen Blick in sein Gemütsleben zu thun gestattet. Eine gesicherte Stellung
sollte ihm erlauben, ganz den geliebten Studien leben zu können; dazu wünschte
er sich aber noch etwas aus dem Füllhorn der Glücksgöttin, und zwar eine
wackere Hausfrau, die -- setzt er der Göttin auseinander -- "im Glück sich
mit mir freue, im Unglück mit mir traure, in deren Busen ich alles ausschütten
kann, was das Gemüt so bewegt, daß es sich nicht zurückhalten läßt, sondern
Mitteilung zum Bedürfnis macht." Die Göttin meint, eine Frau, wie sie ihm
als künftige Gattin vorschwebe, gebe es gar nicht in ihrem Füllhorn. Da wirft
er selber einen Blick hinein und sieht ein Mädchen, deren ganzes Wesen voll
Anmut ist, die ihm auch entgegen zu lächeln scheint, und nach der er im Eifer
sofort die Hand ausstreckt. Aber das Glück läßt sich nichts entreißen: die
Göttin wirft, und der Wurf bestimmt das Mädchen einem andern, einem Hof¬
mann, mit dem, wie der bitter enttäuschte Hütten meint, sie nicht glücklich sein
werde. So hofft er nicht mehr auf das Glück, sondern bittet Gott nur um
Gewährung zweier Dinge, einen gesunden Geist in einem gesunden Körper.

Leider sollte auch in der Wirklichkeit sein Traum eines behaglichen Lebens


Ulrich von Hurter.

und die Folge war, daß ihn der Kaiser in feierlicher Versammlung zum Dichter
krönte, indem er ihm eigenhändig den von Peutingers schöner Tochter Konstanze
geflochtenen Lorberkranz aufsetzte.

Größern Wert freilich als die Hütten als gekröntem Dichter nunmehr zu¬
stehenden Ehrenrechte hatte für ihn die Gewinnung einer gesicherten Lebens¬
stellung, und eine solche fand sich für den Ritter, indem er nun endgiltig in
den Dienst des kunstliebenden Erzbischofs von Mainz, seines seitherigen Gönners,
trat. In dessen Gefolge kam er im Jahre darauf wieder nach Augsburg zum
Reichstage. Den dort anwesenden Kardinal Cajetan beobachtete er mit Falken¬
augen und hat den übermütigen Italiener später (im Dialog „Die Anschauenden")
mit spitzem Griffel verewigt; dagegen ist es beachtenswert und bezeichnend für
den Humanisten, daß ihm die Bedeutung Luthers, den der Kardinal zur Unter¬
werfung bringen sollte und mit dem Hütten so zum zweitenmale in einer Stadt
zusammen war, auch jetzt noch nicht aufging, indem er hinsichtlich des Lutherischen
Streites nichts empfindet als unverhehlte Schadenfreude darüber, daß die ver¬
haßten Mönche in solchen Zänkereien sich gegenseitig selber auffressen.

Huttens Lebensverhältnisse waren noch nie so günstig gewesen wie damals
und sollten es auch nie wieder werden. Sein Kurfürst stellte ihn so frei wie
möglich, indem er ihn des persönlichen Hofdienstes entband, sodaß er in sorgen¬
freier Muße seinen litterarischen Neigungen leben konnte. Was Wunder, daß
der umgetriebene Mann, den das Leben schon so hart geschüttelt hatte, nun
daran dachte, seinem stillen Gelehrtenleben die Krone aufzusetzen und ein be¬
hagliches Heim zu gründen, eine Hoffnung, die sich auf dem Hintergrunde seiner
unruhevollen Wanderjahre in doppelt verlockender Schönheit abheben mußte.
Dieser Stimmung entsprang Huttens liebenswürdiger Dialog „Fortuna," der
einen Blick in sein Gemütsleben zu thun gestattet. Eine gesicherte Stellung
sollte ihm erlauben, ganz den geliebten Studien leben zu können; dazu wünschte
er sich aber noch etwas aus dem Füllhorn der Glücksgöttin, und zwar eine
wackere Hausfrau, die — setzt er der Göttin auseinander — „im Glück sich
mit mir freue, im Unglück mit mir traure, in deren Busen ich alles ausschütten
kann, was das Gemüt so bewegt, daß es sich nicht zurückhalten läßt, sondern
Mitteilung zum Bedürfnis macht." Die Göttin meint, eine Frau, wie sie ihm
als künftige Gattin vorschwebe, gebe es gar nicht in ihrem Füllhorn. Da wirft
er selber einen Blick hinein und sieht ein Mädchen, deren ganzes Wesen voll
Anmut ist, die ihm auch entgegen zu lächeln scheint, und nach der er im Eifer
sofort die Hand ausstreckt. Aber das Glück läßt sich nichts entreißen: die
Göttin wirft, und der Wurf bestimmt das Mädchen einem andern, einem Hof¬
mann, mit dem, wie der bitter enttäuschte Hütten meint, sie nicht glücklich sein
werde. So hofft er nicht mehr auf das Glück, sondern bittet Gott nur um
Gewährung zweier Dinge, einen gesunden Geist in einem gesunden Körper.

Leider sollte auch in der Wirklichkeit sein Traum eines behaglichen Lebens


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[0028] Ulrich von Hurter. und die Folge war, daß ihn der Kaiser in feierlicher Versammlung zum Dichter krönte, indem er ihm eigenhändig den von Peutingers schöner Tochter Konstanze geflochtenen Lorberkranz aufsetzte. Größern Wert freilich als die Hütten als gekröntem Dichter nunmehr zu¬ stehenden Ehrenrechte hatte für ihn die Gewinnung einer gesicherten Lebens¬ stellung, und eine solche fand sich für den Ritter, indem er nun endgiltig in den Dienst des kunstliebenden Erzbischofs von Mainz, seines seitherigen Gönners, trat. In dessen Gefolge kam er im Jahre darauf wieder nach Augsburg zum Reichstage. Den dort anwesenden Kardinal Cajetan beobachtete er mit Falken¬ augen und hat den übermütigen Italiener später (im Dialog „Die Anschauenden") mit spitzem Griffel verewigt; dagegen ist es beachtenswert und bezeichnend für den Humanisten, daß ihm die Bedeutung Luthers, den der Kardinal zur Unter¬ werfung bringen sollte und mit dem Hütten so zum zweitenmale in einer Stadt zusammen war, auch jetzt noch nicht aufging, indem er hinsichtlich des Lutherischen Streites nichts empfindet als unverhehlte Schadenfreude darüber, daß die ver¬ haßten Mönche in solchen Zänkereien sich gegenseitig selber auffressen. Huttens Lebensverhältnisse waren noch nie so günstig gewesen wie damals und sollten es auch nie wieder werden. Sein Kurfürst stellte ihn so frei wie möglich, indem er ihn des persönlichen Hofdienstes entband, sodaß er in sorgen¬ freier Muße seinen litterarischen Neigungen leben konnte. Was Wunder, daß der umgetriebene Mann, den das Leben schon so hart geschüttelt hatte, nun daran dachte, seinem stillen Gelehrtenleben die Krone aufzusetzen und ein be¬ hagliches Heim zu gründen, eine Hoffnung, die sich auf dem Hintergrunde seiner unruhevollen Wanderjahre in doppelt verlockender Schönheit abheben mußte. Dieser Stimmung entsprang Huttens liebenswürdiger Dialog „Fortuna," der einen Blick in sein Gemütsleben zu thun gestattet. Eine gesicherte Stellung sollte ihm erlauben, ganz den geliebten Studien leben zu können; dazu wünschte er sich aber noch etwas aus dem Füllhorn der Glücksgöttin, und zwar eine wackere Hausfrau, die — setzt er der Göttin auseinander — „im Glück sich mit mir freue, im Unglück mit mir traure, in deren Busen ich alles ausschütten kann, was das Gemüt so bewegt, daß es sich nicht zurückhalten läßt, sondern Mitteilung zum Bedürfnis macht." Die Göttin meint, eine Frau, wie sie ihm als künftige Gattin vorschwebe, gebe es gar nicht in ihrem Füllhorn. Da wirft er selber einen Blick hinein und sieht ein Mädchen, deren ganzes Wesen voll Anmut ist, die ihm auch entgegen zu lächeln scheint, und nach der er im Eifer sofort die Hand ausstreckt. Aber das Glück läßt sich nichts entreißen: die Göttin wirft, und der Wurf bestimmt das Mädchen einem andern, einem Hof¬ mann, mit dem, wie der bitter enttäuschte Hütten meint, sie nicht glücklich sein werde. So hofft er nicht mehr auf das Glück, sondern bittet Gott nur um Gewährung zweier Dinge, einen gesunden Geist in einem gesunden Körper. Leider sollte auch in der Wirklichkeit sein Traum eines behaglichen Lebens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/28>, abgerufen am 01.09.2024.