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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ulrich von Hütten.

über den Kaiser ergossen. Hütten war nicht der Mann, eine Reiberei durch
Nachgiebigkeit beizulegen; er trat sofort für seines Kaisers Ehre ein, und die
fünfe hatten sich schwer getäuscht, wenn sie geglaubt hatten, das unscheinbare
Männchen mit dem blassen Gesicht werde schon ihrer Überzahl weichen. Sein
Gefährte freilich machte sich aus dem Staube, als es zu Thätlichkeiten kam,
Hütten aber wehrte sich so kräftig, daß er nur eine leichte Wunde erhielt,
während einer seiner Gegner auf dem Platze blieb, worauf die vier das
Weite suchten.

In Rom konnte er nach diesem Vorfall nicht mehr bleiben, und so wandte
er sich nach Bologna. Aber auch dort sollte für das Rechtsstudium nur wenig
Zeit abfallen, da es ihm mehr Freude machte, das schon früher begonnene
Studium des Griechischen wieder aufzunehmen. Von den Griechen gewann
aber keiner einen solchen Einfluß auf ihn wie Lucian, dessen Dialoge ihn so¬
fort zur Nachahmung reizten, als die für seine Anlage geeignetste Art der
litterarischen Äußerung.

So blieb er auch in Italien ein "Poet." Unter den Humanisten genoß er
eines großen Rufes, sodaß sie ihn bei seiner Rückkehr mit hohen Erwartungen
begrüßten, besonders die ihm persönlich nahestehenden Glieder des Erfurter
Kreises. Von diesen war während seiner Abwesenheit von Deutschland eine
köstliche Mystifikation ausgegangen, die "Briefe der unberühmter Männer," in
welcher Reuchlins Gegner, die Dominikaner in Köln, dem Gelächter ihrer und
aller Zeit preisgegeben wurden durch schonungslose Darlegung ihrer ungeist¬
lichen Sittenlosigkeit und trägen Schlemmerei, ihrer krassen Unwissenheit und
rohen Unbildung, ihres gedunsenen Eigendünkels, ihrer pfciffischen Geriebenheit.
Hatte Hütte" von Anfang an die Hetze der Kölner gegen den hochverdienten
Reuchlin nach seiner stets ganz in der Sache aufgehenden Art fast so empfunden,
als ob sie ihn selber berührte, so zuckte es ihm nun doppelt in den Fingern,
sich ebenfalls in dieser so glücklich erfundenen Form der Dunkelmännerbriefe zu
versuchen und den Gegnern noch eins ans Bein zu geben. In der zwei Jahre
nach dem ersten Teil erschienenen Fortsetzung stammt eine Reihe von Briefen
sicher von Hütten; sie sind schon daran kenntlich, daß der sittliche Zorn den
Verfasser immer wieder überwältigt und er es kaum über sich vermag, die ver¬
spotteten Personen und Verhältnisse rein humoristisch, d. h. nur von der Seite
der Lächerlichkeit und nicht von der ihrer Verächtlichkeit, aufzufassen.

Aus dem Fachstudium war es in Italien also nichts geworden; als er
1517, 29 Jahre alt, nach Deutschland zurückkehrte, war er immer noch derselbe
"Niemand," als welchen er sich schon zwei Jahre vorher halb scherzend, halb
seufzend bezeichnet hatte. Auf der Rückreise machte er einen Halt in Augsburg,
und hier sollte ihm die brodlose Kunst des Versemachens wenigstens eine ehren¬
volle Auszeichnung eintragen. Der hochgebildete Patrizier Konrad Peutinger
wußte den Kaiser Maximilian für den armen Ritter und Poeten zu interessiren,


Ulrich von Hütten.

über den Kaiser ergossen. Hütten war nicht der Mann, eine Reiberei durch
Nachgiebigkeit beizulegen; er trat sofort für seines Kaisers Ehre ein, und die
fünfe hatten sich schwer getäuscht, wenn sie geglaubt hatten, das unscheinbare
Männchen mit dem blassen Gesicht werde schon ihrer Überzahl weichen. Sein
Gefährte freilich machte sich aus dem Staube, als es zu Thätlichkeiten kam,
Hütten aber wehrte sich so kräftig, daß er nur eine leichte Wunde erhielt,
während einer seiner Gegner auf dem Platze blieb, worauf die vier das
Weite suchten.

In Rom konnte er nach diesem Vorfall nicht mehr bleiben, und so wandte
er sich nach Bologna. Aber auch dort sollte für das Rechtsstudium nur wenig
Zeit abfallen, da es ihm mehr Freude machte, das schon früher begonnene
Studium des Griechischen wieder aufzunehmen. Von den Griechen gewann
aber keiner einen solchen Einfluß auf ihn wie Lucian, dessen Dialoge ihn so¬
fort zur Nachahmung reizten, als die für seine Anlage geeignetste Art der
litterarischen Äußerung.

So blieb er auch in Italien ein „Poet." Unter den Humanisten genoß er
eines großen Rufes, sodaß sie ihn bei seiner Rückkehr mit hohen Erwartungen
begrüßten, besonders die ihm persönlich nahestehenden Glieder des Erfurter
Kreises. Von diesen war während seiner Abwesenheit von Deutschland eine
köstliche Mystifikation ausgegangen, die „Briefe der unberühmter Männer," in
welcher Reuchlins Gegner, die Dominikaner in Köln, dem Gelächter ihrer und
aller Zeit preisgegeben wurden durch schonungslose Darlegung ihrer ungeist¬
lichen Sittenlosigkeit und trägen Schlemmerei, ihrer krassen Unwissenheit und
rohen Unbildung, ihres gedunsenen Eigendünkels, ihrer pfciffischen Geriebenheit.
Hatte Hütte» von Anfang an die Hetze der Kölner gegen den hochverdienten
Reuchlin nach seiner stets ganz in der Sache aufgehenden Art fast so empfunden,
als ob sie ihn selber berührte, so zuckte es ihm nun doppelt in den Fingern,
sich ebenfalls in dieser so glücklich erfundenen Form der Dunkelmännerbriefe zu
versuchen und den Gegnern noch eins ans Bein zu geben. In der zwei Jahre
nach dem ersten Teil erschienenen Fortsetzung stammt eine Reihe von Briefen
sicher von Hütten; sie sind schon daran kenntlich, daß der sittliche Zorn den
Verfasser immer wieder überwältigt und er es kaum über sich vermag, die ver¬
spotteten Personen und Verhältnisse rein humoristisch, d. h. nur von der Seite
der Lächerlichkeit und nicht von der ihrer Verächtlichkeit, aufzufassen.

Aus dem Fachstudium war es in Italien also nichts geworden; als er
1517, 29 Jahre alt, nach Deutschland zurückkehrte, war er immer noch derselbe
„Niemand," als welchen er sich schon zwei Jahre vorher halb scherzend, halb
seufzend bezeichnet hatte. Auf der Rückreise machte er einen Halt in Augsburg,
und hier sollte ihm die brodlose Kunst des Versemachens wenigstens eine ehren¬
volle Auszeichnung eintragen. Der hochgebildete Patrizier Konrad Peutinger
wußte den Kaiser Maximilian für den armen Ritter und Poeten zu interessiren,


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[0027] Ulrich von Hütten. über den Kaiser ergossen. Hütten war nicht der Mann, eine Reiberei durch Nachgiebigkeit beizulegen; er trat sofort für seines Kaisers Ehre ein, und die fünfe hatten sich schwer getäuscht, wenn sie geglaubt hatten, das unscheinbare Männchen mit dem blassen Gesicht werde schon ihrer Überzahl weichen. Sein Gefährte freilich machte sich aus dem Staube, als es zu Thätlichkeiten kam, Hütten aber wehrte sich so kräftig, daß er nur eine leichte Wunde erhielt, während einer seiner Gegner auf dem Platze blieb, worauf die vier das Weite suchten. In Rom konnte er nach diesem Vorfall nicht mehr bleiben, und so wandte er sich nach Bologna. Aber auch dort sollte für das Rechtsstudium nur wenig Zeit abfallen, da es ihm mehr Freude machte, das schon früher begonnene Studium des Griechischen wieder aufzunehmen. Von den Griechen gewann aber keiner einen solchen Einfluß auf ihn wie Lucian, dessen Dialoge ihn so¬ fort zur Nachahmung reizten, als die für seine Anlage geeignetste Art der litterarischen Äußerung. So blieb er auch in Italien ein „Poet." Unter den Humanisten genoß er eines großen Rufes, sodaß sie ihn bei seiner Rückkehr mit hohen Erwartungen begrüßten, besonders die ihm persönlich nahestehenden Glieder des Erfurter Kreises. Von diesen war während seiner Abwesenheit von Deutschland eine köstliche Mystifikation ausgegangen, die „Briefe der unberühmter Männer," in welcher Reuchlins Gegner, die Dominikaner in Köln, dem Gelächter ihrer und aller Zeit preisgegeben wurden durch schonungslose Darlegung ihrer ungeist¬ lichen Sittenlosigkeit und trägen Schlemmerei, ihrer krassen Unwissenheit und rohen Unbildung, ihres gedunsenen Eigendünkels, ihrer pfciffischen Geriebenheit. Hatte Hütte» von Anfang an die Hetze der Kölner gegen den hochverdienten Reuchlin nach seiner stets ganz in der Sache aufgehenden Art fast so empfunden, als ob sie ihn selber berührte, so zuckte es ihm nun doppelt in den Fingern, sich ebenfalls in dieser so glücklich erfundenen Form der Dunkelmännerbriefe zu versuchen und den Gegnern noch eins ans Bein zu geben. In der zwei Jahre nach dem ersten Teil erschienenen Fortsetzung stammt eine Reihe von Briefen sicher von Hütten; sie sind schon daran kenntlich, daß der sittliche Zorn den Verfasser immer wieder überwältigt und er es kaum über sich vermag, die ver¬ spotteten Personen und Verhältnisse rein humoristisch, d. h. nur von der Seite der Lächerlichkeit und nicht von der ihrer Verächtlichkeit, aufzufassen. Aus dem Fachstudium war es in Italien also nichts geworden; als er 1517, 29 Jahre alt, nach Deutschland zurückkehrte, war er immer noch derselbe „Niemand," als welchen er sich schon zwei Jahre vorher halb scherzend, halb seufzend bezeichnet hatte. Auf der Rückreise machte er einen Halt in Augsburg, und hier sollte ihm die brodlose Kunst des Versemachens wenigstens eine ehren¬ volle Auszeichnung eintragen. Der hochgebildete Patrizier Konrad Peutinger wußte den Kaiser Maximilian für den armen Ritter und Poeten zu interessiren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/27>, abgerufen am 01.09.2024.