Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Ulrich von Hütten. Huttens Leben fällt in eine schwere Zeit für die deutsche Ritterschaft. Zum geistlichen Stand wurde auch Ulrich von Hütten von seinem Vater Grenzboten II. 1383. S
Ulrich von Hütten. Huttens Leben fällt in eine schwere Zeit für die deutsche Ritterschaft. Zum geistlichen Stand wurde auch Ulrich von Hütten von seinem Vater Grenzboten II. 1383. S
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202802"/> <fw type="header" place="top"> Ulrich von Hütten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_49"> Huttens Leben fällt in eine schwere Zeit für die deutsche Ritterschaft.<lb/> Die veränderte Art der Kriegführung mit den geschlossenen Massen des neuen<lb/> Fußvolks hatte zur Folge, daß die Lehnsherren im Kriege ihre Dienste leicht<lb/> missen konnten und nicht mehr auf sie und ihren guten Willen angewiesen<lb/> waren. Durch den Landfrieden war ihnen aber, wenigstens grundsätzlich, für<lb/> ihre eignen Zwecke das Schwert entwunden, das der Landesfürsten dagegen<lb/> gestärkt worden, da außer diesen niemand im Reich, und am wenigsten der<lb/> Kaiser, die Macht besaß, sich Gehorsam zu erzwingen. Ihre Einkünfte wurden<lb/> schmäler, und doch wollten sie sich in ihrer Lebensweise nicht einschränken, son¬<lb/> dern es an üppigem Aufwand den reichen Städtern, den verhaßten „Pfeffer¬<lb/> säcken" gleichthun, deren gewinnbringende Waarenzüge der grollende Ritter von<lb/> seiner oft baufälligen Burg aus langsam durchs Thal dahinziehen sah. Wollte<lb/> der Adel seine kriegerische Kraft nicht in Fehden gegen seinesgleichen oder gegen<lb/> Fürsten und Städte zum Schaden des gemeinen Ganzen verpuffen und bei<lb/> wachsender Familie der Verarmung entgegensehen, so blieb ihm nichts andres<lb/> übrig, als für feine Söhne im Dienst der Landesfürsten, denen jede Wendung<lb/> der deutschen Geschichte zum Vorteil ausschlug, einflußreiche Stellungen zu<lb/> suchen oder sie im geistlichen Stande zu versorgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_50" next="#ID_51"> Zum geistlichen Stand wurde auch Ulrich von Hütten von seinem Vater<lb/> bestimmt, obwohl er der erstgeborene von sechs Geschwistern war. Mit elf<lb/> Jahren kam er von der elterlichen Burg Steckelberg in die Klosterschule im<lb/> nahen Fulda. Als er das Alter erreicht hatte, wo einem jungen Manne die<lb/> Berufswahl in ihrer ganzen Bedeutung klar zu werden anfängt, kam er zu der<lb/> Einsicht, daß im Kloster nicht der Platz sei, wo ein Talent und ein Naturell<lb/> wie seines sich hätte entwickeln können. Da der Vater trotzdem darauf bestand,<lb/> daß er Mönch werde, so entfloh er aus dem Kloster, ehe ihn noch ein Gelübde<lb/> band, und wurde Student, in demselben Jahre, wo in Erfurt Martin Luther<lb/> den entgegengesetzten Schritt that und aus einem Studenten ein Mönch wurde.<lb/> Vom Vater, der über diesen eigenwilligen Schritt erzürnt war, dürfte er auf<lb/> keine Unterstützung hoffen; so wartete seiner das wechselvolle Leben eines armen<lb/> fahrenden Studenten, das er denn auch bis zur Hefe auskosten sollte. Infolge<lb/> seiner unruhigen Wanderlust und widriger Verhältnisse nahm er auf keiner<lb/> Universität bleibenden Aufenthalt. Wir finden ihn in Köln, in Erfurt, in<lb/> Frankfurt an der Oder und verlieren dann seine Spur auf einige Zeit voll¬<lb/> ständig, bis wir ihn in grenzenlosem Elend, auch des nötigsten entbehrend,<lb/> mit siechem Leib, an der pommerschen Küste von Haus zu Hans sich durch¬<lb/> betteln sehen. In Greifswald und Rostock fand er in den humanistischen<lb/> Kreisen Aufnahme und Pflege und zog dann über Wittenberg nach Wien, wo<lb/> er an der von Maximilian in humanistischen Sinne neu gestalteten Hochschule<lb/> eine Stellung zu finden hoffte. Aber bald griff er auch hier wieder zum<lb/> Wanderstabe und pilgerte in das gelobte Land des Humanismus, nach Italien.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1383. S</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
Ulrich von Hütten.
Huttens Leben fällt in eine schwere Zeit für die deutsche Ritterschaft.
Die veränderte Art der Kriegführung mit den geschlossenen Massen des neuen
Fußvolks hatte zur Folge, daß die Lehnsherren im Kriege ihre Dienste leicht
missen konnten und nicht mehr auf sie und ihren guten Willen angewiesen
waren. Durch den Landfrieden war ihnen aber, wenigstens grundsätzlich, für
ihre eignen Zwecke das Schwert entwunden, das der Landesfürsten dagegen
gestärkt worden, da außer diesen niemand im Reich, und am wenigsten der
Kaiser, die Macht besaß, sich Gehorsam zu erzwingen. Ihre Einkünfte wurden
schmäler, und doch wollten sie sich in ihrer Lebensweise nicht einschränken, son¬
dern es an üppigem Aufwand den reichen Städtern, den verhaßten „Pfeffer¬
säcken" gleichthun, deren gewinnbringende Waarenzüge der grollende Ritter von
seiner oft baufälligen Burg aus langsam durchs Thal dahinziehen sah. Wollte
der Adel seine kriegerische Kraft nicht in Fehden gegen seinesgleichen oder gegen
Fürsten und Städte zum Schaden des gemeinen Ganzen verpuffen und bei
wachsender Familie der Verarmung entgegensehen, so blieb ihm nichts andres
übrig, als für feine Söhne im Dienst der Landesfürsten, denen jede Wendung
der deutschen Geschichte zum Vorteil ausschlug, einflußreiche Stellungen zu
suchen oder sie im geistlichen Stande zu versorgen.
Zum geistlichen Stand wurde auch Ulrich von Hütten von seinem Vater
bestimmt, obwohl er der erstgeborene von sechs Geschwistern war. Mit elf
Jahren kam er von der elterlichen Burg Steckelberg in die Klosterschule im
nahen Fulda. Als er das Alter erreicht hatte, wo einem jungen Manne die
Berufswahl in ihrer ganzen Bedeutung klar zu werden anfängt, kam er zu der
Einsicht, daß im Kloster nicht der Platz sei, wo ein Talent und ein Naturell
wie seines sich hätte entwickeln können. Da der Vater trotzdem darauf bestand,
daß er Mönch werde, so entfloh er aus dem Kloster, ehe ihn noch ein Gelübde
band, und wurde Student, in demselben Jahre, wo in Erfurt Martin Luther
den entgegengesetzten Schritt that und aus einem Studenten ein Mönch wurde.
Vom Vater, der über diesen eigenwilligen Schritt erzürnt war, dürfte er auf
keine Unterstützung hoffen; so wartete seiner das wechselvolle Leben eines armen
fahrenden Studenten, das er denn auch bis zur Hefe auskosten sollte. Infolge
seiner unruhigen Wanderlust und widriger Verhältnisse nahm er auf keiner
Universität bleibenden Aufenthalt. Wir finden ihn in Köln, in Erfurt, in
Frankfurt an der Oder und verlieren dann seine Spur auf einige Zeit voll¬
ständig, bis wir ihn in grenzenlosem Elend, auch des nötigsten entbehrend,
mit siechem Leib, an der pommerschen Küste von Haus zu Hans sich durch¬
betteln sehen. In Greifswald und Rostock fand er in den humanistischen
Kreisen Aufnahme und Pflege und zog dann über Wittenberg nach Wien, wo
er an der von Maximilian in humanistischen Sinne neu gestalteten Hochschule
eine Stellung zu finden hoffte. Aber bald griff er auch hier wieder zum
Wanderstabe und pilgerte in das gelobte Land des Humanismus, nach Italien.
Grenzboten II. 1383. S
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |