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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

stiegen und bricht ungefähr auf deren Mitte ein, er würde, falls er das Gluck
gehabt hätte, den Brigadekommandeur zu erreichen, hierzu kaum langer Zeit
gebraucht haben, als seine Dienstzeit bis zu seiner Verabschiedung als Kompagme-
chef durchschnittlich beträgt.

^.^.Er hat den Ernst, die Verantwortung, den Druck und die zum Teil nicht
geringen Quälereien des Dienstes zur Genüge kennen gelernt; die nächste Stufe,
der Bataillonskommandeur, hätte ihm dienstliche Erleichterung. i°Me Entlastung
bezüglich der Verantwortung, bedeutend höhern Gehalt und die Annehmlichkeiten
einer - im Vergleich zu der entsprechenden bürgerlichen Rangstufe (Landgerichts¬
rat, Regierungsrat. Finanzrat) - bevorzugten gesellschaftlichen Stellung geboten.
Nun ist es damit vorbei.

......""isDer Zusammenbruch seiner Stellung muß ihn umso harter treffen, als
er in manchen Beziehungen, wenn auch vielleicht nicht pekuniär, bisher huiter der
Stellung eines Bezirksbeamten zurückgestanden hatte. Wenn sich em Bezirks¬
beamter einen Abschluß seiner Laufbahn auf dieser Stufe ganz gut gefallen lassen
kann - er kann bis in sein sechzigstes Jahr darin verbleiben, ist selbständig,
fühlt sich, vor allem als Richter, vollständig sicher, hat unter Umständen eine
herrliche Wohnung mit großem Garten -. so trifft dies alles beim Kompagme-
chef nicht zu. am wenigsten die Sicherheit. Wenn unter diesen Verhältnissen
mancher Bezirksbeamte gar keine Lust verspürt. Kollegialrat zu werden, ohne
daß ihn deshalb ein Vorwurf treffen kann, so hätte doch an dem Offizier, der im
voraus willig und beruhigt damit einverstanden wäre, seine Laufbahn als
Kompagniechef zu beschließen, die Armee nicht viel verloren; es wäre dies em
Beweis von Mangel an wertvollen militärischen Eigenschaften.

Ein verabschiedeter Kompagniechef ist auch durchweg viel jünger als em
Bezirksbeamter, der seine Pensionirung erreicht, er steht dem Alter nach unge¬
fähr fo wie dieser in der Mitte feiner Dienstzeit als Bezirksbeamter, er ist w,e
diefer in der Regel verheiratet, und die Kinder sind noch nicht herangewachsen.
Er selbst steht im kräftigsten Mannesalter, und wenn er auch den Ernst und
die Verantwortung des Dienstes kennen geler.it hat, so ist er doch keineswegs
schon verbraucht und war bisher immer, den Blick nach vorwärts gerichtet, voll
Streben und Eifer, der herrschende Druck und das beständig über seinem Haupte
schwebende Damoklesschwert der Existenzfrage sorgten schon dafür, daß beides
nicht erkaltete.

.."Nun ist er plötzlich verabschiedet, er hat keine Beschäftigung, keine gesell¬
schaftliche Stellung mehr; der Dienst, der all sein Streben erfüllte, alle seine
Kräfte in Anspruch nahm und ihm täglich nur wenige Stunden übrig l,eß. die
er als sein betrachten konnte, der ihm fo manchen Schweißtropfen, ja so manchen
Ruch erpreßt hatte, der Dienst, für den er sich vergeblich mit äußerster An¬
strengung gequält hatte von dem Augenblicke an, wo er den dumpfen und bald
immer deutlicher werdenden Eindruck erhielt, daß es um Hals und Kragen


verabschiedete Offiziere.

stiegen und bricht ungefähr auf deren Mitte ein, er würde, falls er das Gluck
gehabt hätte, den Brigadekommandeur zu erreichen, hierzu kaum langer Zeit
gebraucht haben, als seine Dienstzeit bis zu seiner Verabschiedung als Kompagme-
chef durchschnittlich beträgt.

^.^.Er hat den Ernst, die Verantwortung, den Druck und die zum Teil nicht
geringen Quälereien des Dienstes zur Genüge kennen gelernt; die nächste Stufe,
der Bataillonskommandeur, hätte ihm dienstliche Erleichterung. i°Me Entlastung
bezüglich der Verantwortung, bedeutend höhern Gehalt und die Annehmlichkeiten
einer - im Vergleich zu der entsprechenden bürgerlichen Rangstufe (Landgerichts¬
rat, Regierungsrat. Finanzrat) - bevorzugten gesellschaftlichen Stellung geboten.
Nun ist es damit vorbei.

......«„isDer Zusammenbruch seiner Stellung muß ihn umso harter treffen, als
er in manchen Beziehungen, wenn auch vielleicht nicht pekuniär, bisher huiter der
Stellung eines Bezirksbeamten zurückgestanden hatte. Wenn sich em Bezirks¬
beamter einen Abschluß seiner Laufbahn auf dieser Stufe ganz gut gefallen lassen
kann - er kann bis in sein sechzigstes Jahr darin verbleiben, ist selbständig,
fühlt sich, vor allem als Richter, vollständig sicher, hat unter Umständen eine
herrliche Wohnung mit großem Garten -. so trifft dies alles beim Kompagme-
chef nicht zu. am wenigsten die Sicherheit. Wenn unter diesen Verhältnissen
mancher Bezirksbeamte gar keine Lust verspürt. Kollegialrat zu werden, ohne
daß ihn deshalb ein Vorwurf treffen kann, so hätte doch an dem Offizier, der im
voraus willig und beruhigt damit einverstanden wäre, seine Laufbahn als
Kompagniechef zu beschließen, die Armee nicht viel verloren; es wäre dies em
Beweis von Mangel an wertvollen militärischen Eigenschaften.

Ein verabschiedeter Kompagniechef ist auch durchweg viel jünger als em
Bezirksbeamter, der seine Pensionirung erreicht, er steht dem Alter nach unge¬
fähr fo wie dieser in der Mitte feiner Dienstzeit als Bezirksbeamter, er ist w,e
diefer in der Regel verheiratet, und die Kinder sind noch nicht herangewachsen.
Er selbst steht im kräftigsten Mannesalter, und wenn er auch den Ernst und
die Verantwortung des Dienstes kennen geler.it hat, so ist er doch keineswegs
schon verbraucht und war bisher immer, den Blick nach vorwärts gerichtet, voll
Streben und Eifer, der herrschende Druck und das beständig über seinem Haupte
schwebende Damoklesschwert der Existenzfrage sorgten schon dafür, daß beides
nicht erkaltete.

..„Nun ist er plötzlich verabschiedet, er hat keine Beschäftigung, keine gesell¬
schaftliche Stellung mehr; der Dienst, der all sein Streben erfüllte, alle seine
Kräfte in Anspruch nahm und ihm täglich nur wenige Stunden übrig l,eß. die
er als sein betrachten konnte, der ihm fo manchen Schweißtropfen, ja so manchen
Ruch erpreßt hatte, der Dienst, für den er sich vergeblich mit äußerster An¬
strengung gequält hatte von dem Augenblicke an, wo er den dumpfen und bald
immer deutlicher werdenden Eindruck erhielt, daß es um Hals und Kragen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/21>, abgerufen am 01.09.2024.