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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ixpes 6<z 1^ littörature Memancle.

die Absicht gehabt, über Litteratur zu schreiben, dann wollte er unter dem
Mantel der Litteraturgeschichte andre Gedanken einschmuggeln. Der schwere
Vorwurf der Unwahrheit fiele damit vernichtend auf sein Haupt.

Es ist die Frage, so beschließe ich meine Beweisführung, ob er die Un¬
wahrheit gewollt hat oder nicht. Ich nehme zu Gunsten unsers Angeklagten
an, daß er sie nicht gewollt habe, sondern daß ein tief in ihm steckender Fana¬
tismus -- Mein Herr! führt mich Ihr Anwalt an. Lassen Sie mich aus¬
reden, sage ich ihm; ich rede zu Gunsten ihres Klienten. Ich nehme also an,
daß sein deutlich zu erkennender Fanatismus ihn blind gemacht habe für die
Gefährlichkeit des Spieles, welches er spielt. Im entgegengesetzten Falle würde
der Herr Anwalt einen Nichtswürdigen verteidigen, der geflissentlich unwahr ist.

Herr Combes, schaffen Sie sich einen bessern Verteidiger an. Ich lehne
alle die Aufstellungen ab, zu denen dieser Mann mich gedrängt hat. Ich glaube
einfach, daß Sie nicht die Fähigkeit besitzen, die Litteratur eines fremden Volkes
von Grund aus zu erfassen.

Aber schwer genug wird er mir freilich, dieser Glaube. Ich halte mir
Ihre geographische Auslassung vor, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
läßt; ich nehme hinzu, daß das Buch in Straßburg gedruckt ist und auf dem
Titelblatte das Verlagszeichen der Fischbacherscheu Offizin, den Straßburger
Münsterturm, trägt. Und besäße ich Ihren nervös argwöhnischen Geist, so
würde mir noch manches andre nicht recht erklärlich vorkommen. Ich würde
auffällig finden, daß elsässische Dichter einer schlechten Periode, wie Braut, so
hervorgehoben werden, während der für das Deutschtum begeisterte Candidus so
roh verunglimpft ist. Ich würde hinzufügen, daß alle Werke der deutschen
Litteratur, die im Elsaß beliebt waren und sind, in oft sehr unglücklicher Weise
heruntergerissen werden. Ich würde in einem für Franzosen geschriebenen
litterargeschichtlichen Werke die vielen Beschimpfungen nicht verstehen, denen
Preußen, das neue Deutschland und Mitglieder des deutschen Kaiserhauses aus¬
gesetzt siud. Ich würde mir nicht erklären können, wie bei der heutigen poli¬
tischen Spannung eine Französin dazu käme, einen Deutschen zu heiraten.
Kurzum, ich würde denken, daß, wie Ihr Buch nicht ungeeignet ist, in Frank¬
reich versetzend zu wirken, es sich auch in Elsaß-Lothringen allenfalls als Hetz¬
hund nicht übel gebrauchen ließe. Aber es sei ferne von mir, in einer wissen¬
schaftlichen Kritik persönliche Verdächtigungen auszusprechen. Das einzige, was
ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie die zur Litteratnrgeschichtschreibung erforderliche
Reife nicht bekundet haben.

Sie halten uns für eine streitbare Nation, Herr Combes. Das sind wir. Ich
hoffe, auch diese Zeilen haben Ihnen aufs neue den Beweis dafür erbracht. Und
in diesem Sinne merken Sie sich, daß, wenn Sie noch einmal mit einen" ähn¬
lichen Gemisch von Unwissenheit, Unwahrheit und Haß vor uns treten, wir Sie
ebenso wie diesmal jämmerlich auslachen werden.


Ixpes 6<z 1^ littörature Memancle.

die Absicht gehabt, über Litteratur zu schreiben, dann wollte er unter dem
Mantel der Litteraturgeschichte andre Gedanken einschmuggeln. Der schwere
Vorwurf der Unwahrheit fiele damit vernichtend auf sein Haupt.

Es ist die Frage, so beschließe ich meine Beweisführung, ob er die Un¬
wahrheit gewollt hat oder nicht. Ich nehme zu Gunsten unsers Angeklagten
an, daß er sie nicht gewollt habe, sondern daß ein tief in ihm steckender Fana¬
tismus — Mein Herr! führt mich Ihr Anwalt an. Lassen Sie mich aus¬
reden, sage ich ihm; ich rede zu Gunsten ihres Klienten. Ich nehme also an,
daß sein deutlich zu erkennender Fanatismus ihn blind gemacht habe für die
Gefährlichkeit des Spieles, welches er spielt. Im entgegengesetzten Falle würde
der Herr Anwalt einen Nichtswürdigen verteidigen, der geflissentlich unwahr ist.

Herr Combes, schaffen Sie sich einen bessern Verteidiger an. Ich lehne
alle die Aufstellungen ab, zu denen dieser Mann mich gedrängt hat. Ich glaube
einfach, daß Sie nicht die Fähigkeit besitzen, die Litteratur eines fremden Volkes
von Grund aus zu erfassen.

Aber schwer genug wird er mir freilich, dieser Glaube. Ich halte mir
Ihre geographische Auslassung vor, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
läßt; ich nehme hinzu, daß das Buch in Straßburg gedruckt ist und auf dem
Titelblatte das Verlagszeichen der Fischbacherscheu Offizin, den Straßburger
Münsterturm, trägt. Und besäße ich Ihren nervös argwöhnischen Geist, so
würde mir noch manches andre nicht recht erklärlich vorkommen. Ich würde
auffällig finden, daß elsässische Dichter einer schlechten Periode, wie Braut, so
hervorgehoben werden, während der für das Deutschtum begeisterte Candidus so
roh verunglimpft ist. Ich würde hinzufügen, daß alle Werke der deutschen
Litteratur, die im Elsaß beliebt waren und sind, in oft sehr unglücklicher Weise
heruntergerissen werden. Ich würde in einem für Franzosen geschriebenen
litterargeschichtlichen Werke die vielen Beschimpfungen nicht verstehen, denen
Preußen, das neue Deutschland und Mitglieder des deutschen Kaiserhauses aus¬
gesetzt siud. Ich würde mir nicht erklären können, wie bei der heutigen poli¬
tischen Spannung eine Französin dazu käme, einen Deutschen zu heiraten.
Kurzum, ich würde denken, daß, wie Ihr Buch nicht ungeeignet ist, in Frank¬
reich versetzend zu wirken, es sich auch in Elsaß-Lothringen allenfalls als Hetz¬
hund nicht übel gebrauchen ließe. Aber es sei ferne von mir, in einer wissen¬
schaftlichen Kritik persönliche Verdächtigungen auszusprechen. Das einzige, was
ich Ihnen vorwerfe, ist, daß Sie die zur Litteratnrgeschichtschreibung erforderliche
Reife nicht bekundet haben.

Sie halten uns für eine streitbare Nation, Herr Combes. Das sind wir. Ich
hoffe, auch diese Zeilen haben Ihnen aufs neue den Beweis dafür erbracht. Und
in diesem Sinne merken Sie sich, daß, wenn Sie noch einmal mit einen« ähn¬
lichen Gemisch von Unwissenheit, Unwahrheit und Haß vor uns treten, wir Sie
ebenso wie diesmal jämmerlich auslachen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/187>, abgerufen am 01.09.2024.