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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Hier ist in der That lächerlich gemacht, aber wer? Hält wirklich Herr
Combes seine Landsleute für so dumm, solches Zeug zu glauben? Das wäre
gleich wenig schmeichelhaft für sie und ihn. Aber wir vergessen, lieber Leser,
mit was sür einem Menschen wir es zu thun haben. Das ist ja ganz jene
Überschätzung seiner selbst und jene Verachtung aller übrigen, die der Tolle mit
dem Propheten gemein hat. Und Herr Combes hält sich ja Wohl für einen
Propheten. Ja so!

Was unser armer Kranker nur jetzt wieder hat! Er haßt, glaube ich, sogar
seine Landsleute. Er hat das Buch der Frau von Stael gelesen und ist empört
über ihre Schilderung Deutschlands. Alles verzeichnet, alles falsch! Die deutschen
Männer hat sie als treu und wahr, als träumerisch und sentimental dargestellt,
ihre Frauen sollen keusch und blond sein und einen rührenden Ton der Stimme
besitzen. Ach! wir haben es erfahren müssen, daß ihr idcalisirtes Deutschland
uns die Thatsache verborgen hat, daß die Preußen sich nicht bloß mit Musik
und Metaphysik beschäftigen! Was der Mann nicht alles mit Erfahrung prahlt!

Nun giebt es gar seit 1884 in Frankreich eine Rsvus as l'onsöiMsiuönt
ass IgnKues vivanres, welche auch der deutschen Sprache und Litteratur eine
eingehende Aufmerksamkeit zuwendet. Die Kandidaten männlichen wie weiblichen
Geschlechts, die in Paris das höhere Examen für das Deutsche ablegen wollen,
richten sich nach ihr, und sie stellt so beleidigende Aufgaben wie: Die Beziehungen
zwischen der Poesie Klopstocks und der Viktor Hugos!

Überhaupt hat das Ansehen des Deutschtums in Frankreich außerordentlich
zugenommen. Wie schwer unser Kranker darunter leidet, ist kaum zu glauben.
Wir meinen ihn zu sehen, wie er mit Händen und Füßen um sich schlägt und
Worte ausspricht, die ein Gesunder in der schlechtesten Gesellschaft nicht gebraucht.
"Die Deutschen haben Recht, uns zu verachten. Nachdem sie uns beleidigt,
geschlagen, bei uns gesengt und geplündert haben, besitzen wir die Niedrigkeit,
sie bei uns zärtlich aufzunehmen in unsre Werkstätten, Bureaus, Lyceen und
Familien! Die Toten von Gravelotte waren noch nicht unter dem Boden,
als schon Heiraten eilig eingegangen wurden. Franzosen, welche die Schande
der Übergabe und der Gefangenschaft erlitten hatten, haben sich preußische
Gattinnen beigelegt. sJch übersetze niedrige Worte mit leidlich anständigen.^
Französinnen, deren Vater im Feldlazarett) starb, haben sich durch die Hänse
und Peter verführen lassen und lebten in Schande. Das Unheil ist lächelnd
zugelassen. Die Bonnen aus Deutschland verlangen vier Mark Lohn weniger als
eine aus der Pikardie: man vertraut ihnen die Schlüssel an. Wir würden ihnen
nicht unsern Hund anvertrauen; aber wir übergeben ihnen unsre Kinder. Vier
Mark gespart... die preußischen Beamten sind dienstbarer ^als?^. Wir übergeben
ihnen unsre Kassen, die Liste unsrer Klienten, unsre Methoden, unsre Beziehungen.
Preußen hat uns durchgehauen; es lebe Preußen! Wir werden sogar unsre
Töchter zwingen, Deutsch zu lernen; sie werden sich dann vielleicht noch leichter


Lz'pe5 cle la litt^raturs aUsm!»i<Je.

Hier ist in der That lächerlich gemacht, aber wer? Hält wirklich Herr
Combes seine Landsleute für so dumm, solches Zeug zu glauben? Das wäre
gleich wenig schmeichelhaft für sie und ihn. Aber wir vergessen, lieber Leser,
mit was sür einem Menschen wir es zu thun haben. Das ist ja ganz jene
Überschätzung seiner selbst und jene Verachtung aller übrigen, die der Tolle mit
dem Propheten gemein hat. Und Herr Combes hält sich ja Wohl für einen
Propheten. Ja so!

Was unser armer Kranker nur jetzt wieder hat! Er haßt, glaube ich, sogar
seine Landsleute. Er hat das Buch der Frau von Stael gelesen und ist empört
über ihre Schilderung Deutschlands. Alles verzeichnet, alles falsch! Die deutschen
Männer hat sie als treu und wahr, als träumerisch und sentimental dargestellt,
ihre Frauen sollen keusch und blond sein und einen rührenden Ton der Stimme
besitzen. Ach! wir haben es erfahren müssen, daß ihr idcalisirtes Deutschland
uns die Thatsache verborgen hat, daß die Preußen sich nicht bloß mit Musik
und Metaphysik beschäftigen! Was der Mann nicht alles mit Erfahrung prahlt!

Nun giebt es gar seit 1884 in Frankreich eine Rsvus as l'onsöiMsiuönt
ass IgnKues vivanres, welche auch der deutschen Sprache und Litteratur eine
eingehende Aufmerksamkeit zuwendet. Die Kandidaten männlichen wie weiblichen
Geschlechts, die in Paris das höhere Examen für das Deutsche ablegen wollen,
richten sich nach ihr, und sie stellt so beleidigende Aufgaben wie: Die Beziehungen
zwischen der Poesie Klopstocks und der Viktor Hugos!

Überhaupt hat das Ansehen des Deutschtums in Frankreich außerordentlich
zugenommen. Wie schwer unser Kranker darunter leidet, ist kaum zu glauben.
Wir meinen ihn zu sehen, wie er mit Händen und Füßen um sich schlägt und
Worte ausspricht, die ein Gesunder in der schlechtesten Gesellschaft nicht gebraucht.
„Die Deutschen haben Recht, uns zu verachten. Nachdem sie uns beleidigt,
geschlagen, bei uns gesengt und geplündert haben, besitzen wir die Niedrigkeit,
sie bei uns zärtlich aufzunehmen in unsre Werkstätten, Bureaus, Lyceen und
Familien! Die Toten von Gravelotte waren noch nicht unter dem Boden,
als schon Heiraten eilig eingegangen wurden. Franzosen, welche die Schande
der Übergabe und der Gefangenschaft erlitten hatten, haben sich preußische
Gattinnen beigelegt. sJch übersetze niedrige Worte mit leidlich anständigen.^
Französinnen, deren Vater im Feldlazarett) starb, haben sich durch die Hänse
und Peter verführen lassen und lebten in Schande. Das Unheil ist lächelnd
zugelassen. Die Bonnen aus Deutschland verlangen vier Mark Lohn weniger als
eine aus der Pikardie: man vertraut ihnen die Schlüssel an. Wir würden ihnen
nicht unsern Hund anvertrauen; aber wir übergeben ihnen unsre Kinder. Vier
Mark gespart... die preußischen Beamten sind dienstbarer ^als?^. Wir übergeben
ihnen unsre Kassen, die Liste unsrer Klienten, unsre Methoden, unsre Beziehungen.
Preußen hat uns durchgehauen; es lebe Preußen! Wir werden sogar unsre
Töchter zwingen, Deutsch zu lernen; sie werden sich dann vielleicht noch leichter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/182>, abgerufen am 28.07.2024.