Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Nie Kanzlerkrisis und die Freisinnigen. gehen. Es wäre el" Kunststück gewesen, wie wenn man eine Kette aus Trieb¬ Die Kanzlerkrisis und die Freisinnigen. 6-""'>--">.??Uer Hexensabbat, welchen die fortschrittliche Presse seit dem No¬ Bisher bestand die fortschrittliche Spiegelfechterei darin, aus mehr oder Nie Kanzlerkrisis und die Freisinnigen. gehen. Es wäre el» Kunststück gewesen, wie wenn man eine Kette aus Trieb¬ Die Kanzlerkrisis und die Freisinnigen. 6-»«'>--«>.??Uer Hexensabbat, welchen die fortschrittliche Presse seit dem No¬ Bisher bestand die fortschrittliche Spiegelfechterei darin, aus mehr oder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202929"/> <fw type="header" place="top"> Nie Kanzlerkrisis und die Freisinnigen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_502" prev="#ID_501"> gehen. Es wäre el» Kunststück gewesen, wie wenn man eine Kette aus Trieb¬<lb/> sand oder wiudgejagten Wolken zu schmieden versuchen wollte. Bismarcks<lb/> Prophezeiung ist vollständig eingetroffen, dreiundzwanzig Ministerien in achtzehn<lb/> Jahren haben die Diplomatie der Republik zum Gelächter der Welt gemacht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Kanzlerkrisis und die Freisinnigen.</head><lb/> <p xml:id="ID_503"> 6-»«'>--«>.??Uer Hexensabbat, welchen die fortschrittliche Presse seit dem No¬<lb/> vember v. I. aufführt und welcher seit der Thronbesteigung des<lb/> Kaisers Friedrich in eine Walpurgisorgie ausgeartet ist, gehört<lb/> nicht dem Griffel des Geschichtschreibers an, sondern der Geißel<lb/> des Satirikers. Freilich erst für die Zukunft, denn die Gegen¬<lb/> wart macht es aus leicht begreiflichen Gründen schwer, diese Geißel zu schwingen.<lb/> Es ist etwas ganz Unerhörtes, daß eine Partei einen Regenten als den ihrigen<lb/> in Anspruch nimmt. Muß es mit Recht getadelt werden, wenn eine Partei<lb/> — wie seiner Zeit in Preußen die altkonservative — die Kvuigstreue für sich<lb/> allein in Anspruch nimmt und dies damit begründet, daß sie den König in allen<lb/> politischen Dingen unterstütze, es ist doch immerhin eine vornehmere und edlere<lb/> Gesinnung, als wenn eine Partei sich vermißt, den eben zur Regierung gelangten<lb/> Herrscher als ihren Parteigenossen mit Beschlag zu belegen. Noch verwerflicher<lb/> ist es, wenn dies in der ebenso ehnischen und geschmacklosen Weise geschieht, mit<lb/> welcher Herr Eugen Richter in der Freisinnigen Zeitung, Herr Landgerichts-<lb/> direktor Lessing in der Vossischen, Herr Rudolf Mosse im Berliner Tage¬<lb/> blatt und die anordne Demokratie der Achtundvierziger in der Volkszeitung<lb/> das neue Herrscherpaar mit ihren eignen Gesinnungen zu identifiziren suchen<lb/> und den Thron umWedeln. Es ist unmöglich und widerspricht sowohl der an-<lb/> gebornen Ehrfurcht vor dem Monarchen und seiner erlauchten Gattin wie dem<lb/> guten Geschmack, hier die Einzelheiten in der erforderlichen Form vorzutragen,<lb/> aber die Zeit wird kommen, in welcher den fortschrittlichen Agitatoren ihre<lb/> königstreue Maske heruntergerissen werden soll von Leuten, welche die Königs¬<lb/> treue im Herzen und nicht ans der Zunge tragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_504" next="#ID_505"> Bisher bestand die fortschrittliche Spiegelfechterei darin, aus mehr oder<lb/> minder verbürgten Äußerungen und Anekdoten aus dem Vorleben des Herrscher¬<lb/> paares einen Gegensatz aufzustellen zwischen der Politik des Kaisers Friedrich<lb/> und dem Reichskanzler. Schon die Thatsache, daß der neue Monarch den be¬<lb/> währten Diener seines erlauchten Vaters auch in seinem Dienste behielt, Hütte<lb/> den Herren eine gewisse Mäßigung und den erforderlichen Takt auferlegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
Nie Kanzlerkrisis und die Freisinnigen.
gehen. Es wäre el» Kunststück gewesen, wie wenn man eine Kette aus Trieb¬
sand oder wiudgejagten Wolken zu schmieden versuchen wollte. Bismarcks
Prophezeiung ist vollständig eingetroffen, dreiundzwanzig Ministerien in achtzehn
Jahren haben die Diplomatie der Republik zum Gelächter der Welt gemacht.
Die Kanzlerkrisis und die Freisinnigen.
6-»«'>--«>.??Uer Hexensabbat, welchen die fortschrittliche Presse seit dem No¬
vember v. I. aufführt und welcher seit der Thronbesteigung des
Kaisers Friedrich in eine Walpurgisorgie ausgeartet ist, gehört
nicht dem Griffel des Geschichtschreibers an, sondern der Geißel
des Satirikers. Freilich erst für die Zukunft, denn die Gegen¬
wart macht es aus leicht begreiflichen Gründen schwer, diese Geißel zu schwingen.
Es ist etwas ganz Unerhörtes, daß eine Partei einen Regenten als den ihrigen
in Anspruch nimmt. Muß es mit Recht getadelt werden, wenn eine Partei
— wie seiner Zeit in Preußen die altkonservative — die Kvuigstreue für sich
allein in Anspruch nimmt und dies damit begründet, daß sie den König in allen
politischen Dingen unterstütze, es ist doch immerhin eine vornehmere und edlere
Gesinnung, als wenn eine Partei sich vermißt, den eben zur Regierung gelangten
Herrscher als ihren Parteigenossen mit Beschlag zu belegen. Noch verwerflicher
ist es, wenn dies in der ebenso ehnischen und geschmacklosen Weise geschieht, mit
welcher Herr Eugen Richter in der Freisinnigen Zeitung, Herr Landgerichts-
direktor Lessing in der Vossischen, Herr Rudolf Mosse im Berliner Tage¬
blatt und die anordne Demokratie der Achtundvierziger in der Volkszeitung
das neue Herrscherpaar mit ihren eignen Gesinnungen zu identifiziren suchen
und den Thron umWedeln. Es ist unmöglich und widerspricht sowohl der an-
gebornen Ehrfurcht vor dem Monarchen und seiner erlauchten Gattin wie dem
guten Geschmack, hier die Einzelheiten in der erforderlichen Form vorzutragen,
aber die Zeit wird kommen, in welcher den fortschrittlichen Agitatoren ihre
königstreue Maske heruntergerissen werden soll von Leuten, welche die Königs¬
treue im Herzen und nicht ans der Zunge tragen.
Bisher bestand die fortschrittliche Spiegelfechterei darin, aus mehr oder
minder verbürgten Äußerungen und Anekdoten aus dem Vorleben des Herrscher¬
paares einen Gegensatz aufzustellen zwischen der Politik des Kaisers Friedrich
und dem Reichskanzler. Schon die Thatsache, daß der neue Monarch den be¬
währten Diener seines erlauchten Vaters auch in seinem Dienste behielt, Hütte
den Herren eine gewisse Mäßigung und den erforderlichen Takt auferlegen
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