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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Der Totentanz der Minister in Paris.

Die Maske ist hinweggezogen; was haben wir? Die finstern Mienen des
politischen Fanatikers. Und darum 474 Seiten in so glänzender Ausstattung?
Armer Mann! Krankheiten verdienen Mitleid, und die, von der dn be¬
fallen bist, das größte. Daher die Hunderte von Stellen, welche die blonde ger¬
manische Nasse verspotten sollen, welche nach einem recht schlechten Dichter mit
Freude ausrufen: "Da habt ihr eure Poesie, ihr Preußen," welche scheinbar
verschweige" und das Schlimmste treffsicher erraten lassen. Armer Mann!

Aber deine Krankheit ist zum Glück nicht unheilbar. Mag sie auch einer
unsrer größten Historiker auf eine Stufe stellen mit der, welche du so freigebig
den deutschen Romantikern vorwirfst, einzelne kommen jedenfalls davon und
werden nachher ganz vernünftig. Der erste Schritt dazu aber ist Erkenntnis.
Und damit dn sie nun -- in lichten Augenblicken -- recht erkennen und dar¬
nach behandeln mögest, will ich sie dir, dem großen Literarhistoriker, mit deut¬
schen Dichterworten schildern. Freilich muß ich diese entlehnen aus dem Ge¬
dichte des Mittelalters, über das du die Schale deines Zornes am reichlichsten
ausgegossen hast, ans dem Armen Heinrich. Aber was thuts? Nicht wahr?


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(Schluß folgt.)




Der Totentanz der Minister in Paris.

le dritte Republik der Franzosen scheint den ganzen saturninischen
Hunger der ersten zu besitze", nur in etwas andrer Gestalt. Beide
verschlingen ihre eignen Kinder bald nach der Geburt, mir sehen
wir das demokratische Ungetüm dort mit der Guillotine, hier mit
der parlamentarische" Votirmaschine fressen. Im übrigen ist
dieser unnatürliche Trieb heute derselbe wie ehedem: er setzt sich zusammen aus


Der Totentanz der Minister in Paris.

Die Maske ist hinweggezogen; was haben wir? Die finstern Mienen des
politischen Fanatikers. Und darum 474 Seiten in so glänzender Ausstattung?
Armer Mann! Krankheiten verdienen Mitleid, und die, von der dn be¬
fallen bist, das größte. Daher die Hunderte von Stellen, welche die blonde ger¬
manische Nasse verspotten sollen, welche nach einem recht schlechten Dichter mit
Freude ausrufen: „Da habt ihr eure Poesie, ihr Preußen," welche scheinbar
verschweige» und das Schlimmste treffsicher erraten lassen. Armer Mann!

Aber deine Krankheit ist zum Glück nicht unheilbar. Mag sie auch einer
unsrer größten Historiker auf eine Stufe stellen mit der, welche du so freigebig
den deutschen Romantikern vorwirfst, einzelne kommen jedenfalls davon und
werden nachher ganz vernünftig. Der erste Schritt dazu aber ist Erkenntnis.
Und damit dn sie nun — in lichten Augenblicken — recht erkennen und dar¬
nach behandeln mögest, will ich sie dir, dem großen Literarhistoriker, mit deut¬
schen Dichterworten schildern. Freilich muß ich diese entlehnen aus dem Ge¬
dichte des Mittelalters, über das du die Schale deines Zornes am reichlichsten
ausgegossen hast, ans dem Armen Heinrich. Aber was thuts? Nicht wahr?


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(Schluß folgt.)




Der Totentanz der Minister in Paris.

le dritte Republik der Franzosen scheint den ganzen saturninischen
Hunger der ersten zu besitze», nur in etwas andrer Gestalt. Beide
verschlingen ihre eignen Kinder bald nach der Geburt, mir sehen
wir das demokratische Ungetüm dort mit der Guillotine, hier mit
der parlamentarische» Votirmaschine fressen. Im übrigen ist
dieser unnatürliche Trieb heute derselbe wie ehedem: er setzt sich zusammen aus


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[0144] Der Totentanz der Minister in Paris. Die Maske ist hinweggezogen; was haben wir? Die finstern Mienen des politischen Fanatikers. Und darum 474 Seiten in so glänzender Ausstattung? Armer Mann! Krankheiten verdienen Mitleid, und die, von der dn be¬ fallen bist, das größte. Daher die Hunderte von Stellen, welche die blonde ger¬ manische Nasse verspotten sollen, welche nach einem recht schlechten Dichter mit Freude ausrufen: „Da habt ihr eure Poesie, ihr Preußen," welche scheinbar verschweige» und das Schlimmste treffsicher erraten lassen. Armer Mann! Aber deine Krankheit ist zum Glück nicht unheilbar. Mag sie auch einer unsrer größten Historiker auf eine Stufe stellen mit der, welche du so freigebig den deutschen Romantikern vorwirfst, einzelne kommen jedenfalls davon und werden nachher ganz vernünftig. Der erste Schritt dazu aber ist Erkenntnis. Und damit dn sie nun — in lichten Augenblicken — recht erkennen und dar¬ nach behandeln mögest, will ich sie dir, dem großen Literarhistoriker, mit deut¬ schen Dichterworten schildern. Freilich muß ich diese entlehnen aus dem Ge¬ dichte des Mittelalters, über das du die Schale deines Zornes am reichlichsten ausgegossen hast, ans dem Armen Heinrich. Aber was thuts? Nicht wahr? Lin svvvusmlu/. Iierüv eins vor.^venis, »w »vimmonüin triiuäo srtrnmu SIN iiscmvlu't muss« vuUsn, SIN IwIÜo >V!l1't g'itllsn. Mil svviml» viustvr ünnrssias /-vliritvll im sinsn mittun tu,s, sin trilobo?, wolt'vn und» äislc liod^In im finor sunnsn bei«. ur ssnto sioli vit hors le»,!5 ör s» MÄNSAg pro Kiucksr im müsste Ja/,on. Vorllussiwt und vor^v^/.fil wart vit odds <Ihr dito, da sin gsliurt ans I«,«. (Schluß folgt.) Der Totentanz der Minister in Paris. le dritte Republik der Franzosen scheint den ganzen saturninischen Hunger der ersten zu besitze», nur in etwas andrer Gestalt. Beide verschlingen ihre eignen Kinder bald nach der Geburt, mir sehen wir das demokratische Ungetüm dort mit der Guillotine, hier mit der parlamentarische» Votirmaschine fressen. Im übrigen ist dieser unnatürliche Trieb heute derselbe wie ehedem: er setzt sich zusammen aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/144>, abgerufen am 13.11.2024.