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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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I^pas -le I.-v indol-^eure ltNem^nde

Werden Sie nicht unwillig, lieber Herr, daß ich Ihnen mit solcher Kinder¬
geschichte komme. Denn diese Geschichte sagt sehr viel. Antworten Sie: der
Mann habe Unrecht gehabt, so zweifle ich an Ihrer pädagogischen Einsicht,
und deren guten Ruf zu retten haben Sie für später sehr notwendig. Ant¬
worten Sie: er hatte Recht, so widersprechen Sie sich.

In allem Ernst, Herr Combes: der Lehrer ist Fichte, das Kind das
deutsche Vaterland; als durch Fichtes hohe Worte gemahnt das bis aufs Blut
ausgesaugte deutsche Volk sich erhob, beging es in Ihren Augen die größte
Unbescheidenheit. Zu der hatte Fichte es gemahnt. Ich erkenne Ihre Gerech¬
tigkeit an; an Ihrem Verstände beginne ich zu zweifeln. Und Sie wackrer
Herr der galantesten aller Nationen, wohin ist Ihre Galanterie geraten, wenn
Sie zu Fichtes Worten: "Deutschland ist ein heiliges Land, ein Vaterland der
Ehre" mit Heine hinzufügen: "Ja, mich der faulen Äpfel." Bei uns werfen
nur Gassenbuben mit faulen Äpfeln; Sie scheinen es anders gewohnt zu sein.
Oder überschätze ich Ihren Beruf?

Den Geruch besagter edler Kampfesmittel bin ich die ganzen nächsten
Seiten Ihres Buches über nicht los geworden. Schnüffeln Sie Ihr Sammel¬
surium noch einmal durch, vielleicht geht es Ihnen ebenso. Sehen Sie, da
kriegt die deutsche Vaterlandsliebe wieder einen, und da das deutsche Gemüt.
Diese Geschosse sind viel treffender als die meisten Ihrer Urteile; warten Sie,
da ich doch einmal diesem gesegneten Lande angehöre, ich will im Hause herum-
fragcn, ob sich nicht noch eine Kiste davon auftreiben läßt. Und wenn Sie
recht brav sind, erhalten Sie diesen Herbst wieder eine.

Doch, Herr Combes, durch die angeführte Anmerkung haben Sie mir zu
einer Entdeckung verholfen, für die Sie sich selbst dankbar sein werden. Womit
kämpfen denn Sie wackrer Schütze? In der That mit uusern Geschossen. Was
nur ein deutscher Schriftsteller böses von uns sagt, sagen Sie gewiß auch. El
el! lieber Herr; Sie schreiben eine Refvrmlitteraturgeschichte mit fremden Zi¬
taten! Nun gut, mustern wir einmal Ihr Arsenal. Wenn Sie weiter nichts
als Vilmnr und Scherr haben, so finde ich Ihre Waffen ein wenig stark ver¬
rostet. Aber nein, er hat auch Stern und sogar eine ältere Auflage von König;
was braucht man mehr? Höchstens noch die veraltete Litteraturgeschichte in
französischer Sprache von Heinrich.

Herr Combes, vergönnen Sie mir einige Augenblicke der Erholung. Vor
diesen Feldgeschützen ist mir angst und bange geworden. Und ich bin froh, daß
Sie auch leichtere Waffen führen. Durch Ihr ganzes Buch zieht sich ein Faden
schöner Versehen, deutscher und französischer, die entweder von Natur spöttisch
sind oder so benutzt werden. Wie trefflich, wenn in der Inhaltsangabe des
Armen Heinrich, wo von der Unschuld des Mädchens die Rede ist, eingefügt wird:


U'uno litis öoorvlisv UMli^no^-vous I" ps",u
tondo ouinus vt doues luwkwts.

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Werden Sie nicht unwillig, lieber Herr, daß ich Ihnen mit solcher Kinder¬
geschichte komme. Denn diese Geschichte sagt sehr viel. Antworten Sie: der
Mann habe Unrecht gehabt, so zweifle ich an Ihrer pädagogischen Einsicht,
und deren guten Ruf zu retten haben Sie für später sehr notwendig. Ant¬
worten Sie: er hatte Recht, so widersprechen Sie sich.

In allem Ernst, Herr Combes: der Lehrer ist Fichte, das Kind das
deutsche Vaterland; als durch Fichtes hohe Worte gemahnt das bis aufs Blut
ausgesaugte deutsche Volk sich erhob, beging es in Ihren Augen die größte
Unbescheidenheit. Zu der hatte Fichte es gemahnt. Ich erkenne Ihre Gerech¬
tigkeit an; an Ihrem Verstände beginne ich zu zweifeln. Und Sie wackrer
Herr der galantesten aller Nationen, wohin ist Ihre Galanterie geraten, wenn
Sie zu Fichtes Worten: „Deutschland ist ein heiliges Land, ein Vaterland der
Ehre" mit Heine hinzufügen: „Ja, mich der faulen Äpfel." Bei uns werfen
nur Gassenbuben mit faulen Äpfeln; Sie scheinen es anders gewohnt zu sein.
Oder überschätze ich Ihren Beruf?

Den Geruch besagter edler Kampfesmittel bin ich die ganzen nächsten
Seiten Ihres Buches über nicht los geworden. Schnüffeln Sie Ihr Sammel¬
surium noch einmal durch, vielleicht geht es Ihnen ebenso. Sehen Sie, da
kriegt die deutsche Vaterlandsliebe wieder einen, und da das deutsche Gemüt.
Diese Geschosse sind viel treffender als die meisten Ihrer Urteile; warten Sie,
da ich doch einmal diesem gesegneten Lande angehöre, ich will im Hause herum-
fragcn, ob sich nicht noch eine Kiste davon auftreiben läßt. Und wenn Sie
recht brav sind, erhalten Sie diesen Herbst wieder eine.

Doch, Herr Combes, durch die angeführte Anmerkung haben Sie mir zu
einer Entdeckung verholfen, für die Sie sich selbst dankbar sein werden. Womit
kämpfen denn Sie wackrer Schütze? In der That mit uusern Geschossen. Was
nur ein deutscher Schriftsteller böses von uns sagt, sagen Sie gewiß auch. El
el! lieber Herr; Sie schreiben eine Refvrmlitteraturgeschichte mit fremden Zi¬
taten! Nun gut, mustern wir einmal Ihr Arsenal. Wenn Sie weiter nichts
als Vilmnr und Scherr haben, so finde ich Ihre Waffen ein wenig stark ver¬
rostet. Aber nein, er hat auch Stern und sogar eine ältere Auflage von König;
was braucht man mehr? Höchstens noch die veraltete Litteraturgeschichte in
französischer Sprache von Heinrich.

Herr Combes, vergönnen Sie mir einige Augenblicke der Erholung. Vor
diesen Feldgeschützen ist mir angst und bange geworden. Und ich bin froh, daß
Sie auch leichtere Waffen führen. Durch Ihr ganzes Buch zieht sich ein Faden
schöner Versehen, deutscher und französischer, die entweder von Natur spöttisch
sind oder so benutzt werden. Wie trefflich, wenn in der Inhaltsangabe des
Armen Heinrich, wo von der Unschuld des Mädchens die Rede ist, eingefügt wird:


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tondo ouinus vt doues luwkwts.

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[0141] I^pas -le I.-v indol-^eure ltNem^nde Werden Sie nicht unwillig, lieber Herr, daß ich Ihnen mit solcher Kinder¬ geschichte komme. Denn diese Geschichte sagt sehr viel. Antworten Sie: der Mann habe Unrecht gehabt, so zweifle ich an Ihrer pädagogischen Einsicht, und deren guten Ruf zu retten haben Sie für später sehr notwendig. Ant¬ worten Sie: er hatte Recht, so widersprechen Sie sich. In allem Ernst, Herr Combes: der Lehrer ist Fichte, das Kind das deutsche Vaterland; als durch Fichtes hohe Worte gemahnt das bis aufs Blut ausgesaugte deutsche Volk sich erhob, beging es in Ihren Augen die größte Unbescheidenheit. Zu der hatte Fichte es gemahnt. Ich erkenne Ihre Gerech¬ tigkeit an; an Ihrem Verstände beginne ich zu zweifeln. Und Sie wackrer Herr der galantesten aller Nationen, wohin ist Ihre Galanterie geraten, wenn Sie zu Fichtes Worten: „Deutschland ist ein heiliges Land, ein Vaterland der Ehre" mit Heine hinzufügen: „Ja, mich der faulen Äpfel." Bei uns werfen nur Gassenbuben mit faulen Äpfeln; Sie scheinen es anders gewohnt zu sein. Oder überschätze ich Ihren Beruf? Den Geruch besagter edler Kampfesmittel bin ich die ganzen nächsten Seiten Ihres Buches über nicht los geworden. Schnüffeln Sie Ihr Sammel¬ surium noch einmal durch, vielleicht geht es Ihnen ebenso. Sehen Sie, da kriegt die deutsche Vaterlandsliebe wieder einen, und da das deutsche Gemüt. Diese Geschosse sind viel treffender als die meisten Ihrer Urteile; warten Sie, da ich doch einmal diesem gesegneten Lande angehöre, ich will im Hause herum- fragcn, ob sich nicht noch eine Kiste davon auftreiben läßt. Und wenn Sie recht brav sind, erhalten Sie diesen Herbst wieder eine. Doch, Herr Combes, durch die angeführte Anmerkung haben Sie mir zu einer Entdeckung verholfen, für die Sie sich selbst dankbar sein werden. Womit kämpfen denn Sie wackrer Schütze? In der That mit uusern Geschossen. Was nur ein deutscher Schriftsteller böses von uns sagt, sagen Sie gewiß auch. El el! lieber Herr; Sie schreiben eine Refvrmlitteraturgeschichte mit fremden Zi¬ taten! Nun gut, mustern wir einmal Ihr Arsenal. Wenn Sie weiter nichts als Vilmnr und Scherr haben, so finde ich Ihre Waffen ein wenig stark ver¬ rostet. Aber nein, er hat auch Stern und sogar eine ältere Auflage von König; was braucht man mehr? Höchstens noch die veraltete Litteraturgeschichte in französischer Sprache von Heinrich. Herr Combes, vergönnen Sie mir einige Augenblicke der Erholung. Vor diesen Feldgeschützen ist mir angst und bange geworden. Und ich bin froh, daß Sie auch leichtere Waffen führen. Durch Ihr ganzes Buch zieht sich ein Faden schöner Versehen, deutscher und französischer, die entweder von Natur spöttisch sind oder so benutzt werden. Wie trefflich, wenn in der Inhaltsangabe des Armen Heinrich, wo von der Unschuld des Mädchens die Rede ist, eingefügt wird: U'uno litis öoorvlisv UMli^no^-vous I» ps«,u tondo ouinus vt doues luwkwts.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/141>, abgerufen am 27.07.2024.