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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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einem an den Leser dies Buch anzeige, wem verdanke ich es als Ihrem starken
Mute, den auch die ungeheure Schwierigkeit der Aufgabe nicht wanken ge¬
macht hat!

Aber, lieber Herr, ich bin nur ein Deutscher. Sie haben zu gut die
deutschen Schwächen erkannt, um mir eine kleine nicht zu gute zu halten. Ich
gestehe sie auch von vornherein ein, damit mir nachher von einem so gestrengen
Richter, wie Sie sind, kein Vorwurf daraus gemacht wird. Und doch bin ich
zaghaft. Soll ich oder soll ich nicht? Aber nur ganz im Vertrauen, lieber
Herr Combes: ich kann ohne etwas, was bei Ihrem geistreichen Buche freilich
nicht so nötig war, niemals auskommen. Selbst bei der kleinsten Rezension
drängt sich dies Etwas störend auf; ob ich will oder nicht will, es verlangt
sein Recht. Nicht wahr, Sie sind ein Mann und sagen es nicht weiter? Unter
dieser Bedingung also hören Sie: Ich muß, was ich auch schreibe, eine klare
und stramme Einleitung durchführen. Werden Sie mir verzeihen, wenn ich
selbst in diesen Briefen davon Gebrauch mache?

Ich will also handeln: 1. Von der Art der Darstellung Ihres Buches.
2. Von Ihrer litterarischen Polemik. 3. Von allerhand nebcnhcrlaufender Po¬
lemik. 4. Von dem moralischen und intellektuellen Werte des Herrn Combes. Und
nun erlauben Sie mir, ohne weitere Umschweife meinen ersten Teil zu beginnen.

Erster Brief.
von der Art der Darstellung Ihres Buches.

Ich schlage die Nibelungen auf. Ihre Inhaltsangabe ist umfassend und
im wesentlichen richtig; Vilmar hat sie im Deutschen kaum besser fertig gebracht.
Und doch ist mir dabei zu Mute, als ob dem urdeutschen Stoffe das welsche
Gewand schlecht stehe. Sie wissen, was schon Heine gesagt hat, daß Franzosen
sich von der Größe dieser Dichtung eigentlich gar keine rechte Vorstellung machen
könnten.

Sie lächeln kühl und achselzuckend. Sie ziehen sich auf Ihren höhern,
internationalen Standpunkt zurück, daß man alles übersetzen könne; was nicht
wiederzugeben sei, das sei eben das eigentümlich Tüdeske und nichts wert. Ich
bin entgegengesetzter Ansicht. Ich halte dafür, daß Sie bis jetzt "och keine er¬
trägliche Übersetzung der Nibelungen haben und wahrscheinlich in der nächsten
Zeit anch keine bekommen werden. Ich gehe noch weiter vnd behaupte, daß
schon Ihre Inhaltsangabe manches nicht wiedergegeben hat, was in Ihrer
Sprache sehr wohl wiederzugeben gewesen wäre. Sie wollen ein Beispiel? Mit
Freuden. Als Ule ihrer Tochter Kriemhild den Traum auslegt, der Falke sei
ein edler Mann, ihr zum Gatten bestimmt, den sie aber leider bald verlieren
werde, da weicht diese in jungfräulicher Scheu zurück. "Was redet Ihr mir
von einem Manne, vielliebc Mutter mein? Ohne Neckenliebe will ich immer
sein." Was machen Sie daraus? Sie lassen sie mit kalter Überlegung sagen:


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einem an den Leser dies Buch anzeige, wem verdanke ich es als Ihrem starken
Mute, den auch die ungeheure Schwierigkeit der Aufgabe nicht wanken ge¬
macht hat!

Aber, lieber Herr, ich bin nur ein Deutscher. Sie haben zu gut die
deutschen Schwächen erkannt, um mir eine kleine nicht zu gute zu halten. Ich
gestehe sie auch von vornherein ein, damit mir nachher von einem so gestrengen
Richter, wie Sie sind, kein Vorwurf daraus gemacht wird. Und doch bin ich
zaghaft. Soll ich oder soll ich nicht? Aber nur ganz im Vertrauen, lieber
Herr Combes: ich kann ohne etwas, was bei Ihrem geistreichen Buche freilich
nicht so nötig war, niemals auskommen. Selbst bei der kleinsten Rezension
drängt sich dies Etwas störend auf; ob ich will oder nicht will, es verlangt
sein Recht. Nicht wahr, Sie sind ein Mann und sagen es nicht weiter? Unter
dieser Bedingung also hören Sie: Ich muß, was ich auch schreibe, eine klare
und stramme Einleitung durchführen. Werden Sie mir verzeihen, wenn ich
selbst in diesen Briefen davon Gebrauch mache?

Ich will also handeln: 1. Von der Art der Darstellung Ihres Buches.
2. Von Ihrer litterarischen Polemik. 3. Von allerhand nebcnhcrlaufender Po¬
lemik. 4. Von dem moralischen und intellektuellen Werte des Herrn Combes. Und
nun erlauben Sie mir, ohne weitere Umschweife meinen ersten Teil zu beginnen.

Erster Brief.
von der Art der Darstellung Ihres Buches.

Ich schlage die Nibelungen auf. Ihre Inhaltsangabe ist umfassend und
im wesentlichen richtig; Vilmar hat sie im Deutschen kaum besser fertig gebracht.
Und doch ist mir dabei zu Mute, als ob dem urdeutschen Stoffe das welsche
Gewand schlecht stehe. Sie wissen, was schon Heine gesagt hat, daß Franzosen
sich von der Größe dieser Dichtung eigentlich gar keine rechte Vorstellung machen
könnten.

Sie lächeln kühl und achselzuckend. Sie ziehen sich auf Ihren höhern,
internationalen Standpunkt zurück, daß man alles übersetzen könne; was nicht
wiederzugeben sei, das sei eben das eigentümlich Tüdeske und nichts wert. Ich
bin entgegengesetzter Ansicht. Ich halte dafür, daß Sie bis jetzt «och keine er¬
trägliche Übersetzung der Nibelungen haben und wahrscheinlich in der nächsten
Zeit anch keine bekommen werden. Ich gehe noch weiter vnd behaupte, daß
schon Ihre Inhaltsangabe manches nicht wiedergegeben hat, was in Ihrer
Sprache sehr wohl wiederzugeben gewesen wäre. Sie wollen ein Beispiel? Mit
Freuden. Als Ule ihrer Tochter Kriemhild den Traum auslegt, der Falke sei
ein edler Mann, ihr zum Gatten bestimmt, den sie aber leider bald verlieren
werde, da weicht diese in jungfräulicher Scheu zurück. „Was redet Ihr mir
von einem Manne, vielliebc Mutter mein? Ohne Neckenliebe will ich immer
sein." Was machen Sie daraus? Sie lassen sie mit kalter Überlegung sagen:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/134>, abgerufen am 13.11.2024.