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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Anfänge der Heere5reform in Preußen ^307 und ^803.

Stellung des Schuldigen hinausliefen, mußte beseitigt werden. Scharnhorst und
seine Freunde stellten bei den Vorschlägen, die sie in Bezug auf die Offizier¬
strafen machten, die Zucht der Korporation in den Vordergrund und hatten
die Freude, daß die betreffende Verordnung in ihrem Sinne erlassen wurde.
Jedes Offizierkorps wurde befugt, ein Ehrengericht zu bilden, und anderseits
hatte jeder Offizier das Recht, die Berufung eines solchen zu verlangen. Was
durch diese Selbstzucht des Offizierkorps erreicht werdeu sollte, ist in der Ver¬
ordnung mit folgenden Worten schön gesagt: "Wenn die Offiziere eines Re¬
giments sich wechselseitig unter einander sorgsam bewachen, die ältern Offiziere
ihre jüngern Kameraden bei Zeiten warnen, die pünktliche Ausführung jeder
übertragenen Dienstpflicht zur Ehrensache gemacht und der gute Ruf des ganzen
Offizierkorps als der Anteil jedes Einzelnen angesehen wird, dessen Schmälerung
nicht zu gestatten der Ehrgeiz eines jeden Mitgliedes des Offizierkorps sein
muß, so wird der höhere Vorgesetzte sich selten in der unangenehmen Not¬
wendigkeit befinden, Männer, deren Stand und Bildung sie eines äußern An¬
triebes zur Pflichterfüllung entheben sollte, mit Strafen belegen zu müssen."

Auch eine Änderung im Belohnungswesen wurde angebahnt. Von größter
Tragweite aber waren die Reformen, welche Scharnhorst auf dem Gebiete der
Militärverwaltung plante. Ursprünglich hatten allein die Obersten, mit welchen
der Kriegsherr eine sogenannte Kapitulation abzuschließen Pflegte, dafür zu
sorgen gehabt, daß die einzelnen Truppenteile vollständig waren, auch hatte in
ihren Händen die ganze Gerichtsbarkeit über die Truppen gelegen. Allmählich
war aber eine Änderung dieses Verhältnisses eingetreten; die einst so überaus
selbständige Stellung des Obersten war verloren gegangen, indem der Kriegsherr
unmittelbare Fühlung mit seinem Heere gewonnen hatte. Unter Friedrich dem
Großen war 1746 aus dem Gencraldirektorium, der Zentralbehörde des Staates,
eine für die Bedürfnisse des Heeres bestimmte Abteilung, das Militärdepartement,
abgezweigt worden. Derselbe Monarch hatte dann nach dem siebenjährigen
Kriege mehrere Regimenter zu sogenannten Inspektionen zusammengefaßt, "deren
Chefs, Generalinspekteure genannt, ihm fortan über Rekrutirung, Werbung,
Avancement, Urlaubs- und Heiratsgesuche u. dergl. zu berichten hatten."
Während alle diese Angelegenheiten von Friedrich dem Großen persönlich und
unmittelbar erledigt worden waren, hatte sein Nachfolger, der über eine so ge¬
waltige Arbeitskraft nicht verfügte, 1787 zwar eine militärische Zentralbehörde
geschaffen, das "Oberkriegskollegium," aber diesem die Generalinspektion nicht
untergeordnet und auch nicht das mit dem Generaldirektorium in Verbindung
stehende Militärdepartement beseitigt. 1796 wurden dann noch die Rechte des
Oberkriegskollegiums bedeutend vermindert und die Zahl seiner Departements
auf drei beschränkt. Wie wenig aber dieser sehr verwickelte Mechanismus
brauchbar war, erhellt zur Genüge aus den zahllosen Kompetenzstreitigkeiten;
er leistete so gut wie gar nichts. Verzeichnisse der aktiven Offiziere, der be-


Die Anfänge der Heere5reform in Preußen ^307 und ^803.

Stellung des Schuldigen hinausliefen, mußte beseitigt werden. Scharnhorst und
seine Freunde stellten bei den Vorschlägen, die sie in Bezug auf die Offizier¬
strafen machten, die Zucht der Korporation in den Vordergrund und hatten
die Freude, daß die betreffende Verordnung in ihrem Sinne erlassen wurde.
Jedes Offizierkorps wurde befugt, ein Ehrengericht zu bilden, und anderseits
hatte jeder Offizier das Recht, die Berufung eines solchen zu verlangen. Was
durch diese Selbstzucht des Offizierkorps erreicht werdeu sollte, ist in der Ver¬
ordnung mit folgenden Worten schön gesagt: „Wenn die Offiziere eines Re¬
giments sich wechselseitig unter einander sorgsam bewachen, die ältern Offiziere
ihre jüngern Kameraden bei Zeiten warnen, die pünktliche Ausführung jeder
übertragenen Dienstpflicht zur Ehrensache gemacht und der gute Ruf des ganzen
Offizierkorps als der Anteil jedes Einzelnen angesehen wird, dessen Schmälerung
nicht zu gestatten der Ehrgeiz eines jeden Mitgliedes des Offizierkorps sein
muß, so wird der höhere Vorgesetzte sich selten in der unangenehmen Not¬
wendigkeit befinden, Männer, deren Stand und Bildung sie eines äußern An¬
triebes zur Pflichterfüllung entheben sollte, mit Strafen belegen zu müssen."

Auch eine Änderung im Belohnungswesen wurde angebahnt. Von größter
Tragweite aber waren die Reformen, welche Scharnhorst auf dem Gebiete der
Militärverwaltung plante. Ursprünglich hatten allein die Obersten, mit welchen
der Kriegsherr eine sogenannte Kapitulation abzuschließen Pflegte, dafür zu
sorgen gehabt, daß die einzelnen Truppenteile vollständig waren, auch hatte in
ihren Händen die ganze Gerichtsbarkeit über die Truppen gelegen. Allmählich
war aber eine Änderung dieses Verhältnisses eingetreten; die einst so überaus
selbständige Stellung des Obersten war verloren gegangen, indem der Kriegsherr
unmittelbare Fühlung mit seinem Heere gewonnen hatte. Unter Friedrich dem
Großen war 1746 aus dem Gencraldirektorium, der Zentralbehörde des Staates,
eine für die Bedürfnisse des Heeres bestimmte Abteilung, das Militärdepartement,
abgezweigt worden. Derselbe Monarch hatte dann nach dem siebenjährigen
Kriege mehrere Regimenter zu sogenannten Inspektionen zusammengefaßt, „deren
Chefs, Generalinspekteure genannt, ihm fortan über Rekrutirung, Werbung,
Avancement, Urlaubs- und Heiratsgesuche u. dergl. zu berichten hatten."
Während alle diese Angelegenheiten von Friedrich dem Großen persönlich und
unmittelbar erledigt worden waren, hatte sein Nachfolger, der über eine so ge¬
waltige Arbeitskraft nicht verfügte, 1787 zwar eine militärische Zentralbehörde
geschaffen, das „Oberkriegskollegium," aber diesem die Generalinspektion nicht
untergeordnet und auch nicht das mit dem Generaldirektorium in Verbindung
stehende Militärdepartement beseitigt. 1796 wurden dann noch die Rechte des
Oberkriegskollegiums bedeutend vermindert und die Zahl seiner Departements
auf drei beschränkt. Wie wenig aber dieser sehr verwickelte Mechanismus
brauchbar war, erhellt zur Genüge aus den zahllosen Kompetenzstreitigkeiten;
er leistete so gut wie gar nichts. Verzeichnisse der aktiven Offiziere, der be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/119>, abgerufen am 01.09.2024.