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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur.

Moral aufstellen, derart, daß man der semitischen Moral eine tiefere Stellung an¬
weist. Denn gemeinsame Züge der Sittenlehren der Arier sind nicht vorhanden;
man kann nicht einmal von einer spezifisch germanischen Moral reden, nachdem das
deutsche Volk über tausend Jahre lang nnter dem Einflüsse der biblischen Sittenlehre
gestanden hat, man kann endlich auch nicht behaupten, daß die semitische Moral einen
tiefern Standpunkt eingenommen habe, wenn man unterscheidet zwischen dem wert¬
vollen Kerne desselben, der zum Christentume übergeleitet hat, und der Entartung,
die bereits in den biblischen Büchern bekämpft wird und die später zum Talmud
und dem Schulchan Armes geführt hat. Das thut aber der Verfasser nicht, viel¬
mehr führt er das Alte Testament als Beweis für den geringen Wert der semi¬
tischen Moral an, indem er die einzelnen Vergehen, Unzucht, Blutschande, Mord,
Raub, Wucher. Verrat u. s. w,, summirt und dann fortfährt: "Diese 380 Stellen,
welche größtenteils einzelne Verse bezeichnen, aber im übrigen anch teilweise ganze
Kapitel umfassen, sind weit entfernt davon, erschöpfend zu sein. Sie genügen aber
schon, zu erweisen, Woher die bedenkliche Moral stammt, welche im Talmud und im
Schulchan Aruch ausführlicher bearbeitet worden ist." Diese Anschauung hat eine
völlige Unkenntnis der Sachlage zur Voraussetzung.

Im übrigen besteht der Hauptteil des Buches ans einer Zusammenstellung
mehr oder weniger bekannter Aussprüche und Geschichten über die Unmoral der
Juden, welche wohl geeignet sind, gegen sie Stimmung zu machen, aber nicht als
Beweismittel zu dienen. Den Schluß bilden Vorschläge, wie zu einer Verstän¬
digung zu gelangen wäre. Es wird von der Judenschaft gefordert, daß sie aus
einem durch den Staat veranlaßten Sanhedrin den Schulchan Armes verbannen
oder verbessern, daß sie sich zur Arbeit bequemen, keine christlichen Arbeiterinnen
verwenden, daß sie durch Mischehen sich mit deu Christen verschmelzen und ihre
unangenehmen Eigenheiten ablegen solle. Sehr schön. Aber wenn der Jude aus
seiner Haut herauskönnte, so hätten wir eben die Judenfrage nicht. Ferner: der
Staat soll nach der Meinung des Verfassers bei den angeführten Punkten fördernd
eingreifen, das bewegliche Vermögen der Jude" besteuern, alle Spielgeschäfte be¬
strafen, dem jüdischen Eide eine untergeordnete Bedeutung zuweisen, die Verleitung
zu Gesetzwidrigkeiten und den Nutzen aus ihnen streng bestrafen, die Einwanderung
und Nationalisirung der Juden erschweren n. s. w. Jede Benutzung des christ¬
lichen Gottesnamens zu Beteuerungen, Lügen u. s. w. soll als Gotteslästerung
gelten, jeder Versuch der Rabbiner, Strafgewalt in der Gemeinde zu üben, soll
verboten sein, die Anwendung der jüdischen Erbgesetze soll strafrechtlich verfolgt
werden. Alle Reichs- und Staatsanleihen follen durch Verteilung über sämtliche
wohlhabende Staatsbürger im Verhältnis ihres Vermögens aufgebracht werden.

Nein, so kann die Sache nicht gemacht werden.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Litteratur.

Moral aufstellen, derart, daß man der semitischen Moral eine tiefere Stellung an¬
weist. Denn gemeinsame Züge der Sittenlehren der Arier sind nicht vorhanden;
man kann nicht einmal von einer spezifisch germanischen Moral reden, nachdem das
deutsche Volk über tausend Jahre lang nnter dem Einflüsse der biblischen Sittenlehre
gestanden hat, man kann endlich auch nicht behaupten, daß die semitische Moral einen
tiefern Standpunkt eingenommen habe, wenn man unterscheidet zwischen dem wert¬
vollen Kerne desselben, der zum Christentume übergeleitet hat, und der Entartung,
die bereits in den biblischen Büchern bekämpft wird und die später zum Talmud
und dem Schulchan Armes geführt hat. Das thut aber der Verfasser nicht, viel¬
mehr führt er das Alte Testament als Beweis für den geringen Wert der semi¬
tischen Moral an, indem er die einzelnen Vergehen, Unzucht, Blutschande, Mord,
Raub, Wucher. Verrat u. s. w,, summirt und dann fortfährt: „Diese 380 Stellen,
welche größtenteils einzelne Verse bezeichnen, aber im übrigen anch teilweise ganze
Kapitel umfassen, sind weit entfernt davon, erschöpfend zu sein. Sie genügen aber
schon, zu erweisen, Woher die bedenkliche Moral stammt, welche im Talmud und im
Schulchan Aruch ausführlicher bearbeitet worden ist." Diese Anschauung hat eine
völlige Unkenntnis der Sachlage zur Voraussetzung.

Im übrigen besteht der Hauptteil des Buches ans einer Zusammenstellung
mehr oder weniger bekannter Aussprüche und Geschichten über die Unmoral der
Juden, welche wohl geeignet sind, gegen sie Stimmung zu machen, aber nicht als
Beweismittel zu dienen. Den Schluß bilden Vorschläge, wie zu einer Verstän¬
digung zu gelangen wäre. Es wird von der Judenschaft gefordert, daß sie aus
einem durch den Staat veranlaßten Sanhedrin den Schulchan Armes verbannen
oder verbessern, daß sie sich zur Arbeit bequemen, keine christlichen Arbeiterinnen
verwenden, daß sie durch Mischehen sich mit deu Christen verschmelzen und ihre
unangenehmen Eigenheiten ablegen solle. Sehr schön. Aber wenn der Jude aus
seiner Haut herauskönnte, so hätten wir eben die Judenfrage nicht. Ferner: der
Staat soll nach der Meinung des Verfassers bei den angeführten Punkten fördernd
eingreifen, das bewegliche Vermögen der Jude» besteuern, alle Spielgeschäfte be¬
strafen, dem jüdischen Eide eine untergeordnete Bedeutung zuweisen, die Verleitung
zu Gesetzwidrigkeiten und den Nutzen aus ihnen streng bestrafen, die Einwanderung
und Nationalisirung der Juden erschweren n. s. w. Jede Benutzung des christ¬
lichen Gottesnamens zu Beteuerungen, Lügen u. s. w. soll als Gotteslästerung
gelten, jeder Versuch der Rabbiner, Strafgewalt in der Gemeinde zu üben, soll
verboten sein, die Anwendung der jüdischen Erbgesetze soll strafrechtlich verfolgt
werden. Alle Reichs- und Staatsanleihen follen durch Verteilung über sämtliche
wohlhabende Staatsbürger im Verhältnis ihres Vermögens aufgebracht werden.

Nein, so kann die Sache nicht gemacht werden.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0672] Litteratur. Moral aufstellen, derart, daß man der semitischen Moral eine tiefere Stellung an¬ weist. Denn gemeinsame Züge der Sittenlehren der Arier sind nicht vorhanden; man kann nicht einmal von einer spezifisch germanischen Moral reden, nachdem das deutsche Volk über tausend Jahre lang nnter dem Einflüsse der biblischen Sittenlehre gestanden hat, man kann endlich auch nicht behaupten, daß die semitische Moral einen tiefern Standpunkt eingenommen habe, wenn man unterscheidet zwischen dem wert¬ vollen Kerne desselben, der zum Christentume übergeleitet hat, und der Entartung, die bereits in den biblischen Büchern bekämpft wird und die später zum Talmud und dem Schulchan Armes geführt hat. Das thut aber der Verfasser nicht, viel¬ mehr führt er das Alte Testament als Beweis für den geringen Wert der semi¬ tischen Moral an, indem er die einzelnen Vergehen, Unzucht, Blutschande, Mord, Raub, Wucher. Verrat u. s. w,, summirt und dann fortfährt: „Diese 380 Stellen, welche größtenteils einzelne Verse bezeichnen, aber im übrigen anch teilweise ganze Kapitel umfassen, sind weit entfernt davon, erschöpfend zu sein. Sie genügen aber schon, zu erweisen, Woher die bedenkliche Moral stammt, welche im Talmud und im Schulchan Aruch ausführlicher bearbeitet worden ist." Diese Anschauung hat eine völlige Unkenntnis der Sachlage zur Voraussetzung. Im übrigen besteht der Hauptteil des Buches ans einer Zusammenstellung mehr oder weniger bekannter Aussprüche und Geschichten über die Unmoral der Juden, welche wohl geeignet sind, gegen sie Stimmung zu machen, aber nicht als Beweismittel zu dienen. Den Schluß bilden Vorschläge, wie zu einer Verstän¬ digung zu gelangen wäre. Es wird von der Judenschaft gefordert, daß sie aus einem durch den Staat veranlaßten Sanhedrin den Schulchan Armes verbannen oder verbessern, daß sie sich zur Arbeit bequemen, keine christlichen Arbeiterinnen verwenden, daß sie durch Mischehen sich mit deu Christen verschmelzen und ihre unangenehmen Eigenheiten ablegen solle. Sehr schön. Aber wenn der Jude aus seiner Haut herauskönnte, so hätten wir eben die Judenfrage nicht. Ferner: der Staat soll nach der Meinung des Verfassers bei den angeführten Punkten fördernd eingreifen, das bewegliche Vermögen der Jude» besteuern, alle Spielgeschäfte be¬ strafen, dem jüdischen Eide eine untergeordnete Bedeutung zuweisen, die Verleitung zu Gesetzwidrigkeiten und den Nutzen aus ihnen streng bestrafen, die Einwanderung und Nationalisirung der Juden erschweren n. s. w. Jede Benutzung des christ¬ lichen Gottesnamens zu Beteuerungen, Lügen u. s. w. soll als Gotteslästerung gelten, jeder Versuch der Rabbiner, Strafgewalt in der Gemeinde zu üben, soll verboten sein, die Anwendung der jüdischen Erbgesetze soll strafrechtlich verfolgt werden. Alle Reichs- und Staatsanleihen follen durch Verteilung über sämtliche wohlhabende Staatsbürger im Verhältnis ihres Vermögens aufgebracht werden. Nein, so kann die Sache nicht gemacht werden. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig. Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/672>, abgerufen am 28.09.2024.