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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der Regierungswechsel und der Friede,

gebung des Regierungsblattes besonders angesichts des Manifestes und Erlasses
Kaiser Friedrichs einen endgiltigen Schritt zur Annäherung Rußlands an Deutsch¬
land. Damit ist aber in keiner Weise die Möglichkeit einer Abwendung des letztem
von Österreich in Verbindung zu bringen. Wer an der Festigkeit des Friedeus-
bündnisses zweifeln konnte, welches den Doppelstaat des Donaubeckens mit
dem deutschen Reiche verknüpft, der ist durch die Telegramme, welche Fürst
Bismarck und der leitende Staatsmann Österreich-Ungarns aus Anlaß des
Hinscheidens Kaiser Wilhelms mit einander austauschten, über seinen Irrtum
in einer Weise aufgeklärt worden, die keinerlei Täuschung mehr gestattet. Bismarck
versicherte Kalnoky bei dieser Gelegenheit, es sei ein erhebender Trost, wenn
man bei der letzten Trauer erkannt habe, wie tiefe Wurzeln die Freundschaft
der beiden Monarchen in den Sympathien der Völker des engverbündeten
Nachbarreiches geschlagen habe, wobei er allerdings nur an die beiden Haupt-
stämme, die Deutschen und die Magyaren, nicht an die Tschechen und Polen,
denken konnte. Der spontane und lebhafte Ausdruck der Teilnahme an dem
Verluste, den Deutschland erlitten habe, bekunde aufs neue die Stärke der
Freundschaftsbande, welche die Völker beider Reichshälften mit einander ver¬
bünden, und welche unzerreißbar seien, da sie mehr noch als auf geschriebenen
Verträgen auf der unerschütterlichen Grundlage der Gleichheit der Interessen,
Überlieferungen und Gesinnungen der Völker beruhten. Der österreichische Mi¬
nister entgegnete hierauf, er habe das Telegramm des deutschen Reichskanzlers,
das der herzlichen Teilnahme der Österreicher und Ungarn so warm gedenke,
mit Dank und aufrichtiger Genugthuung empfangen. Es sei von hoher Be¬
deutung für die beiden Nachbarreiche und thatsächlich ein erhebender Trost für
die Zukunft, daß der aus der Weisheit und innigen Freundschaft der beiden
um die Wohlfahrt ihrer Völker so besorgten Herrscher hervorgegangene Bund
zwischeu den beiden Reichen in wenigen Jahren in den Herzen der Bevölkerung
so tief und fest gewurzelt sei, daß heute die schmerzlichen Empfindungen der
deutschen Nation einen solchen Wiederhall in allen Teilen Österreich-Ungarns
erweckten. Fest und unverbrüchlich wie die Dynastien würden auch die Völker
beider Reichsteile zu einander stehen, einig in der Überzeugung, daß die Bande
der Freundschaft, die für den Frieden geschlungen worden seien, jedwede Probe
aushalten würden, in der Zukunft so wie heute. Mit vollem Vertrauen erkenne
Österreich-Ungarn in dem Kaiser Friedrich, dem erlauchten würdigen Nachfolger
des hohen Verblichenen, einen nicht minder warmen Freund seines Monarchen
und seiner Völker.

Mit Bismarck als Ratgeber an seiner Seite, mit den Fürsten des Reiches
als festen, weil zufriedenen Bundesgenossen, mit dem Kaiser und König an der
Donau in ebenfalls unlösbarer Freundschaft geeinigt, mit Nußland, wie jetzt
ernstlich zu hoffen ist, wieder versöhnt, hat Kaiser Friedrich in der That als
Herrscher helle Tage und volle Erfüllung seiner Friedenshoffnungen vor sich.


Der Regierungswechsel und der Friede,

gebung des Regierungsblattes besonders angesichts des Manifestes und Erlasses
Kaiser Friedrichs einen endgiltigen Schritt zur Annäherung Rußlands an Deutsch¬
land. Damit ist aber in keiner Weise die Möglichkeit einer Abwendung des letztem
von Österreich in Verbindung zu bringen. Wer an der Festigkeit des Friedeus-
bündnisses zweifeln konnte, welches den Doppelstaat des Donaubeckens mit
dem deutschen Reiche verknüpft, der ist durch die Telegramme, welche Fürst
Bismarck und der leitende Staatsmann Österreich-Ungarns aus Anlaß des
Hinscheidens Kaiser Wilhelms mit einander austauschten, über seinen Irrtum
in einer Weise aufgeklärt worden, die keinerlei Täuschung mehr gestattet. Bismarck
versicherte Kalnoky bei dieser Gelegenheit, es sei ein erhebender Trost, wenn
man bei der letzten Trauer erkannt habe, wie tiefe Wurzeln die Freundschaft
der beiden Monarchen in den Sympathien der Völker des engverbündeten
Nachbarreiches geschlagen habe, wobei er allerdings nur an die beiden Haupt-
stämme, die Deutschen und die Magyaren, nicht an die Tschechen und Polen,
denken konnte. Der spontane und lebhafte Ausdruck der Teilnahme an dem
Verluste, den Deutschland erlitten habe, bekunde aufs neue die Stärke der
Freundschaftsbande, welche die Völker beider Reichshälften mit einander ver¬
bünden, und welche unzerreißbar seien, da sie mehr noch als auf geschriebenen
Verträgen auf der unerschütterlichen Grundlage der Gleichheit der Interessen,
Überlieferungen und Gesinnungen der Völker beruhten. Der österreichische Mi¬
nister entgegnete hierauf, er habe das Telegramm des deutschen Reichskanzlers,
das der herzlichen Teilnahme der Österreicher und Ungarn so warm gedenke,
mit Dank und aufrichtiger Genugthuung empfangen. Es sei von hoher Be¬
deutung für die beiden Nachbarreiche und thatsächlich ein erhebender Trost für
die Zukunft, daß der aus der Weisheit und innigen Freundschaft der beiden
um die Wohlfahrt ihrer Völker so besorgten Herrscher hervorgegangene Bund
zwischeu den beiden Reichen in wenigen Jahren in den Herzen der Bevölkerung
so tief und fest gewurzelt sei, daß heute die schmerzlichen Empfindungen der
deutschen Nation einen solchen Wiederhall in allen Teilen Österreich-Ungarns
erweckten. Fest und unverbrüchlich wie die Dynastien würden auch die Völker
beider Reichsteile zu einander stehen, einig in der Überzeugung, daß die Bande
der Freundschaft, die für den Frieden geschlungen worden seien, jedwede Probe
aushalten würden, in der Zukunft so wie heute. Mit vollem Vertrauen erkenne
Österreich-Ungarn in dem Kaiser Friedrich, dem erlauchten würdigen Nachfolger
des hohen Verblichenen, einen nicht minder warmen Freund seines Monarchen
und seiner Völker.

Mit Bismarck als Ratgeber an seiner Seite, mit den Fürsten des Reiches
als festen, weil zufriedenen Bundesgenossen, mit dem Kaiser und König an der
Donau in ebenfalls unlösbarer Freundschaft geeinigt, mit Nußland, wie jetzt
ernstlich zu hoffen ist, wieder versöhnt, hat Kaiser Friedrich in der That als
Herrscher helle Tage und volle Erfüllung seiner Friedenshoffnungen vor sich.


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[0629] Der Regierungswechsel und der Friede, gebung des Regierungsblattes besonders angesichts des Manifestes und Erlasses Kaiser Friedrichs einen endgiltigen Schritt zur Annäherung Rußlands an Deutsch¬ land. Damit ist aber in keiner Weise die Möglichkeit einer Abwendung des letztem von Österreich in Verbindung zu bringen. Wer an der Festigkeit des Friedeus- bündnisses zweifeln konnte, welches den Doppelstaat des Donaubeckens mit dem deutschen Reiche verknüpft, der ist durch die Telegramme, welche Fürst Bismarck und der leitende Staatsmann Österreich-Ungarns aus Anlaß des Hinscheidens Kaiser Wilhelms mit einander austauschten, über seinen Irrtum in einer Weise aufgeklärt worden, die keinerlei Täuschung mehr gestattet. Bismarck versicherte Kalnoky bei dieser Gelegenheit, es sei ein erhebender Trost, wenn man bei der letzten Trauer erkannt habe, wie tiefe Wurzeln die Freundschaft der beiden Monarchen in den Sympathien der Völker des engverbündeten Nachbarreiches geschlagen habe, wobei er allerdings nur an die beiden Haupt- stämme, die Deutschen und die Magyaren, nicht an die Tschechen und Polen, denken konnte. Der spontane und lebhafte Ausdruck der Teilnahme an dem Verluste, den Deutschland erlitten habe, bekunde aufs neue die Stärke der Freundschaftsbande, welche die Völker beider Reichshälften mit einander ver¬ bünden, und welche unzerreißbar seien, da sie mehr noch als auf geschriebenen Verträgen auf der unerschütterlichen Grundlage der Gleichheit der Interessen, Überlieferungen und Gesinnungen der Völker beruhten. Der österreichische Mi¬ nister entgegnete hierauf, er habe das Telegramm des deutschen Reichskanzlers, das der herzlichen Teilnahme der Österreicher und Ungarn so warm gedenke, mit Dank und aufrichtiger Genugthuung empfangen. Es sei von hoher Be¬ deutung für die beiden Nachbarreiche und thatsächlich ein erhebender Trost für die Zukunft, daß der aus der Weisheit und innigen Freundschaft der beiden um die Wohlfahrt ihrer Völker so besorgten Herrscher hervorgegangene Bund zwischeu den beiden Reichen in wenigen Jahren in den Herzen der Bevölkerung so tief und fest gewurzelt sei, daß heute die schmerzlichen Empfindungen der deutschen Nation einen solchen Wiederhall in allen Teilen Österreich-Ungarns erweckten. Fest und unverbrüchlich wie die Dynastien würden auch die Völker beider Reichsteile zu einander stehen, einig in der Überzeugung, daß die Bande der Freundschaft, die für den Frieden geschlungen worden seien, jedwede Probe aushalten würden, in der Zukunft so wie heute. Mit vollem Vertrauen erkenne Österreich-Ungarn in dem Kaiser Friedrich, dem erlauchten würdigen Nachfolger des hohen Verblichenen, einen nicht minder warmen Freund seines Monarchen und seiner Völker. Mit Bismarck als Ratgeber an seiner Seite, mit den Fürsten des Reiches als festen, weil zufriedenen Bundesgenossen, mit dem Kaiser und König an der Donau in ebenfalls unlösbarer Freundschaft geeinigt, mit Nußland, wie jetzt ernstlich zu hoffen ist, wieder versöhnt, hat Kaiser Friedrich in der That als Herrscher helle Tage und volle Erfüllung seiner Friedenshoffnungen vor sich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/629>, abgerufen am 28.09.2024.