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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Gott der Herr möge mir verzeihen, daß ich ihrer so oft in Groll und
Bitterkeit gedacht hatte! flüsterte er dann.

Besorgt und voller Angst hatten Rebekkas Blicke an ihm gehangen. Jetzt
leuchteten sie auf.

Und nun, sieh dort, was ich dir gebracht habe! rief sie mit Hellem Jubel
in der Stimme, nach dem Hause deutend.

David drehte sich um---da stand Alexei, ein Kind auf dem Arme.

Höre mich noch! hielt ihn Rebekka zurück, als er hinstürzen wollte, und
ihre Stimme bebte, über ihre welken Wangen liefen Thränen. Sieh, ich weiß,
was es heißt, wenn ein Kind den Glauben der Väter nicht mehr teilt, und man
allein steht im Gebete in dem Tempel des Ewigen, deshalb bringe ich dir dein
Kind, damit es deinen Glauben teile, und du mit deinen Kindern zusammen
deinen neuen Gott anbeten kannst. Ich bin zu deinem Freunde gegangen, in
derselben Nacht, da Salome gestorben war, habe ihm gesagt, was ich thun
wolle, und er hat für uns gesorgt und uns alle hergeleitet. Er wird sich
deiner annehmen in der neuen Welt, in der du um leben wirst. Nein, bleibe
noch, mein Sohn! fuhr sie fort, indem sie den ungeduldig fortstrebenden am
Arme hielt, als ließe sie ihn ungern von sich, als geize sie mit dem kurzen
Augenblicke, da er noch ihr allein gehöre. David! Wenn dein Herz noch ein¬
mal wühlt und sich sehnt, ein Weib zu nehmen, dann, David, mein Herzens¬
kind! Bedenke, daß die Tochter des Karaiten dir Mutter und Kind wieder ge¬
bracht, und -- daß sie deines neuen Glaubens ist.

Aber David ließ sich nicht länger halten. Mit einem Jubelrufe "ahn er
die leichte, kleine Gestalt seiner Mutter in die Arme und trug sie über die
Schwelle des Hauses. Dort setzte er sie nieder, legte sie Jeschka in die Arme
und umschlang dann Alexei und die kleine Rebekka. --

Hohe Linden rauschen über dem Dache eines ländlichen Pfarrhauses, aus
dem fröhliche Kinderstimmen heraus schallen. Der junge Pfarrer und sein Weib
stehen im festlich geschmückten Zimmer, und zwei kleine Mädchen tanzen um sie
herum und versuchen nach dem Kinde zu sehen, das die junge Frau unter dem
Taufschleier auf den Armen wiegt. Der Pfarrer ist im Ornat, er will sein
Kind selbst in den Bund der christlichen Kirche aufnehmen, und heilige Rührung,
tiefe, innige Dankbarkeit erfüllen sein Herz.

Sie warten auf die Ankunft des Taufpaten: Alexeis, welcher der Patro¬
natsherr des Pfarrherrn David Beronski ist, dessen Gattin Jeschka ihren Erst¬
gebornen auf den Armen trägt.




David Beronski.

Gott der Herr möge mir verzeihen, daß ich ihrer so oft in Groll und
Bitterkeit gedacht hatte! flüsterte er dann.

Besorgt und voller Angst hatten Rebekkas Blicke an ihm gehangen. Jetzt
leuchteten sie auf.

Und nun, sieh dort, was ich dir gebracht habe! rief sie mit Hellem Jubel
in der Stimme, nach dem Hause deutend.

David drehte sich um---da stand Alexei, ein Kind auf dem Arme.

Höre mich noch! hielt ihn Rebekka zurück, als er hinstürzen wollte, und
ihre Stimme bebte, über ihre welken Wangen liefen Thränen. Sieh, ich weiß,
was es heißt, wenn ein Kind den Glauben der Väter nicht mehr teilt, und man
allein steht im Gebete in dem Tempel des Ewigen, deshalb bringe ich dir dein
Kind, damit es deinen Glauben teile, und du mit deinen Kindern zusammen
deinen neuen Gott anbeten kannst. Ich bin zu deinem Freunde gegangen, in
derselben Nacht, da Salome gestorben war, habe ihm gesagt, was ich thun
wolle, und er hat für uns gesorgt und uns alle hergeleitet. Er wird sich
deiner annehmen in der neuen Welt, in der du um leben wirst. Nein, bleibe
noch, mein Sohn! fuhr sie fort, indem sie den ungeduldig fortstrebenden am
Arme hielt, als ließe sie ihn ungern von sich, als geize sie mit dem kurzen
Augenblicke, da er noch ihr allein gehöre. David! Wenn dein Herz noch ein¬
mal wühlt und sich sehnt, ein Weib zu nehmen, dann, David, mein Herzens¬
kind! Bedenke, daß die Tochter des Karaiten dir Mutter und Kind wieder ge¬
bracht, und — daß sie deines neuen Glaubens ist.

Aber David ließ sich nicht länger halten. Mit einem Jubelrufe «ahn er
die leichte, kleine Gestalt seiner Mutter in die Arme und trug sie über die
Schwelle des Hauses. Dort setzte er sie nieder, legte sie Jeschka in die Arme
und umschlang dann Alexei und die kleine Rebekka. —

Hohe Linden rauschen über dem Dache eines ländlichen Pfarrhauses, aus
dem fröhliche Kinderstimmen heraus schallen. Der junge Pfarrer und sein Weib
stehen im festlich geschmückten Zimmer, und zwei kleine Mädchen tanzen um sie
herum und versuchen nach dem Kinde zu sehen, das die junge Frau unter dem
Taufschleier auf den Armen wiegt. Der Pfarrer ist im Ornat, er will sein
Kind selbst in den Bund der christlichen Kirche aufnehmen, und heilige Rührung,
tiefe, innige Dankbarkeit erfüllen sein Herz.

Sie warten auf die Ankunft des Taufpaten: Alexeis, welcher der Patro¬
natsherr des Pfarrherrn David Beronski ist, dessen Gattin Jeschka ihren Erst¬
gebornen auf den Armen trägt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/526>, abgerufen am 28.09.2024.