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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der wahrhafte Friede.

Soldaten hoch über den gelehrtesten Kcchlmäuser, der sein ganzes Leben ideenlos
im Dienste der Eitelkeit, der Clique und Erwerbsucht dahinschwitzt. Denn jene
einzige That zeigt den Wert des Menschen aus ganz derselben Höhe und in
noch ganz anderm Lichte als die höchsten Leistungen von Kunst und Wissenschaft.
Der Krieger wacht eben darum so eifersüchtig über seine Ehre, weil er fühlt,
daß einzig sie es ist, die ihn -- aber damit auch von Grund aus -- über sein
Zerrbild, den Gladiator, erhebt, und der Bürger läßt sie ihm, weil er weiß,
daß sie ihm gegebenen Falles viel ersetzen muß:


DaS Schwert ist kein Spaten, kein Pflug,
Wer damit ackern wollte, wäre nicht klug.
Es grünt uns kein Halm, es wächst keine Saat,
Ohne Heimat muß der Soldat
Auf dem Erdboden flüchtig schwärmen,
Darf sich am eignen Herd nicht wärmen,
Er muß vorbei an der Städte Glanz,
An des Dörfleins lustigen, grünen Auen,
Die Traubenlese, den Erntekranz
Mus er wandernd von ferne schauen.
Sagt mir, was hat er an Gut und Wert,
Wenn der Soldat sich nicht selber ehrt?
Etwas muß er sein eigen nennen,
Oder der Mensch wird morden und brennen.

Wenn aber nun der Philister dabei ausruft: "Das weiß Gott, 'S ist ein elend
Leben!" so antwortet der Soldat stolz:


Mondes doch uicht für ein andres geben.
Seht, ich bin weit in der Welt 'rum kommen,
Hab' alles in Erfahrung genommen. . . -
Hab' den Kaufmann gesehn und den Ritter
Und den Handwerksmann und den Jesuitcr,
Und kein Rock hat mir uuter allen
Wie mein eisern Wams gefallen.

Man sieht also, welch verhängnisvolles Geschenk der sogenannte "ewige Friede"
für die Menschheit wäre. Denn sie müßte es mit Dreingabe ihrer edelsten
Eigenschaften, ihrer höhern Bestimmung erkaufen. Das schlechthin friedliche
Element in der Menschheit (wenigstens philosophisch gesprochen), die Frauen,
teilt unbewußt diese Erkenntnis durch seine bedingungslose Anerkennung der letzt¬
angeführten Worte des Schillerschen Reitcrsmcmnes. Ästhetiker haben sich den
Kopf zerbrochen über die magische Wirkung des "bunten Rockes" auf die Frauen,
und haben sie wohl schließlich auf die blanken Knöpfe, das Metall, als Symbol
der männlichen Kraft zurückgeführt. Das ist aber doch nur einseitig richtig.
Das österreichische Militär z. B. hat teilweise keine blanken Knöpfe und soll
noch viel "friedensgefährlicher" sein als unser "blitzblankes." Das Mißverhältnis
zwischen dem "Kraftsymbol" im Rock und seinem Träger ist doch auch in vielen


Der wahrhafte Friede.

Soldaten hoch über den gelehrtesten Kcchlmäuser, der sein ganzes Leben ideenlos
im Dienste der Eitelkeit, der Clique und Erwerbsucht dahinschwitzt. Denn jene
einzige That zeigt den Wert des Menschen aus ganz derselben Höhe und in
noch ganz anderm Lichte als die höchsten Leistungen von Kunst und Wissenschaft.
Der Krieger wacht eben darum so eifersüchtig über seine Ehre, weil er fühlt,
daß einzig sie es ist, die ihn — aber damit auch von Grund aus — über sein
Zerrbild, den Gladiator, erhebt, und der Bürger läßt sie ihm, weil er weiß,
daß sie ihm gegebenen Falles viel ersetzen muß:


DaS Schwert ist kein Spaten, kein Pflug,
Wer damit ackern wollte, wäre nicht klug.
Es grünt uns kein Halm, es wächst keine Saat,
Ohne Heimat muß der Soldat
Auf dem Erdboden flüchtig schwärmen,
Darf sich am eignen Herd nicht wärmen,
Er muß vorbei an der Städte Glanz,
An des Dörfleins lustigen, grünen Auen,
Die Traubenlese, den Erntekranz
Mus er wandernd von ferne schauen.
Sagt mir, was hat er an Gut und Wert,
Wenn der Soldat sich nicht selber ehrt?
Etwas muß er sein eigen nennen,
Oder der Mensch wird morden und brennen.

Wenn aber nun der Philister dabei ausruft: „Das weiß Gott, 'S ist ein elend
Leben!" so antwortet der Soldat stolz:


Mondes doch uicht für ein andres geben.
Seht, ich bin weit in der Welt 'rum kommen,
Hab' alles in Erfahrung genommen. . . -
Hab' den Kaufmann gesehn und den Ritter
Und den Handwerksmann und den Jesuitcr,
Und kein Rock hat mir uuter allen
Wie mein eisern Wams gefallen.

Man sieht also, welch verhängnisvolles Geschenk der sogenannte „ewige Friede"
für die Menschheit wäre. Denn sie müßte es mit Dreingabe ihrer edelsten
Eigenschaften, ihrer höhern Bestimmung erkaufen. Das schlechthin friedliche
Element in der Menschheit (wenigstens philosophisch gesprochen), die Frauen,
teilt unbewußt diese Erkenntnis durch seine bedingungslose Anerkennung der letzt¬
angeführten Worte des Schillerschen Reitcrsmcmnes. Ästhetiker haben sich den
Kopf zerbrochen über die magische Wirkung des „bunten Rockes" auf die Frauen,
und haben sie wohl schließlich auf die blanken Knöpfe, das Metall, als Symbol
der männlichen Kraft zurückgeführt. Das ist aber doch nur einseitig richtig.
Das österreichische Militär z. B. hat teilweise keine blanken Knöpfe und soll
noch viel „friedensgefährlicher" sein als unser „blitzblankes." Das Mißverhältnis
zwischen dem „Kraftsymbol" im Rock und seinem Träger ist doch auch in vielen


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[0509] Der wahrhafte Friede. Soldaten hoch über den gelehrtesten Kcchlmäuser, der sein ganzes Leben ideenlos im Dienste der Eitelkeit, der Clique und Erwerbsucht dahinschwitzt. Denn jene einzige That zeigt den Wert des Menschen aus ganz derselben Höhe und in noch ganz anderm Lichte als die höchsten Leistungen von Kunst und Wissenschaft. Der Krieger wacht eben darum so eifersüchtig über seine Ehre, weil er fühlt, daß einzig sie es ist, die ihn — aber damit auch von Grund aus — über sein Zerrbild, den Gladiator, erhebt, und der Bürger läßt sie ihm, weil er weiß, daß sie ihm gegebenen Falles viel ersetzen muß: DaS Schwert ist kein Spaten, kein Pflug, Wer damit ackern wollte, wäre nicht klug. Es grünt uns kein Halm, es wächst keine Saat, Ohne Heimat muß der Soldat Auf dem Erdboden flüchtig schwärmen, Darf sich am eignen Herd nicht wärmen, Er muß vorbei an der Städte Glanz, An des Dörfleins lustigen, grünen Auen, Die Traubenlese, den Erntekranz Mus er wandernd von ferne schauen. Sagt mir, was hat er an Gut und Wert, Wenn der Soldat sich nicht selber ehrt? Etwas muß er sein eigen nennen, Oder der Mensch wird morden und brennen. Wenn aber nun der Philister dabei ausruft: „Das weiß Gott, 'S ist ein elend Leben!" so antwortet der Soldat stolz: Mondes doch uicht für ein andres geben. Seht, ich bin weit in der Welt 'rum kommen, Hab' alles in Erfahrung genommen. . . - Hab' den Kaufmann gesehn und den Ritter Und den Handwerksmann und den Jesuitcr, Und kein Rock hat mir uuter allen Wie mein eisern Wams gefallen. Man sieht also, welch verhängnisvolles Geschenk der sogenannte „ewige Friede" für die Menschheit wäre. Denn sie müßte es mit Dreingabe ihrer edelsten Eigenschaften, ihrer höhern Bestimmung erkaufen. Das schlechthin friedliche Element in der Menschheit (wenigstens philosophisch gesprochen), die Frauen, teilt unbewußt diese Erkenntnis durch seine bedingungslose Anerkennung der letzt¬ angeführten Worte des Schillerschen Reitcrsmcmnes. Ästhetiker haben sich den Kopf zerbrochen über die magische Wirkung des „bunten Rockes" auf die Frauen, und haben sie wohl schließlich auf die blanken Knöpfe, das Metall, als Symbol der männlichen Kraft zurückgeführt. Das ist aber doch nur einseitig richtig. Das österreichische Militär z. B. hat teilweise keine blanken Knöpfe und soll noch viel „friedensgefährlicher" sein als unser „blitzblankes." Das Mißverhältnis zwischen dem „Kraftsymbol" im Rock und seinem Träger ist doch auch in vielen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/509>, abgerufen am 28.09.2024.