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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Arbeiterausstände in dem Steinkohlenbecken Pennsylvaniens.

Würden diese "wohl erworbenen Rechte" zweifellos hinfällig werden. Der alte
Wettbewerb zwischen Kohlenzechenbesitzern und Kohlcnbcchnen würde alsdann
wieder hergestellt sein, das Zeitalter des Monopols sein Ende erleben. Und
dann müßte der Kurs des mit Pfandbriefen überladenen Aktienkapitals zum
Gefrierpunkte herabsinken. Eine solche Serie von Unheil mußte um jeden Preis
abgewandt werden.

Mittlerweile ist die eine Gefahr, die der öffentlichen Versteigerung, denn auch
wirklich beseitigt und der Massenverwalter gleichfalls. Die Philadelphia- und
Reading-Bahn hat sich im Januar dieses Jahres wieder reorganisirt und den
thatkräftige" Corbin an ihre Spitze gestellt. Dieser hat natürlich nichts eiligeres
zu thun gehabt, als der jungen Selbständigkeit und Unabhängigkeit seiner Bcchn-
uud Kvhlenarbeiter den Krieg zu erklären. Er hat es offen darauf angelegt,
den Einfluß der Ritter der Arbeit auf seine Bahuuntergebenen zu brechen,
"Herr im eignen Hause zu werden," und die achtprozentige Lohnerhöhung der
Grubenarbeiter rückgängig zu machen. Die Antwort darauf haben die Auf¬
stände beider Klassen seiner Arbeiter erteilt. In Lehigh Commis war schon seit
September ein Aufstand der Kohlengräbcr im Gange. Durch den Streik in
Schuhlkill Counth ist nun das ganze Anthracitkohlengebiet mit Ausnahme von
Wyoming County im Aufstande. Dadurch daß nun im Januar die Verlader,
die Schaffner und Stationsarbeiter der Philadelphia- und Reading-Bahn ihre
Arbeit eingestellt haben, weil man ihre Beschwerden über Entlassung einer Anzahl
Verlader schroff abgewiesen hatte, ist die Lage der Bahn doppelt schwierig ge¬
worden. Ihre Stationen erhalten keine Kohlen und können die gelagerten nur
langsam an die Küste befördern. In den sogenannten Minenstädten, wie She-
nandoah, Shamokin, Mahonoy?c., stocken alle Geschäfte. Die Läden sind ge¬
schlossen, die Hotels leer. Kein Leben noch Verkehr außer dem der Arbeiter,
welche zu den geheimen Versammlungen der Logen der Ritter der Arbeit oder
der Fachvereine eilen. Die Kohlenpreise in den Großstädten des Ostens, nament¬
lich in denen, die wie Philadelphia von den Kohlenlieferungcn der Reading-Bahn
abhängen, gehen in die Höhe. So kostete in Philadelphia, in Reading, in
Harnsbnrg die Tonne 7 bis 8^ Dollars, während in Neuyork, dem
von Wyoming aus über die Pennshlvcmia-Central ungehindert Kohlen zu¬
fließen, der Preis sich erst auf 6 bis 6^ Dollars die Tonne stellt. Die
Besitzer der Hochöfen und Eisenhüttenwerke in Schuhlkill Counth sehen sich von
der Notwendigkeit bedroht, ihre Feuer erlöschen zu lassen, wenn nicht bald eine
Wiederaufnahme der Grubenarbeit eintritt. Vergebens haben die Geschäftsleute
der erwähnten Kohlenstädte sich mit der Bitte an Corbin gewandt, ein Schieds¬
gericht über die schwebenden Streitfragen entscheiden zu lassen. Corbin will
nichts davon hören. Er verläßt sich auf seine Schlauheit und auf die von
ihm mit Ungeduld erwartete Not der Aufständischen. Zunächst sucht er die
beiden Arbeitcrheere -- es sind 65 000 Kvhlenarbeiter und mehrere tausende


Die Arbeiterausstände in dem Steinkohlenbecken Pennsylvaniens.

Würden diese „wohl erworbenen Rechte" zweifellos hinfällig werden. Der alte
Wettbewerb zwischen Kohlenzechenbesitzern und Kohlcnbcchnen würde alsdann
wieder hergestellt sein, das Zeitalter des Monopols sein Ende erleben. Und
dann müßte der Kurs des mit Pfandbriefen überladenen Aktienkapitals zum
Gefrierpunkte herabsinken. Eine solche Serie von Unheil mußte um jeden Preis
abgewandt werden.

Mittlerweile ist die eine Gefahr, die der öffentlichen Versteigerung, denn auch
wirklich beseitigt und der Massenverwalter gleichfalls. Die Philadelphia- und
Reading-Bahn hat sich im Januar dieses Jahres wieder reorganisirt und den
thatkräftige» Corbin an ihre Spitze gestellt. Dieser hat natürlich nichts eiligeres
zu thun gehabt, als der jungen Selbständigkeit und Unabhängigkeit seiner Bcchn-
uud Kvhlenarbeiter den Krieg zu erklären. Er hat es offen darauf angelegt,
den Einfluß der Ritter der Arbeit auf seine Bahuuntergebenen zu brechen,
„Herr im eignen Hause zu werden," und die achtprozentige Lohnerhöhung der
Grubenarbeiter rückgängig zu machen. Die Antwort darauf haben die Auf¬
stände beider Klassen seiner Arbeiter erteilt. In Lehigh Commis war schon seit
September ein Aufstand der Kohlengräbcr im Gange. Durch den Streik in
Schuhlkill Counth ist nun das ganze Anthracitkohlengebiet mit Ausnahme von
Wyoming County im Aufstande. Dadurch daß nun im Januar die Verlader,
die Schaffner und Stationsarbeiter der Philadelphia- und Reading-Bahn ihre
Arbeit eingestellt haben, weil man ihre Beschwerden über Entlassung einer Anzahl
Verlader schroff abgewiesen hatte, ist die Lage der Bahn doppelt schwierig ge¬
worden. Ihre Stationen erhalten keine Kohlen und können die gelagerten nur
langsam an die Küste befördern. In den sogenannten Minenstädten, wie She-
nandoah, Shamokin, Mahonoy?c., stocken alle Geschäfte. Die Läden sind ge¬
schlossen, die Hotels leer. Kein Leben noch Verkehr außer dem der Arbeiter,
welche zu den geheimen Versammlungen der Logen der Ritter der Arbeit oder
der Fachvereine eilen. Die Kohlenpreise in den Großstädten des Ostens, nament¬
lich in denen, die wie Philadelphia von den Kohlenlieferungcn der Reading-Bahn
abhängen, gehen in die Höhe. So kostete in Philadelphia, in Reading, in
Harnsbnrg die Tonne 7 bis 8^ Dollars, während in Neuyork, dem
von Wyoming aus über die Pennshlvcmia-Central ungehindert Kohlen zu¬
fließen, der Preis sich erst auf 6 bis 6^ Dollars die Tonne stellt. Die
Besitzer der Hochöfen und Eisenhüttenwerke in Schuhlkill Counth sehen sich von
der Notwendigkeit bedroht, ihre Feuer erlöschen zu lassen, wenn nicht bald eine
Wiederaufnahme der Grubenarbeit eintritt. Vergebens haben die Geschäftsleute
der erwähnten Kohlenstädte sich mit der Bitte an Corbin gewandt, ein Schieds¬
gericht über die schwebenden Streitfragen entscheiden zu lassen. Corbin will
nichts davon hören. Er verläßt sich auf seine Schlauheit und auf die von
ihm mit Ungeduld erwartete Not der Aufständischen. Zunächst sucht er die
beiden Arbeitcrheere — es sind 65 000 Kvhlenarbeiter und mehrere tausende


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[0498] Die Arbeiterausstände in dem Steinkohlenbecken Pennsylvaniens. Würden diese „wohl erworbenen Rechte" zweifellos hinfällig werden. Der alte Wettbewerb zwischen Kohlenzechenbesitzern und Kohlcnbcchnen würde alsdann wieder hergestellt sein, das Zeitalter des Monopols sein Ende erleben. Und dann müßte der Kurs des mit Pfandbriefen überladenen Aktienkapitals zum Gefrierpunkte herabsinken. Eine solche Serie von Unheil mußte um jeden Preis abgewandt werden. Mittlerweile ist die eine Gefahr, die der öffentlichen Versteigerung, denn auch wirklich beseitigt und der Massenverwalter gleichfalls. Die Philadelphia- und Reading-Bahn hat sich im Januar dieses Jahres wieder reorganisirt und den thatkräftige» Corbin an ihre Spitze gestellt. Dieser hat natürlich nichts eiligeres zu thun gehabt, als der jungen Selbständigkeit und Unabhängigkeit seiner Bcchn- uud Kvhlenarbeiter den Krieg zu erklären. Er hat es offen darauf angelegt, den Einfluß der Ritter der Arbeit auf seine Bahuuntergebenen zu brechen, „Herr im eignen Hause zu werden," und die achtprozentige Lohnerhöhung der Grubenarbeiter rückgängig zu machen. Die Antwort darauf haben die Auf¬ stände beider Klassen seiner Arbeiter erteilt. In Lehigh Commis war schon seit September ein Aufstand der Kohlengräbcr im Gange. Durch den Streik in Schuhlkill Counth ist nun das ganze Anthracitkohlengebiet mit Ausnahme von Wyoming County im Aufstande. Dadurch daß nun im Januar die Verlader, die Schaffner und Stationsarbeiter der Philadelphia- und Reading-Bahn ihre Arbeit eingestellt haben, weil man ihre Beschwerden über Entlassung einer Anzahl Verlader schroff abgewiesen hatte, ist die Lage der Bahn doppelt schwierig ge¬ worden. Ihre Stationen erhalten keine Kohlen und können die gelagerten nur langsam an die Küste befördern. In den sogenannten Minenstädten, wie She- nandoah, Shamokin, Mahonoy?c., stocken alle Geschäfte. Die Läden sind ge¬ schlossen, die Hotels leer. Kein Leben noch Verkehr außer dem der Arbeiter, welche zu den geheimen Versammlungen der Logen der Ritter der Arbeit oder der Fachvereine eilen. Die Kohlenpreise in den Großstädten des Ostens, nament¬ lich in denen, die wie Philadelphia von den Kohlenlieferungcn der Reading-Bahn abhängen, gehen in die Höhe. So kostete in Philadelphia, in Reading, in Harnsbnrg die Tonne 7 bis 8^ Dollars, während in Neuyork, dem von Wyoming aus über die Pennshlvcmia-Central ungehindert Kohlen zu¬ fließen, der Preis sich erst auf 6 bis 6^ Dollars die Tonne stellt. Die Besitzer der Hochöfen und Eisenhüttenwerke in Schuhlkill Counth sehen sich von der Notwendigkeit bedroht, ihre Feuer erlöschen zu lassen, wenn nicht bald eine Wiederaufnahme der Grubenarbeit eintritt. Vergebens haben die Geschäftsleute der erwähnten Kohlenstädte sich mit der Bitte an Corbin gewandt, ein Schieds¬ gericht über die schwebenden Streitfragen entscheiden zu lassen. Corbin will nichts davon hören. Er verläßt sich auf seine Schlauheit und auf die von ihm mit Ungeduld erwartete Not der Aufständischen. Zunächst sucht er die beiden Arbeitcrheere — es sind 65 000 Kvhlenarbeiter und mehrere tausende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/498>, abgerufen am 28.09.2024.