Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Joseph Freiherr von Eichendorff.
Hundert Jahre sind seit der Geburt Eichendorffs verstrichen. Seit einund¬ Wie die Wiege Chamissos in einem altertümlichen Schlosse stand, so auch Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht der Eichendorffs berichten von
In dem oberschlesischen Schlosse Lubowitz, seit 1822 nicht mehr in dem Joseph Freiherr von Eichendorff.
Hundert Jahre sind seit der Geburt Eichendorffs verstrichen. Seit einund¬ Wie die Wiege Chamissos in einem altertümlichen Schlosse stand, so auch Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht der Eichendorffs berichten von
In dem oberschlesischen Schlosse Lubowitz, seit 1822 nicht mehr in dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202557"/> <fw type="header" place="top"> Joseph Freiherr von Eichendorff.</fw><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_19" type="poem"> <l> segnet dankbar Stadt und Land,<lb/> Die ihn traut empfangen,<lb/> Grüßt die Sttnger allzumal,<lb/> Die so lieblich sangen.</l> <l> Und senkt alternd sich sein Schwung,<lb/> Nimmer mag's ihn schmerzen.<lb/> Bleibt doch Dichtung ewig jung<lb/> In den deutschen Herzen!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1703"> Hundert Jahre sind seit der Geburt Eichendorffs verstrichen. Seit einund¬<lb/> dreißig Jahren weilt er nicht mehr unter den Lebenden. Aber in deutschen<lb/> Herzen bleibt der Sinn für Dichtung ewig jung, und so mögen denn die nach¬<lb/> folgenden Zeilen seinem verdämmernden Bilde wieder größere Bestimmtheit geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1704"> Wie die Wiege Chamissos in einem altertümlichen Schlosse stand, so auch<lb/> die Josephs von Eichendorff. Nicht bloß erträumt ist, was an blühenden Er¬<lb/> innerungen, die uns an die Ritterzciten gemahnen, durch seine Gedichte zieht;<lb/> er brauchte sich nicht, wie so manche Sänger der romantischen Schule, in das<lb/> Mittelalter erst hinein zu phantasiren. Seine Kindheit und Jugend waren<lb/> unter Eindrücken dahingegangen, die mit solchen Anklängen zusammenstimmten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1705"> Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht der Eichendorffs berichten von<lb/> einem bairischen Kriegsmanne, der im Jahre 928 auf dem Schlachtfelde bei Alt¬<lb/> brandenburg, im Kampfe gegen die heidnischen Wenden, den Ritterschlag empfing.<lb/> Für den Stammsitz des Geschlechts gilt noch heute das gleichnamige Städtchen unweit<lb/> Passau in Niederbaiern. Seit dem vierzehnten Jahrhundert haben die Eichendorffs<lb/> brandenburgische Lehen zwischen Elbe und Oder gehabt. Im siebzehnten Jahr¬<lb/> hundert, nach den Pestjahren, gab es nur noch einen Eichendorff in der Mark;<lb/> den hat Kaiser Leopold I. im Jahre 1679 in den Freiherrnstand erhoben. Die<lb/> Nachkommen dieses Eichendorff besaßen Liegenschaften in Mähren und auch<lb/> Rittergüter in Oberschlesien, die sie selbst bewirtschafteten, nach dem alten<lb/> Reimlein, wonach der Adel am besten auf eignem Boden sich behaupte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_20" type="poem"> <l> Das Geschlecht der Städte soll er fliehn,<lb/> Ohne Not von seinem Herd nicht ziehn,<lb/> So gedeiht sein wachsendes Geschlecht,<lb/> Das ist Adels alte Sitt' und Recht.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1706" next="#ID_1707"> In dem oberschlesischen Schlosse Lubowitz, seit 1822 nicht mehr in dem<lb/> Besitze der Familie, hat unser Dichter am 10. März 1788 das Licht der Welt<lb/> erblickt. Sein Vater hatte sich auf der Universität und später auf Reisen eine<lb/> tüchtige Bildung angeeignet, war eine Zeit lang Soldat gewesen, und über¬<lb/> wachte jetzt die Bewirtschaftung seiner Güter. Seine in ihrem siebzehnten<lb/> Lebensjahre ihm angetraute Gattin, die Mutter seiner fünf Kinder, von denen<lb/> zwei früh starben, war nach schlesischer Art lebhaft, geistvoll und thätig; daneben<lb/> hatte sie eine stark ausgesprochene Vorliebe für Glanz und Geselligkeit. Solcher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
Joseph Freiherr von Eichendorff.
segnet dankbar Stadt und Land,
Die ihn traut empfangen,
Grüßt die Sttnger allzumal,
Die so lieblich sangen. Und senkt alternd sich sein Schwung,
Nimmer mag's ihn schmerzen.
Bleibt doch Dichtung ewig jung
In den deutschen Herzen!
Hundert Jahre sind seit der Geburt Eichendorffs verstrichen. Seit einund¬
dreißig Jahren weilt er nicht mehr unter den Lebenden. Aber in deutschen
Herzen bleibt der Sinn für Dichtung ewig jung, und so mögen denn die nach¬
folgenden Zeilen seinem verdämmernden Bilde wieder größere Bestimmtheit geben.
Wie die Wiege Chamissos in einem altertümlichen Schlosse stand, so auch
die Josephs von Eichendorff. Nicht bloß erträumt ist, was an blühenden Er¬
innerungen, die uns an die Ritterzciten gemahnen, durch seine Gedichte zieht;
er brauchte sich nicht, wie so manche Sänger der romantischen Schule, in das
Mittelalter erst hinein zu phantasiren. Seine Kindheit und Jugend waren
unter Eindrücken dahingegangen, die mit solchen Anklängen zusammenstimmten.
Die ältesten Nachrichten über das Geschlecht der Eichendorffs berichten von
einem bairischen Kriegsmanne, der im Jahre 928 auf dem Schlachtfelde bei Alt¬
brandenburg, im Kampfe gegen die heidnischen Wenden, den Ritterschlag empfing.
Für den Stammsitz des Geschlechts gilt noch heute das gleichnamige Städtchen unweit
Passau in Niederbaiern. Seit dem vierzehnten Jahrhundert haben die Eichendorffs
brandenburgische Lehen zwischen Elbe und Oder gehabt. Im siebzehnten Jahr¬
hundert, nach den Pestjahren, gab es nur noch einen Eichendorff in der Mark;
den hat Kaiser Leopold I. im Jahre 1679 in den Freiherrnstand erhoben. Die
Nachkommen dieses Eichendorff besaßen Liegenschaften in Mähren und auch
Rittergüter in Oberschlesien, die sie selbst bewirtschafteten, nach dem alten
Reimlein, wonach der Adel am besten auf eignem Boden sich behaupte:
Das Geschlecht der Städte soll er fliehn,
Ohne Not von seinem Herd nicht ziehn,
So gedeiht sein wachsendes Geschlecht,
Das ist Adels alte Sitt' und Recht.
In dem oberschlesischen Schlosse Lubowitz, seit 1822 nicht mehr in dem
Besitze der Familie, hat unser Dichter am 10. März 1788 das Licht der Welt
erblickt. Sein Vater hatte sich auf der Universität und später auf Reisen eine
tüchtige Bildung angeeignet, war eine Zeit lang Soldat gewesen, und über¬
wachte jetzt die Bewirtschaftung seiner Güter. Seine in ihrem siebzehnten
Lebensjahre ihm angetraute Gattin, die Mutter seiner fünf Kinder, von denen
zwei früh starben, war nach schlesischer Art lebhaft, geistvoll und thätig; daneben
hatte sie eine stark ausgesprochene Vorliebe für Glanz und Geselligkeit. Solcher
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