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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Vie Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

mit dem Protokoll die verscherzte Freundschaft Rußlands und Frankreichs auf
Deutschlands Kosten wiedergekauft und so den griechischen Handel abgeschlossen
hat. Deutschland geschieht es ganz recht, wenn es vom Auslande verachtet
wird, aber wehe denen, die daran die Schuld tragen; denn alle Schuld rächt
sich auf Erden, singt der Harfner in Wilhelm Meister." Wir bemerken noch,
daß die vor kurzem erschienenen Vitzthumschen Denkwürdigkeiten den hier be¬
haupteten Zusammenhang zwischen dem Pacifieoschen Handel und dem Londoner
Protokoll bestätigen, daß der Herzog aber versichert, die Darstellung in seiner
Selbstbiographie sei schon lange geschrieben gewesen, ehe Graf Vitzthum sein
Buch veröffentlicht habe.

Wir nähern uns der Grenze des uns für diese Besprechung zur Verfügung
gestellten Raumes, und so können wir nur kurz auf das hinweisen, was das
fünfte Buch über die Reichsverfassung und das Dreikönigsbündnis, sowie über
die Stellung gewisser Regierungen und der Politiker des Hauses Koburg zu
ihnen enthält. Die des Herzogs Ernst ist bereits bekannt. Sehr entrüstet
und mit den derbsten Worten sprach sich sein Bruder in mehreren Briefen über
das Scheitern des zuletzt genannten Planes aus, sodaß man sich über die Auf¬
nahme derselben in das Memoirenwerk einigermaßen Wundern darf. In einem
Schreiben vom 2. September sagt der Prinz: "Der Sechskönigsplan, der unter
den sechs Kronen die sämtlichen kleinen Staaten vereinigen und dann der Ein¬
heit Hohn sprechen soll, ist noch immer der Lieblingsgedcmke der Königshöfe
und keines mehr als Sachsens. Wie können sich nur die armen Könige ein¬
bilden, daß, nachdem sie abermals Verrat am gemeinsamen Vaterlande begangen
haben werden, sie imstande sein sollten, Ruhe, Ordnung und Gesetzlichkeit in
Deutschland wiederherzustellen, und dies ohne Vertrauen und Einigkeit unter
sich?" Am 8. November schreibt er: "Das Benehmen der Könige ist unter aller
Kritik und kann ihnen keine guten Früchte tragen. Die Regierungen dürfen
wahrlich Deutschland nicht wieder betrügen, sonst kommen noch größere Unglücks¬
fälle über sie. Sie hatten die Frankfurter Konstitution anerkannt, und nun, da
Preußen sie gerettet hat, ziehen sie sich von einem Bunde und einer Verfassung
zurück, die alle die Modifikationen enthält, welche sie darin zu sehen wünschten. . . .
Es kann nicht anders geschehen, als das Preußen an die Spitze tritt, und der
Gewinn darin liegt mehr auf der Seite der deutschen Staaten als Preußens,
welches seine europäische Stellung opfern muß, während die übrigen Staaten
nie eine gehabt haben und auch durch das Mediatisiren oder Berauben ihrer
kleinern Nachbarn nie eine erlangen würden." Endlich am 26. Dezember, als
die Stellung des Bundesstaates noch bedenklicher geworden war, schalt der Prinz
in einem Briefe: "Das Benehmen Sachsens und Hannovers ist über alle Maßen
schofel und ehrlos, politisch genommen von Sachsen noch sehr dumm, dem es
am meisten notthut, sich an einem starken Ganzen wieder aufzubauen." Weniger
klar dachte der König Leopold, auf den Metternich viel Einfluß übte, und so


Vie Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst.

mit dem Protokoll die verscherzte Freundschaft Rußlands und Frankreichs auf
Deutschlands Kosten wiedergekauft und so den griechischen Handel abgeschlossen
hat. Deutschland geschieht es ganz recht, wenn es vom Auslande verachtet
wird, aber wehe denen, die daran die Schuld tragen; denn alle Schuld rächt
sich auf Erden, singt der Harfner in Wilhelm Meister." Wir bemerken noch,
daß die vor kurzem erschienenen Vitzthumschen Denkwürdigkeiten den hier be¬
haupteten Zusammenhang zwischen dem Pacifieoschen Handel und dem Londoner
Protokoll bestätigen, daß der Herzog aber versichert, die Darstellung in seiner
Selbstbiographie sei schon lange geschrieben gewesen, ehe Graf Vitzthum sein
Buch veröffentlicht habe.

Wir nähern uns der Grenze des uns für diese Besprechung zur Verfügung
gestellten Raumes, und so können wir nur kurz auf das hinweisen, was das
fünfte Buch über die Reichsverfassung und das Dreikönigsbündnis, sowie über
die Stellung gewisser Regierungen und der Politiker des Hauses Koburg zu
ihnen enthält. Die des Herzogs Ernst ist bereits bekannt. Sehr entrüstet
und mit den derbsten Worten sprach sich sein Bruder in mehreren Briefen über
das Scheitern des zuletzt genannten Planes aus, sodaß man sich über die Auf¬
nahme derselben in das Memoirenwerk einigermaßen Wundern darf. In einem
Schreiben vom 2. September sagt der Prinz: „Der Sechskönigsplan, der unter
den sechs Kronen die sämtlichen kleinen Staaten vereinigen und dann der Ein¬
heit Hohn sprechen soll, ist noch immer der Lieblingsgedcmke der Königshöfe
und keines mehr als Sachsens. Wie können sich nur die armen Könige ein¬
bilden, daß, nachdem sie abermals Verrat am gemeinsamen Vaterlande begangen
haben werden, sie imstande sein sollten, Ruhe, Ordnung und Gesetzlichkeit in
Deutschland wiederherzustellen, und dies ohne Vertrauen und Einigkeit unter
sich?" Am 8. November schreibt er: „Das Benehmen der Könige ist unter aller
Kritik und kann ihnen keine guten Früchte tragen. Die Regierungen dürfen
wahrlich Deutschland nicht wieder betrügen, sonst kommen noch größere Unglücks¬
fälle über sie. Sie hatten die Frankfurter Konstitution anerkannt, und nun, da
Preußen sie gerettet hat, ziehen sie sich von einem Bunde und einer Verfassung
zurück, die alle die Modifikationen enthält, welche sie darin zu sehen wünschten. . . .
Es kann nicht anders geschehen, als das Preußen an die Spitze tritt, und der
Gewinn darin liegt mehr auf der Seite der deutschen Staaten als Preußens,
welches seine europäische Stellung opfern muß, während die übrigen Staaten
nie eine gehabt haben und auch durch das Mediatisiren oder Berauben ihrer
kleinern Nachbarn nie eine erlangen würden." Endlich am 26. Dezember, als
die Stellung des Bundesstaates noch bedenklicher geworden war, schalt der Prinz
in einem Briefe: „Das Benehmen Sachsens und Hannovers ist über alle Maßen
schofel und ehrlos, politisch genommen von Sachsen noch sehr dumm, dem es
am meisten notthut, sich an einem starken Ganzen wieder aufzubauen." Weniger
klar dachte der König Leopold, auf den Metternich viel Einfluß übte, und so


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[0443] Vie Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnst. mit dem Protokoll die verscherzte Freundschaft Rußlands und Frankreichs auf Deutschlands Kosten wiedergekauft und so den griechischen Handel abgeschlossen hat. Deutschland geschieht es ganz recht, wenn es vom Auslande verachtet wird, aber wehe denen, die daran die Schuld tragen; denn alle Schuld rächt sich auf Erden, singt der Harfner in Wilhelm Meister." Wir bemerken noch, daß die vor kurzem erschienenen Vitzthumschen Denkwürdigkeiten den hier be¬ haupteten Zusammenhang zwischen dem Pacifieoschen Handel und dem Londoner Protokoll bestätigen, daß der Herzog aber versichert, die Darstellung in seiner Selbstbiographie sei schon lange geschrieben gewesen, ehe Graf Vitzthum sein Buch veröffentlicht habe. Wir nähern uns der Grenze des uns für diese Besprechung zur Verfügung gestellten Raumes, und so können wir nur kurz auf das hinweisen, was das fünfte Buch über die Reichsverfassung und das Dreikönigsbündnis, sowie über die Stellung gewisser Regierungen und der Politiker des Hauses Koburg zu ihnen enthält. Die des Herzogs Ernst ist bereits bekannt. Sehr entrüstet und mit den derbsten Worten sprach sich sein Bruder in mehreren Briefen über das Scheitern des zuletzt genannten Planes aus, sodaß man sich über die Auf¬ nahme derselben in das Memoirenwerk einigermaßen Wundern darf. In einem Schreiben vom 2. September sagt der Prinz: „Der Sechskönigsplan, der unter den sechs Kronen die sämtlichen kleinen Staaten vereinigen und dann der Ein¬ heit Hohn sprechen soll, ist noch immer der Lieblingsgedcmke der Königshöfe und keines mehr als Sachsens. Wie können sich nur die armen Könige ein¬ bilden, daß, nachdem sie abermals Verrat am gemeinsamen Vaterlande begangen haben werden, sie imstande sein sollten, Ruhe, Ordnung und Gesetzlichkeit in Deutschland wiederherzustellen, und dies ohne Vertrauen und Einigkeit unter sich?" Am 8. November schreibt er: „Das Benehmen der Könige ist unter aller Kritik und kann ihnen keine guten Früchte tragen. Die Regierungen dürfen wahrlich Deutschland nicht wieder betrügen, sonst kommen noch größere Unglücks¬ fälle über sie. Sie hatten die Frankfurter Konstitution anerkannt, und nun, da Preußen sie gerettet hat, ziehen sie sich von einem Bunde und einer Verfassung zurück, die alle die Modifikationen enthält, welche sie darin zu sehen wünschten. . . . Es kann nicht anders geschehen, als das Preußen an die Spitze tritt, und der Gewinn darin liegt mehr auf der Seite der deutschen Staaten als Preußens, welches seine europäische Stellung opfern muß, während die übrigen Staaten nie eine gehabt haben und auch durch das Mediatisiren oder Berauben ihrer kleinern Nachbarn nie eine erlangen würden." Endlich am 26. Dezember, als die Stellung des Bundesstaates noch bedenklicher geworden war, schalt der Prinz in einem Briefe: „Das Benehmen Sachsens und Hannovers ist über alle Maßen schofel und ehrlos, politisch genommen von Sachsen noch sehr dumm, dem es am meisten notthut, sich an einem starken Ganzen wieder aufzubauen." Weniger klar dachte der König Leopold, auf den Metternich viel Einfluß übte, und so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/443>, abgerufen am 28.09.2024.