Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnsr. Dänemarks, Nußland und Frankreich, von der englischen Regierung eine gemein¬ Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnsr. Dänemarks, Nußland und Frankreich, von der englischen Regierung eine gemein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202541"/> <fw type="header" place="top"> Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnsr.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1645" prev="#ID_1644" next="#ID_1646"> Dänemarks, Nußland und Frankreich, von der englischen Regierung eine gemein¬<lb/> same Erklärung, wonach die Succession in Dänemark lediglich auf Grund der<lb/> Erhaltung dieses Staates in seiner vollen Integrität geregelt werden sollte. .. .<lb/> Preußen wurde eingeladen, dieser Vereinbarung beizutreten, lehnte aber zunächst<lb/> jede Mitwirkung ab, und so wurde das Protokoll am 2. August von Rußland,<lb/> Frankreich und England allein unterzeichnet, auch von letzterm, obwohl es sich<lb/> auch von jener loyalen Richtung entfernte, welche die englische Regierung bis<lb/> dahin in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit eingehalten und welche die<lb/> Königin als Ehrensache einer vermittelnden Macht bei mehr als einer Gelegen¬<lb/> heit bezeichnet hatte. In der That enthielt die Erklärung der drei Mächte ein<lb/> volles Zugeständnis an die russischen Aspirationen eines Protektorats über<lb/> Dänemark. . . . Nur dem Kaiser Nikolaus konnte eine so gewaltsame Lösung der<lb/> Legitimitätsfrage wünschenswert sein, niemand als er hatte sie beantragt.<lb/> Palmerston hatte sich erst im Verlaufe einer andern Frage zu der russischen<lb/> Auffassung der Dinge bekehrt. . .. Die Übereilungen, welche er sich gegen die<lb/> griechische Negierung zu schulden kommen ließ, hatten eine ernste Differenz zwischen<lb/> England einerseits und Rußland in Verbindung mit Frankreich anderseits her¬<lb/> beigeführt. Es handelte sich um die Entschädigung des Juden Pacifico, dem<lb/> der ätherische Pöbel Haus und Möbel zertrümmert hatte, worauf Admiral<lb/> Parker mit einem britischen Geschwader im Hafen von Salamis erschien und<lb/> griechische Handelsschiffe mit Beschlag belegte. Rußland und Frankreich pro-<lb/> stirten dagegen, und die Sache machte großen Lärm und verschaffte Palmerston<lb/> Gelegenheit, eine hochfahrende Parlamentsrede mit Anrufung des Römerwortes:<lb/> Liois RomWus Lulu vom Stapel zu lassen und über seine Gegner zu trium-<lb/> phiren. Er hatte sich an das englische Selbstgefühl gewandt und damit gesiegt.<lb/> Aber die Begeisterung seiner Partei hätte schwerlich lange vorgehalten und<lb/> ihm das Portefeuille gewiß nicht gerettet, wenn er nicht mit dem Russen Brünnow<lb/> heimlich seinen Frieden gemacht und Gewißheit gehabt hätte, daß die Sache keine<lb/> weitern internationalen Folgen haben würde.. .. Man fragte sich damals: Sollte<lb/> er sich diesen diplomatischen Waffenstillstand um den Preis von Schleswig-<lb/> Holstein verschafft haben . . . aber eine bestimmte Antwort wußte Niemand.<lb/> Dagegen hatte mir mein Bruder die positive Versicherung geben können, daß<lb/> der Handel zwischen den Ministern wirklich abgeschlossen worden war. Kaiser<lb/> Nikolaus legte einen solchen Wert auf die Integrität Dänemarks, daß Brünnow<lb/> den Auftrag erhalten hatte, seine diplomatischen Feindseligkeiten gegen Palmerston<lb/> einzustellen und dessen Einladungen wieder zu acceptiren. Schleswig-Holstein<lb/> aber mußte für den Juden Pacifico bluten als ein unvergängliches Merkzeichen<lb/> für die Rolle, welche Deutschland in der diplomatischen Welt damals spielte."<lb/> „Die armen Schleswiger müssen nun alles büßen — schrieb Prinz Albert nach<lb/> dem 9. August, dem Tage der Unterzeichnung des Londoner Protokolls, an<lb/> seinen Bruder — sogar auch die Sünden unsers auswärtigen Engels, der sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Die Denkwürdigkeiten des Herzogs Lrnsr.
Dänemarks, Nußland und Frankreich, von der englischen Regierung eine gemein¬
same Erklärung, wonach die Succession in Dänemark lediglich auf Grund der
Erhaltung dieses Staates in seiner vollen Integrität geregelt werden sollte. .. .
Preußen wurde eingeladen, dieser Vereinbarung beizutreten, lehnte aber zunächst
jede Mitwirkung ab, und so wurde das Protokoll am 2. August von Rußland,
Frankreich und England allein unterzeichnet, auch von letzterm, obwohl es sich
auch von jener loyalen Richtung entfernte, welche die englische Regierung bis
dahin in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit eingehalten und welche die
Königin als Ehrensache einer vermittelnden Macht bei mehr als einer Gelegen¬
heit bezeichnet hatte. In der That enthielt die Erklärung der drei Mächte ein
volles Zugeständnis an die russischen Aspirationen eines Protektorats über
Dänemark. . . . Nur dem Kaiser Nikolaus konnte eine so gewaltsame Lösung der
Legitimitätsfrage wünschenswert sein, niemand als er hatte sie beantragt.
Palmerston hatte sich erst im Verlaufe einer andern Frage zu der russischen
Auffassung der Dinge bekehrt. . .. Die Übereilungen, welche er sich gegen die
griechische Negierung zu schulden kommen ließ, hatten eine ernste Differenz zwischen
England einerseits und Rußland in Verbindung mit Frankreich anderseits her¬
beigeführt. Es handelte sich um die Entschädigung des Juden Pacifico, dem
der ätherische Pöbel Haus und Möbel zertrümmert hatte, worauf Admiral
Parker mit einem britischen Geschwader im Hafen von Salamis erschien und
griechische Handelsschiffe mit Beschlag belegte. Rußland und Frankreich pro-
stirten dagegen, und die Sache machte großen Lärm und verschaffte Palmerston
Gelegenheit, eine hochfahrende Parlamentsrede mit Anrufung des Römerwortes:
Liois RomWus Lulu vom Stapel zu lassen und über seine Gegner zu trium-
phiren. Er hatte sich an das englische Selbstgefühl gewandt und damit gesiegt.
Aber die Begeisterung seiner Partei hätte schwerlich lange vorgehalten und
ihm das Portefeuille gewiß nicht gerettet, wenn er nicht mit dem Russen Brünnow
heimlich seinen Frieden gemacht und Gewißheit gehabt hätte, daß die Sache keine
weitern internationalen Folgen haben würde.. .. Man fragte sich damals: Sollte
er sich diesen diplomatischen Waffenstillstand um den Preis von Schleswig-
Holstein verschafft haben . . . aber eine bestimmte Antwort wußte Niemand.
Dagegen hatte mir mein Bruder die positive Versicherung geben können, daß
der Handel zwischen den Ministern wirklich abgeschlossen worden war. Kaiser
Nikolaus legte einen solchen Wert auf die Integrität Dänemarks, daß Brünnow
den Auftrag erhalten hatte, seine diplomatischen Feindseligkeiten gegen Palmerston
einzustellen und dessen Einladungen wieder zu acceptiren. Schleswig-Holstein
aber mußte für den Juden Pacifico bluten als ein unvergängliches Merkzeichen
für die Rolle, welche Deutschland in der diplomatischen Welt damals spielte."
„Die armen Schleswiger müssen nun alles büßen — schrieb Prinz Albert nach
dem 9. August, dem Tage der Unterzeichnung des Londoner Protokolls, an
seinen Bruder — sogar auch die Sünden unsers auswärtigen Engels, der sich
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