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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Gottsched und die deutsche Sprache.

init werden nur darum vorgeführt, um einerseits als Warnung zu dienen, uns
Reichsdeutsche" sowohl wie unsern Bundesgenossen in Österreich, daß wir nicht
wieder in ähnliche Fehler verfallen. Anderseits aber sollen die Sturme nud
Kämpfe, die Leiden und Opfer, welche erforderlich waren, um das zu erreichet!,
was erreicht ist, uns allen eine ernste, in der jetzigen Zeit, in der Kaiser und
Vaterland von schweren, Kummer gedrückt sind, umso eindringlichere Mahnung
sein, in der Treue gegen Kaiser und Reich, in der Liebe zu unserm erhabenen
Herrscherhause, in opferwilliger Liebe zu unserm Vaterlande unerschütterlich fest
zusammenzustehen, unverbrüchlich fest aber auch zu unsern Bundesgenossen zu
halten. Dann können wir allen Gefahren getrost entgegen gehen.



Gottsched und die deutsche Sprache.
von Albert Richter. (Schluß.)

ottscheds Vorschlag fand überall Beifall und drang in ganz
Deutschland durch, trotz einiger Querkopfe und Spötter, und das
Verdienst, das er sich durch diese Einigung Deutschlands er¬
worben hat, ist sicher nicht gering. Die Einigung Deutschlands
in Sprache, Wissenschaft und Dichtung war eine notwendige Vor¬
stufe der staatlichen Einigung. Die sich eng verbunden um diejenigen scharten,
die in Wort und Schrift dem Volke das "Seid einig!" zuriefen, die haben
später ebenso eng verbunden durch Thaten die Einigkeit herbeigeführt.

Die abseits stehenden Nord- und Süddeutschen hat Gottsched zuerst durch
die Sprache mit den Mitteldeutschen und dadurch alle unter einander einig ge¬
macht. Im Jahre 1749 erhielt Gottsched einen Brief aus Wien, durch den
ihm mitgeteilt wurde, seine deutsche Sprachkunst gehe dort "haufenweise" ab
und helfe zum Deutschlernen trotz des Einflusses der Jesuiten. Im Jahre 1762
konnte Gottsched die Hoffnung aussprechen, seiue Sprachlehre werde allmählich
in den Landschaften längs der Donau und des Rheins mehr und mehr in
Aufnahme kommen, je mehr sie schon in der kaiserlichen Residenz selbst auf aller¬
höchste Genchmhaltung und ausdrücklichen Befehl bei der vornehmen adlichen
Jugend eingeführt worden sei.*)



*) Reiches Material zur Geschichte des Bordringens der Gottschcdischm Schriftsprache
in die katholischen Gegenden Siiddeutschlands bieten die kürzlich unter dem Titel Von Luther
bis Lessing erschienenen spmchgeschichtlichen Ansstttze von Friedrich Kluge (Strnßlnng,
Triibner, 1883). Berge, besonders den neunte" Abschnitt.
Gottsched und die deutsche Sprache.

init werden nur darum vorgeführt, um einerseits als Warnung zu dienen, uns
Reichsdeutsche» sowohl wie unsern Bundesgenossen in Österreich, daß wir nicht
wieder in ähnliche Fehler verfallen. Anderseits aber sollen die Sturme nud
Kämpfe, die Leiden und Opfer, welche erforderlich waren, um das zu erreichet!,
was erreicht ist, uns allen eine ernste, in der jetzigen Zeit, in der Kaiser und
Vaterland von schweren, Kummer gedrückt sind, umso eindringlichere Mahnung
sein, in der Treue gegen Kaiser und Reich, in der Liebe zu unserm erhabenen
Herrscherhause, in opferwilliger Liebe zu unserm Vaterlande unerschütterlich fest
zusammenzustehen, unverbrüchlich fest aber auch zu unsern Bundesgenossen zu
halten. Dann können wir allen Gefahren getrost entgegen gehen.



Gottsched und die deutsche Sprache.
von Albert Richter. (Schluß.)

ottscheds Vorschlag fand überall Beifall und drang in ganz
Deutschland durch, trotz einiger Querkopfe und Spötter, und das
Verdienst, das er sich durch diese Einigung Deutschlands er¬
worben hat, ist sicher nicht gering. Die Einigung Deutschlands
in Sprache, Wissenschaft und Dichtung war eine notwendige Vor¬
stufe der staatlichen Einigung. Die sich eng verbunden um diejenigen scharten,
die in Wort und Schrift dem Volke das „Seid einig!" zuriefen, die haben
später ebenso eng verbunden durch Thaten die Einigkeit herbeigeführt.

Die abseits stehenden Nord- und Süddeutschen hat Gottsched zuerst durch
die Sprache mit den Mitteldeutschen und dadurch alle unter einander einig ge¬
macht. Im Jahre 1749 erhielt Gottsched einen Brief aus Wien, durch den
ihm mitgeteilt wurde, seine deutsche Sprachkunst gehe dort „haufenweise" ab
und helfe zum Deutschlernen trotz des Einflusses der Jesuiten. Im Jahre 1762
konnte Gottsched die Hoffnung aussprechen, seiue Sprachlehre werde allmählich
in den Landschaften längs der Donau und des Rheins mehr und mehr in
Aufnahme kommen, je mehr sie schon in der kaiserlichen Residenz selbst auf aller¬
höchste Genchmhaltung und ausdrücklichen Befehl bei der vornehmen adlichen
Jugend eingeführt worden sei.*)



*) Reiches Material zur Geschichte des Bordringens der Gottschcdischm Schriftsprache
in die katholischen Gegenden Siiddeutschlands bieten die kürzlich unter dem Titel Von Luther
bis Lessing erschienenen spmchgeschichtlichen Ansstttze von Friedrich Kluge (Strnßlnng,
Triibner, 1883). Berge, besonders den neunte» Abschnitt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/407>, abgerufen am 28.09.2024.