Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht.

Helden vertrautester Freund und unzertrennlicher Begleiter; beide unternehmen
gemeinschaftlich Abenteuer und Jagdzüge gegen wilde Ungeheuer. Eabani ver¬
spricht seinem Begleiter, ihn zum Könige zu machen, sobald sie nur erst den
Tyrannen Humbaba getötet hätten. Offenbar liegt hierin die Deutung von
Dnbars Traum, indem die vom Himmel fallenden Sterne seine Einsetzung ins
Königtum verkünden, während Humbaba das geschaute Ungeheuer ist. Dieser
Tyrann wohnt in einem von Cypressen und Cedern umwachsenen Palast. Kühn
durchbrechen die beiden Abenteurer das Parkthor, dringen in den Palast und
erschlagen den Humbaba. Dubar wird als Landesfürst eingesetzt.

Nun beginnt sich der Knoten der Erzählung zu schürzen. Istar, die
babylonische Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit, verliebt sich in den
gewaltigen Helden, der das Land befreit hat, und macht ihm die glänzendsten
Verheißungen: "Du sollst mein Mann sein und ich dein Weib. Ich will dich
fahren lassen auf einem Wagen von Gold und Edelsteinen; Könige und
Fürsten, die Großen der Erde, sollen dir Unterthan sein und dir deine Füße
küssen."

Aber trotz aller Lockungen des Glückes, das seiner harrt, weist Dubar die
Göttin zurück; indem er ihr vorwirft, daß sie bisher alle, die sie durch ihre
Liebe begünstigt habe und die in ihre Netze gegangen seien, belogen und ver¬
raten habe. "Da ward Istar zornig und stieg zum Himmel hinan, und Istar
trat vor Ann, ihren Vater; vor Anatu, ihre Mutter, trat sie und sprach:
Mein Vater! Jsdubar haßt mich und Jsdubar verschmäht meine Schönheit,
meine Schönheit und meinen Liebreiz."

Ann, ihr Vater, der Herr aller über- und unterirdischen Geister, soll sie
rächen; zu diesem Zwecke erschafft er seiner Tochter einen Stier, der Dubar
töten soll. Aber Dubar, im Verein mit seinem Freunde Eabani, erschlägt das
Tier und weiht es dem Sonnengotte sanais. Istar, wütend über das Mi߬
lingen ihrer Rache, sucht nun Beistand in der Unterwelt. Da der Himmel ihr
nicht geholfen hat, so fährt sie zur Hölle hinab.

"Nach dem Lande ohne Heimkehr, dem fernen, dem Gebiete der Verwesung,
Istar, Sins ^Sir ein andrer Name für Ann> Tochter, ihren Sinn richtete; die
Tochter Sins richtete ihren Sinn nach dem Hause der Verwesung, der Wohnung
Jrkallas; nach dem Hause, dessen Pforte ist ohne Ausgang, nach dem Pfade,
dessen Weg ist ohne Rückkehr; nach dem Hause, dessen Eingang des Lichtes
beraubt ist, dem Orte, wo Staubes Menge ihre Nahrung, Kot ihre Speise.
Wo Licht nie geschaut wird, wo im Düstern sie wohnen, wo Geister gleich
Vögeln die Gewölbe durchschwirren. Über Thür und Riegel ist ausgebreitet
Staub."

Istar durchschreitet nun die sieben Thore der Hölle, muß aber, da während
der Abwesenheit der Liebesgöttin auf Erden alles in Unordnung gerät, auf Eas
Geheiß nach oben zurückkehren.


Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht.

Helden vertrautester Freund und unzertrennlicher Begleiter; beide unternehmen
gemeinschaftlich Abenteuer und Jagdzüge gegen wilde Ungeheuer. Eabani ver¬
spricht seinem Begleiter, ihn zum Könige zu machen, sobald sie nur erst den
Tyrannen Humbaba getötet hätten. Offenbar liegt hierin die Deutung von
Dnbars Traum, indem die vom Himmel fallenden Sterne seine Einsetzung ins
Königtum verkünden, während Humbaba das geschaute Ungeheuer ist. Dieser
Tyrann wohnt in einem von Cypressen und Cedern umwachsenen Palast. Kühn
durchbrechen die beiden Abenteurer das Parkthor, dringen in den Palast und
erschlagen den Humbaba. Dubar wird als Landesfürst eingesetzt.

Nun beginnt sich der Knoten der Erzählung zu schürzen. Istar, die
babylonische Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit, verliebt sich in den
gewaltigen Helden, der das Land befreit hat, und macht ihm die glänzendsten
Verheißungen: „Du sollst mein Mann sein und ich dein Weib. Ich will dich
fahren lassen auf einem Wagen von Gold und Edelsteinen; Könige und
Fürsten, die Großen der Erde, sollen dir Unterthan sein und dir deine Füße
küssen."

Aber trotz aller Lockungen des Glückes, das seiner harrt, weist Dubar die
Göttin zurück; indem er ihr vorwirft, daß sie bisher alle, die sie durch ihre
Liebe begünstigt habe und die in ihre Netze gegangen seien, belogen und ver¬
raten habe. „Da ward Istar zornig und stieg zum Himmel hinan, und Istar
trat vor Ann, ihren Vater; vor Anatu, ihre Mutter, trat sie und sprach:
Mein Vater! Jsdubar haßt mich und Jsdubar verschmäht meine Schönheit,
meine Schönheit und meinen Liebreiz."

Ann, ihr Vater, der Herr aller über- und unterirdischen Geister, soll sie
rächen; zu diesem Zwecke erschafft er seiner Tochter einen Stier, der Dubar
töten soll. Aber Dubar, im Verein mit seinem Freunde Eabani, erschlägt das
Tier und weiht es dem Sonnengotte sanais. Istar, wütend über das Mi߬
lingen ihrer Rache, sucht nun Beistand in der Unterwelt. Da der Himmel ihr
nicht geholfen hat, so fährt sie zur Hölle hinab.

„Nach dem Lande ohne Heimkehr, dem fernen, dem Gebiete der Verwesung,
Istar, Sins ^Sir ein andrer Name für Ann> Tochter, ihren Sinn richtete; die
Tochter Sins richtete ihren Sinn nach dem Hause der Verwesung, der Wohnung
Jrkallas; nach dem Hause, dessen Pforte ist ohne Ausgang, nach dem Pfade,
dessen Weg ist ohne Rückkehr; nach dem Hause, dessen Eingang des Lichtes
beraubt ist, dem Orte, wo Staubes Menge ihre Nahrung, Kot ihre Speise.
Wo Licht nie geschaut wird, wo im Düstern sie wohnen, wo Geister gleich
Vögeln die Gewölbe durchschwirren. Über Thür und Riegel ist ausgebreitet
Staub."

Istar durchschreitet nun die sieben Thore der Hölle, muß aber, da während
der Abwesenheit der Liebesgöttin auf Erden alles in Unordnung gerät, auf Eas
Geheiß nach oben zurückkehren.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202441"/>
            <fw type="header" place="top"> Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1253" prev="#ID_1252"> Helden vertrautester Freund und unzertrennlicher Begleiter; beide unternehmen<lb/>
gemeinschaftlich Abenteuer und Jagdzüge gegen wilde Ungeheuer. Eabani ver¬<lb/>
spricht seinem Begleiter, ihn zum Könige zu machen, sobald sie nur erst den<lb/>
Tyrannen Humbaba getötet hätten. Offenbar liegt hierin die Deutung von<lb/>
Dnbars Traum, indem die vom Himmel fallenden Sterne seine Einsetzung ins<lb/>
Königtum verkünden, während Humbaba das geschaute Ungeheuer ist. Dieser<lb/>
Tyrann wohnt in einem von Cypressen und Cedern umwachsenen Palast. Kühn<lb/>
durchbrechen die beiden Abenteurer das Parkthor, dringen in den Palast und<lb/>
erschlagen den Humbaba.  Dubar wird als Landesfürst eingesetzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1254"> Nun beginnt sich der Knoten der Erzählung zu schürzen. Istar, die<lb/>
babylonische Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit, verliebt sich in den<lb/>
gewaltigen Helden, der das Land befreit hat, und macht ihm die glänzendsten<lb/>
Verheißungen: &#x201E;Du sollst mein Mann sein und ich dein Weib. Ich will dich<lb/>
fahren lassen auf einem Wagen von Gold und Edelsteinen; Könige und<lb/>
Fürsten, die Großen der Erde, sollen dir Unterthan sein und dir deine Füße<lb/>
küssen."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1255"> Aber trotz aller Lockungen des Glückes, das seiner harrt, weist Dubar die<lb/>
Göttin zurück; indem er ihr vorwirft, daß sie bisher alle, die sie durch ihre<lb/>
Liebe begünstigt habe und die in ihre Netze gegangen seien, belogen und ver¬<lb/>
raten habe. &#x201E;Da ward Istar zornig und stieg zum Himmel hinan, und Istar<lb/>
trat vor Ann, ihren Vater; vor Anatu, ihre Mutter, trat sie und sprach:<lb/>
Mein Vater! Jsdubar haßt mich und Jsdubar verschmäht meine Schönheit,<lb/>
meine Schönheit und meinen Liebreiz."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1256"> Ann, ihr Vater, der Herr aller über- und unterirdischen Geister, soll sie<lb/>
rächen; zu diesem Zwecke erschafft er seiner Tochter einen Stier, der Dubar<lb/>
töten soll. Aber Dubar, im Verein mit seinem Freunde Eabani, erschlägt das<lb/>
Tier und weiht es dem Sonnengotte sanais. Istar, wütend über das Mi߬<lb/>
lingen ihrer Rache, sucht nun Beistand in der Unterwelt. Da der Himmel ihr<lb/>
nicht geholfen hat, so fährt sie zur Hölle hinab.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1257"> &#x201E;Nach dem Lande ohne Heimkehr, dem fernen, dem Gebiete der Verwesung,<lb/>
Istar, Sins ^Sir ein andrer Name für Ann&gt; Tochter, ihren Sinn richtete; die<lb/>
Tochter Sins richtete ihren Sinn nach dem Hause der Verwesung, der Wohnung<lb/>
Jrkallas; nach dem Hause, dessen Pforte ist ohne Ausgang, nach dem Pfade,<lb/>
dessen Weg ist ohne Rückkehr; nach dem Hause, dessen Eingang des Lichtes<lb/>
beraubt ist, dem Orte, wo Staubes Menge ihre Nahrung, Kot ihre Speise.<lb/>
Wo Licht nie geschaut wird, wo im Düstern sie wohnen, wo Geister gleich<lb/>
Vögeln die Gewölbe durchschwirren. Über Thür und Riegel ist ausgebreitet<lb/>
Staub."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1258"> Istar durchschreitet nun die sieben Thore der Hölle, muß aber, da während<lb/>
der Abwesenheit der Liebesgöttin auf Erden alles in Unordnung gerät, auf Eas<lb/>
Geheiß nach oben zurückkehren.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0342] Die Dubar-Sage und der keilschriftliche Sintflutbericht. Helden vertrautester Freund und unzertrennlicher Begleiter; beide unternehmen gemeinschaftlich Abenteuer und Jagdzüge gegen wilde Ungeheuer. Eabani ver¬ spricht seinem Begleiter, ihn zum Könige zu machen, sobald sie nur erst den Tyrannen Humbaba getötet hätten. Offenbar liegt hierin die Deutung von Dnbars Traum, indem die vom Himmel fallenden Sterne seine Einsetzung ins Königtum verkünden, während Humbaba das geschaute Ungeheuer ist. Dieser Tyrann wohnt in einem von Cypressen und Cedern umwachsenen Palast. Kühn durchbrechen die beiden Abenteurer das Parkthor, dringen in den Palast und erschlagen den Humbaba. Dubar wird als Landesfürst eingesetzt. Nun beginnt sich der Knoten der Erzählung zu schürzen. Istar, die babylonische Venus, die Göttin der Liebe und Schönheit, verliebt sich in den gewaltigen Helden, der das Land befreit hat, und macht ihm die glänzendsten Verheißungen: „Du sollst mein Mann sein und ich dein Weib. Ich will dich fahren lassen auf einem Wagen von Gold und Edelsteinen; Könige und Fürsten, die Großen der Erde, sollen dir Unterthan sein und dir deine Füße küssen." Aber trotz aller Lockungen des Glückes, das seiner harrt, weist Dubar die Göttin zurück; indem er ihr vorwirft, daß sie bisher alle, die sie durch ihre Liebe begünstigt habe und die in ihre Netze gegangen seien, belogen und ver¬ raten habe. „Da ward Istar zornig und stieg zum Himmel hinan, und Istar trat vor Ann, ihren Vater; vor Anatu, ihre Mutter, trat sie und sprach: Mein Vater! Jsdubar haßt mich und Jsdubar verschmäht meine Schönheit, meine Schönheit und meinen Liebreiz." Ann, ihr Vater, der Herr aller über- und unterirdischen Geister, soll sie rächen; zu diesem Zwecke erschafft er seiner Tochter einen Stier, der Dubar töten soll. Aber Dubar, im Verein mit seinem Freunde Eabani, erschlägt das Tier und weiht es dem Sonnengotte sanais. Istar, wütend über das Mi߬ lingen ihrer Rache, sucht nun Beistand in der Unterwelt. Da der Himmel ihr nicht geholfen hat, so fährt sie zur Hölle hinab. „Nach dem Lande ohne Heimkehr, dem fernen, dem Gebiete der Verwesung, Istar, Sins ^Sir ein andrer Name für Ann> Tochter, ihren Sinn richtete; die Tochter Sins richtete ihren Sinn nach dem Hause der Verwesung, der Wohnung Jrkallas; nach dem Hause, dessen Pforte ist ohne Ausgang, nach dem Pfade, dessen Weg ist ohne Rückkehr; nach dem Hause, dessen Eingang des Lichtes beraubt ist, dem Orte, wo Staubes Menge ihre Nahrung, Kot ihre Speise. Wo Licht nie geschaut wird, wo im Düstern sie wohnen, wo Geister gleich Vögeln die Gewölbe durchschwirren. Über Thür und Riegel ist ausgebreitet Staub." Istar durchschreitet nun die sieben Thore der Hölle, muß aber, da während der Abwesenheit der Liebesgöttin auf Erden alles in Unordnung gerät, auf Eas Geheiß nach oben zurückkehren.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/342
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/342>, abgerufen am 28.09.2024.