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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Llifen.

gleich nach dem Morde Hors, bei ihr Trost für den Verlust seiner Söhne ge¬
sucht und gefunden hat -- eine ganz auf den Kopf gestellte Gesellschaft ur¬
sprünglich sein sollender Menschen. Elisen tötet schließlich sich selbst in der Werk¬
statt des toten Gatten. Einmal muß die Geschichte doch ein Ende haben.

Wie Ebers in der Handlung Vorstellungen der fremdesten Art geschmacklos
durcheinander geworfen hat, so ist auch seine Sprache ein heilloses Gemenge
gar nicht zu einander gehöriger Bilder. So sagt er vom Ägypter Hör einmal:


Wie einem Armen war ihm, der den Hort
Der reichsten Zwerge sieht am Wcgesaumc.

Daß dieses aus dem deutschen Volksgeiste geholte Bild in seinen Wüstentrnum
nicht hineinpaßt, empfindet Ebers nicht. Ein andermal sagt er:


Doch welche Fee schwingt hier den Liliensproß,
Um ihres Höhlengrabcs Fels, den steilen,
Zu wandeln in ein Elsenschlvß?

Und vorher einmal:


Und Wie von Engelchörcn
Nmsungen, flog fiir sie dahin die Zeit.

Für die Forderungen des künstlerischen Stils fehlt es Ebers schlechthin an
Sinn. Sonst könnte er nicht so allgemein schwülstige Bilder niederschreiben,
wie die folgenden, die sich niemand wird vorstellen können:


Dann war's ihm, als erlöschten tausend Kerzen,
Die seine Brust erleuchtet wundervoll.

Oder: Hör wollte


Den neuen Idealen treu verbleiben,
In seines eignen Wesens Palimpsest
Auf blasse Zeilen kraft'ge Züge schreiben.

Wie einer auf sich selbst schreiben soll -- unfaßbar! Um Elifens Mut beim
Zornesausbruch ihres Vaters dichterisch auszusprechen, sagt Ebers: "Ihr ist,
als ob ihr stumpfer Geist sich Schliffe." Um das zornige Gesicht Dusares zu
zeichnen, braucht er das ganz unpassende Bild:


Doch wie wenn Feuersbrunst verzehrt das Haus,
Des Daches Balken hier- und dorthin streben,
Sieht man im grimmen Zorn die Stirne kraus.

Wie jeder schlechte Stilist, spricht Ebers am liebsten in abgeschmackten Super¬
lativen. So sagt er, um das Feuer eines schönen Edelsteins zu malen:


Ein Diadem, woran manch Diamant
So feurig blitzt, als ob darinnen lebe
Ein eigner, blendend Heller Sonnenbrand.

Grenzboten I. 18S8. 40
Llifen.

gleich nach dem Morde Hors, bei ihr Trost für den Verlust seiner Söhne ge¬
sucht und gefunden hat — eine ganz auf den Kopf gestellte Gesellschaft ur¬
sprünglich sein sollender Menschen. Elisen tötet schließlich sich selbst in der Werk¬
statt des toten Gatten. Einmal muß die Geschichte doch ein Ende haben.

Wie Ebers in der Handlung Vorstellungen der fremdesten Art geschmacklos
durcheinander geworfen hat, so ist auch seine Sprache ein heilloses Gemenge
gar nicht zu einander gehöriger Bilder. So sagt er vom Ägypter Hör einmal:


Wie einem Armen war ihm, der den Hort
Der reichsten Zwerge sieht am Wcgesaumc.

Daß dieses aus dem deutschen Volksgeiste geholte Bild in seinen Wüstentrnum
nicht hineinpaßt, empfindet Ebers nicht. Ein andermal sagt er:


Doch welche Fee schwingt hier den Liliensproß,
Um ihres Höhlengrabcs Fels, den steilen,
Zu wandeln in ein Elsenschlvß?

Und vorher einmal:


Und Wie von Engelchörcn
Nmsungen, flog fiir sie dahin die Zeit.

Für die Forderungen des künstlerischen Stils fehlt es Ebers schlechthin an
Sinn. Sonst könnte er nicht so allgemein schwülstige Bilder niederschreiben,
wie die folgenden, die sich niemand wird vorstellen können:


Dann war's ihm, als erlöschten tausend Kerzen,
Die seine Brust erleuchtet wundervoll.

Oder: Hör wollte


Den neuen Idealen treu verbleiben,
In seines eignen Wesens Palimpsest
Auf blasse Zeilen kraft'ge Züge schreiben.

Wie einer auf sich selbst schreiben soll — unfaßbar! Um Elifens Mut beim
Zornesausbruch ihres Vaters dichterisch auszusprechen, sagt Ebers: „Ihr ist,
als ob ihr stumpfer Geist sich Schliffe." Um das zornige Gesicht Dusares zu
zeichnen, braucht er das ganz unpassende Bild:


Doch wie wenn Feuersbrunst verzehrt das Haus,
Des Daches Balken hier- und dorthin streben,
Sieht man im grimmen Zorn die Stirne kraus.

Wie jeder schlechte Stilist, spricht Ebers am liebsten in abgeschmackten Super¬
lativen. So sagt er, um das Feuer eines schönen Edelsteins zu malen:


Ein Diadem, woran manch Diamant
So feurig blitzt, als ob darinnen lebe
Ein eigner, blendend Heller Sonnenbrand.

Grenzboten I. 18S8. 40
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[0321] Llifen. gleich nach dem Morde Hors, bei ihr Trost für den Verlust seiner Söhne ge¬ sucht und gefunden hat — eine ganz auf den Kopf gestellte Gesellschaft ur¬ sprünglich sein sollender Menschen. Elisen tötet schließlich sich selbst in der Werk¬ statt des toten Gatten. Einmal muß die Geschichte doch ein Ende haben. Wie Ebers in der Handlung Vorstellungen der fremdesten Art geschmacklos durcheinander geworfen hat, so ist auch seine Sprache ein heilloses Gemenge gar nicht zu einander gehöriger Bilder. So sagt er vom Ägypter Hör einmal: Wie einem Armen war ihm, der den Hort Der reichsten Zwerge sieht am Wcgesaumc. Daß dieses aus dem deutschen Volksgeiste geholte Bild in seinen Wüstentrnum nicht hineinpaßt, empfindet Ebers nicht. Ein andermal sagt er: Doch welche Fee schwingt hier den Liliensproß, Um ihres Höhlengrabcs Fels, den steilen, Zu wandeln in ein Elsenschlvß? Und vorher einmal: Und Wie von Engelchörcn Nmsungen, flog fiir sie dahin die Zeit. Für die Forderungen des künstlerischen Stils fehlt es Ebers schlechthin an Sinn. Sonst könnte er nicht so allgemein schwülstige Bilder niederschreiben, wie die folgenden, die sich niemand wird vorstellen können: Dann war's ihm, als erlöschten tausend Kerzen, Die seine Brust erleuchtet wundervoll. Oder: Hör wollte Den neuen Idealen treu verbleiben, In seines eignen Wesens Palimpsest Auf blasse Zeilen kraft'ge Züge schreiben. Wie einer auf sich selbst schreiben soll — unfaßbar! Um Elifens Mut beim Zornesausbruch ihres Vaters dichterisch auszusprechen, sagt Ebers: „Ihr ist, als ob ihr stumpfer Geist sich Schliffe." Um das zornige Gesicht Dusares zu zeichnen, braucht er das ganz unpassende Bild: Doch wie wenn Feuersbrunst verzehrt das Haus, Des Daches Balken hier- und dorthin streben, Sieht man im grimmen Zorn die Stirne kraus. Wie jeder schlechte Stilist, spricht Ebers am liebsten in abgeschmackten Super¬ lativen. So sagt er, um das Feuer eines schönen Edelsteins zu malen: Ein Diadem, woran manch Diamant So feurig blitzt, als ob darinnen lebe Ein eigner, blendend Heller Sonnenbrand. Grenzboten I. 18S8. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/321>, abgerufen am 28.09.2024.