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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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wir Protestler.

Personen besteht, welche in Versammlungen und Zeitungen sich unnütz machen,
während die Bevölkerung im großen und ganzen weit davon entfernt ist, eine
Änderung der Zustände zu wünschen.

So und nicht anders wird es bald in den Reichsländern, zumal im Elsaß,
bestellt sein, wenn man nur erst wieder inne geworden ist, daß die Regierung
sich vor "uns Protestlern" und den Straßburger Juden, welche beweisen wollen,
daß sie ebenso schlecht französisch wie deutsch sprechen, nicht fürchtet. Wollte
sie napoleonisch regieren und die Herren Protestler irgendwo in Sicherheit
bringen, so würde schnell offenbar werden, daß diese Offiziere keine Armee hinter
sich haben. Und wenn diese sich noch öfter so lächerlich machen, eine Einrich¬
tung als Schmach zu bezeichnen, die sie sich unter dem letzten Napoleon ruhig
haben gefallen lassen, so werden ihnen ihre Leute ohnehin desertiren.

Die letzten Wahlen sind bedauerlich, gewiß, aber sie enthalten zugleich eine
Ehrenerklärung für Deutschland. Den Wählern war weißgemacht worden, die
Franzosen würden eines schönen Tages wieder ins Reich einfallen, wie von der
andern Seite die Russen, und nun fürchteten sie, von ihren lieben Freunden
gebrandschatzt zu werden, falls sie sich unfranzösischer Gesinnung verdächtig
gemacht hätten. Daß sie von den Deutschen nichts ungebührliches zu befahren
hätten, wußten sie, ebenso wie sie wissen, daß es ganz von ihnen abhängt, die
augenblicklich etwas straffer angezogenen Zügel wieder lockerer werden zu lassen.
Einem störrischen Pferde zeigt der Reiter den Meister, ist der Trotz gebrochen,
den Freund.

Eins namentlich sollten "wir Protestler" bedenken. 1871 gab es aller¬
dings in Deutschland Unzurechnungsfähige, welche Deutschland mundeten, unter
dem Gelächter ganz Europas großmütig nicht bloß den französischen, sondern
auch den alten deutschen Boden zu räumen, und möglicherweise giebt es auch
jetzt noch einzelne weise Thebaner aus der Gilde der Ganzfreisinnigen. Aber
solche Querkopfe abgerechnet, ist die ganze Nation darin eines Sinnes, daß fest¬
gehalten werden muß, was wir haben, und daß an der gefährdeten Stelle am
allerwenigsten Posten geduldet werden können, welche merken lassen, daß sie gern
zum Feinde übergehen würden.




wir Protestler.

Personen besteht, welche in Versammlungen und Zeitungen sich unnütz machen,
während die Bevölkerung im großen und ganzen weit davon entfernt ist, eine
Änderung der Zustände zu wünschen.

So und nicht anders wird es bald in den Reichsländern, zumal im Elsaß,
bestellt sein, wenn man nur erst wieder inne geworden ist, daß die Regierung
sich vor „uns Protestlern" und den Straßburger Juden, welche beweisen wollen,
daß sie ebenso schlecht französisch wie deutsch sprechen, nicht fürchtet. Wollte
sie napoleonisch regieren und die Herren Protestler irgendwo in Sicherheit
bringen, so würde schnell offenbar werden, daß diese Offiziere keine Armee hinter
sich haben. Und wenn diese sich noch öfter so lächerlich machen, eine Einrich¬
tung als Schmach zu bezeichnen, die sie sich unter dem letzten Napoleon ruhig
haben gefallen lassen, so werden ihnen ihre Leute ohnehin desertiren.

Die letzten Wahlen sind bedauerlich, gewiß, aber sie enthalten zugleich eine
Ehrenerklärung für Deutschland. Den Wählern war weißgemacht worden, die
Franzosen würden eines schönen Tages wieder ins Reich einfallen, wie von der
andern Seite die Russen, und nun fürchteten sie, von ihren lieben Freunden
gebrandschatzt zu werden, falls sie sich unfranzösischer Gesinnung verdächtig
gemacht hätten. Daß sie von den Deutschen nichts ungebührliches zu befahren
hätten, wußten sie, ebenso wie sie wissen, daß es ganz von ihnen abhängt, die
augenblicklich etwas straffer angezogenen Zügel wieder lockerer werden zu lassen.
Einem störrischen Pferde zeigt der Reiter den Meister, ist der Trotz gebrochen,
den Freund.

Eins namentlich sollten „wir Protestler" bedenken. 1871 gab es aller¬
dings in Deutschland Unzurechnungsfähige, welche Deutschland mundeten, unter
dem Gelächter ganz Europas großmütig nicht bloß den französischen, sondern
auch den alten deutschen Boden zu räumen, und möglicherweise giebt es auch
jetzt noch einzelne weise Thebaner aus der Gilde der Ganzfreisinnigen. Aber
solche Querkopfe abgerechnet, ist die ganze Nation darin eines Sinnes, daß fest¬
gehalten werden muß, was wir haben, und daß an der gefährdeten Stelle am
allerwenigsten Posten geduldet werden können, welche merken lassen, daß sie gern
zum Feinde übergehen würden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/650>, abgerufen am 17.09.2024.