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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Gewiß sind neben der allgemeinen Mutlosigkeit, die sich des Heeres be¬
mächtigt hatte, auch Beispiele der Tapferkeit vorgekommen. Manche mochten
die Schmach nicht überleben. Einer der Adlerträger riß den Adler seiner Legion
von der Stange, versteckte ihn unter seinem Gürtel und verbarg sich mit ihm in
dem blutgetränkten Sumpfe. Varus selbst war bereits verwundet, und als er
sah, daß alles verloren war, stürzte er sich in sein Schwert, ein Beispiel, das
alsbald von den angesehensten Führern nachgeahmt wurde. Mit Ausnahme
weniger, denen es gelungen war, sich aus dem Kampfe zu flüchten, war das
ganze römische Heer vernichtet; weit und breit lagen die Leichen auf dem Felde
umher.

Die Schlacht hatte übrigens noch ein blutiges Nebenspiel. Varus hatte
es nämlich bei der Schwierigkeit des Terrains für unratsam gehalten, den Troß
auf dem letzten Zuge durch den Habichtswald mitzunehmen. Dieser war viel¬
mehr mit der nötigen Besatzungsmannschaft in dem kurz vorher aufgeschlagenen
Lager zurückgelassen worden. Offenbar hatte der Feldherr die Absicht gehabt,
dieses Lager wieder z" entsetzen, sobald er imstande war, mit neuen Truppen
auf dem Kampfplatze zu erscheinen. Noch während der letzten Kämpfe des
Tages hatten aber auch die Deutschen einen Angriff auf die römischen Scharen
gemacht, und bei dieser Gelegenheit war es, daß der Lagerpräfekt Cejonius, als
er sah, wie bereits der größte Teil der Truppen in der Schlacht gefallen war,
dazu riet, sich den Feinden zu ergeben. Eine Weile freilich behielt noch das
römische Ehrgefühl die Oberhand. Cejonius wurde, vermutlich auf Befehl seines
Kollegen L. Eggius, von den Soldaten ergriffen und zum Tode geführt. Der
Kampf wurde dann noch eine Weile fortgesetzt. Aber vergeblich. Schließlich
wurde das römische Lager von den Siegern im Sturm genommen und geplündert.

Daß die Deutschen gegen ihre Unterdrücker und Peiniger mit Grausam¬
keit vorgingen, war nur zu natürlich. Man sah denn auch noch später die
Altäre, an denen die Germanen die Führer des römischen Heeres ihren Göttern
zum Opfer dargebracht hatten; man zeigte noch die Stätten, an denen die
Gefangenen ihren Tod durch den Strang gefunden hatten. Auch an sonstigen
Äußerungen der Erbitterung fehlte es nicht. Besonders aber mußte es auf
römischer Seite ein schmerzliches Gefühl erregen, daß man die Leichen der Er¬
schlagenen unbestattet ließ, sodaß sie noch nach sechs Jahren auf den Feldern
umherlagen.

Es würde ungerecht sein, wollte man den Maßstab moderner Gesittung
an das Thun und Lassen der germanischen Sieger legen. Die Äußerung des
Rachegefühls ist noch nie bei barbarischen Völkern als ein Unrecht angesehen
worden; selbst die gebildeten Römer kannten keine Rücksicht, wenn es sich
darum handelte, ein überwundenes Volk zu bestrafen oder unschädlich zu machen.
Man wird es daher erklärlich finden, wenn auch nach dem Siege im Teuto¬
burger Walde, seitdem einmal die Leidenschaft des Hasses entfesselt worden war,


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

Gewiß sind neben der allgemeinen Mutlosigkeit, die sich des Heeres be¬
mächtigt hatte, auch Beispiele der Tapferkeit vorgekommen. Manche mochten
die Schmach nicht überleben. Einer der Adlerträger riß den Adler seiner Legion
von der Stange, versteckte ihn unter seinem Gürtel und verbarg sich mit ihm in
dem blutgetränkten Sumpfe. Varus selbst war bereits verwundet, und als er
sah, daß alles verloren war, stürzte er sich in sein Schwert, ein Beispiel, das
alsbald von den angesehensten Führern nachgeahmt wurde. Mit Ausnahme
weniger, denen es gelungen war, sich aus dem Kampfe zu flüchten, war das
ganze römische Heer vernichtet; weit und breit lagen die Leichen auf dem Felde
umher.

Die Schlacht hatte übrigens noch ein blutiges Nebenspiel. Varus hatte
es nämlich bei der Schwierigkeit des Terrains für unratsam gehalten, den Troß
auf dem letzten Zuge durch den Habichtswald mitzunehmen. Dieser war viel¬
mehr mit der nötigen Besatzungsmannschaft in dem kurz vorher aufgeschlagenen
Lager zurückgelassen worden. Offenbar hatte der Feldherr die Absicht gehabt,
dieses Lager wieder z» entsetzen, sobald er imstande war, mit neuen Truppen
auf dem Kampfplatze zu erscheinen. Noch während der letzten Kämpfe des
Tages hatten aber auch die Deutschen einen Angriff auf die römischen Scharen
gemacht, und bei dieser Gelegenheit war es, daß der Lagerpräfekt Cejonius, als
er sah, wie bereits der größte Teil der Truppen in der Schlacht gefallen war,
dazu riet, sich den Feinden zu ergeben. Eine Weile freilich behielt noch das
römische Ehrgefühl die Oberhand. Cejonius wurde, vermutlich auf Befehl seines
Kollegen L. Eggius, von den Soldaten ergriffen und zum Tode geführt. Der
Kampf wurde dann noch eine Weile fortgesetzt. Aber vergeblich. Schließlich
wurde das römische Lager von den Siegern im Sturm genommen und geplündert.

Daß die Deutschen gegen ihre Unterdrücker und Peiniger mit Grausam¬
keit vorgingen, war nur zu natürlich. Man sah denn auch noch später die
Altäre, an denen die Germanen die Führer des römischen Heeres ihren Göttern
zum Opfer dargebracht hatten; man zeigte noch die Stätten, an denen die
Gefangenen ihren Tod durch den Strang gefunden hatten. Auch an sonstigen
Äußerungen der Erbitterung fehlte es nicht. Besonders aber mußte es auf
römischer Seite ein schmerzliches Gefühl erregen, daß man die Leichen der Er¬
schlagenen unbestattet ließ, sodaß sie noch nach sechs Jahren auf den Feldern
umherlagen.

Es würde ungerecht sein, wollte man den Maßstab moderner Gesittung
an das Thun und Lassen der germanischen Sieger legen. Die Äußerung des
Rachegefühls ist noch nie bei barbarischen Völkern als ein Unrecht angesehen
worden; selbst die gebildeten Römer kannten keine Rücksicht, wenn es sich
darum handelte, ein überwundenes Volk zu bestrafen oder unschädlich zu machen.
Man wird es daher erklärlich finden, wenn auch nach dem Siege im Teuto¬
burger Walde, seitdem einmal die Leidenschaft des Hasses entfesselt worden war,


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[0630] Die Schlacht im Teutoburger Walde. Gewiß sind neben der allgemeinen Mutlosigkeit, die sich des Heeres be¬ mächtigt hatte, auch Beispiele der Tapferkeit vorgekommen. Manche mochten die Schmach nicht überleben. Einer der Adlerträger riß den Adler seiner Legion von der Stange, versteckte ihn unter seinem Gürtel und verbarg sich mit ihm in dem blutgetränkten Sumpfe. Varus selbst war bereits verwundet, und als er sah, daß alles verloren war, stürzte er sich in sein Schwert, ein Beispiel, das alsbald von den angesehensten Führern nachgeahmt wurde. Mit Ausnahme weniger, denen es gelungen war, sich aus dem Kampfe zu flüchten, war das ganze römische Heer vernichtet; weit und breit lagen die Leichen auf dem Felde umher. Die Schlacht hatte übrigens noch ein blutiges Nebenspiel. Varus hatte es nämlich bei der Schwierigkeit des Terrains für unratsam gehalten, den Troß auf dem letzten Zuge durch den Habichtswald mitzunehmen. Dieser war viel¬ mehr mit der nötigen Besatzungsmannschaft in dem kurz vorher aufgeschlagenen Lager zurückgelassen worden. Offenbar hatte der Feldherr die Absicht gehabt, dieses Lager wieder z» entsetzen, sobald er imstande war, mit neuen Truppen auf dem Kampfplatze zu erscheinen. Noch während der letzten Kämpfe des Tages hatten aber auch die Deutschen einen Angriff auf die römischen Scharen gemacht, und bei dieser Gelegenheit war es, daß der Lagerpräfekt Cejonius, als er sah, wie bereits der größte Teil der Truppen in der Schlacht gefallen war, dazu riet, sich den Feinden zu ergeben. Eine Weile freilich behielt noch das römische Ehrgefühl die Oberhand. Cejonius wurde, vermutlich auf Befehl seines Kollegen L. Eggius, von den Soldaten ergriffen und zum Tode geführt. Der Kampf wurde dann noch eine Weile fortgesetzt. Aber vergeblich. Schließlich wurde das römische Lager von den Siegern im Sturm genommen und geplündert. Daß die Deutschen gegen ihre Unterdrücker und Peiniger mit Grausam¬ keit vorgingen, war nur zu natürlich. Man sah denn auch noch später die Altäre, an denen die Germanen die Führer des römischen Heeres ihren Göttern zum Opfer dargebracht hatten; man zeigte noch die Stätten, an denen die Gefangenen ihren Tod durch den Strang gefunden hatten. Auch an sonstigen Äußerungen der Erbitterung fehlte es nicht. Besonders aber mußte es auf römischer Seite ein schmerzliches Gefühl erregen, daß man die Leichen der Er¬ schlagenen unbestattet ließ, sodaß sie noch nach sechs Jahren auf den Feldern umherlagen. Es würde ungerecht sein, wollte man den Maßstab moderner Gesittung an das Thun und Lassen der germanischen Sieger legen. Die Äußerung des Rachegefühls ist noch nie bei barbarischen Völkern als ein Unrecht angesehen worden; selbst die gebildeten Römer kannten keine Rücksicht, wenn es sich darum handelte, ein überwundenes Volk zu bestrafen oder unschädlich zu machen. Man wird es daher erklärlich finden, wenn auch nach dem Siege im Teuto¬ burger Walde, seitdem einmal die Leidenschaft des Hasses entfesselt worden war,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/630>, abgerufen am 17.09.2024.