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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Soldaten das Herz klopfen, wenn er in diese düstere Landschaft hinabsah, Wohl
mochte auch dem Barus eine dunkle Ahnung aufsteigen von dem, was ihm
bevorstand, wenn er sich der Worte des Segest erinnerte, der ihn vor Armin
und seinen Mitverschwornen gewarnt hatte.

Und doch mußte mau in dieses Waldesdunkel eintreten, wenn man seinen,
Ziele entgegengehen wollte. Nicht die Überredungskunst germanischer Führer,
nicht eine eigensinnige Laune des römischen Feldherrn müssen heraufbeschworen
werden, um es zu erklären, daß die Römer in den Teutoburger Wald gegangen
sind. Man konnte eben nicht anders. Schon strömte der Regen vom Himmel
herab und weichte den fetten Boden auf. Unmöglich konnte man die ganze
Reise nach der Weser von neuem antreten. Und wenn man es auch gewollt
hätte, was hätte man damit erreichen können? Man würde den Marsch nach
dem Winterlager nur verlängert haben. Welchen Eindruck hätte es auch auf
die Deutschen machen müssen, wenn ein römisches Heer von drei Legionen einen
solchen Rückzug angetreten hätte! Auch nach irgend einer Richtung rechts oder
links auszuweichen war nicht möglich. Auf der Nordseite das Burgergebirge
umgehen konnte man nicht. Man würde in noch ausgedehntere Wälder ge¬
raten sein; Wege waren in dieser Richtung sicher nicht vorhanden, und schlie߬
lich hätte man doch wieder neben dem Dörenberge das Gebirge überschreiten
müssen, um den Paß von Iburg zu erreichen. Der Versuch aber, nach Süden
vorzugehen, konnte gar nicht gemacht werden angesichts der hohen Berge, über
die man zu steigen, und der tiefen Schluchten, die man auf diesem Wege zu
überwinden hatte. Es würden sich gerade die Schwierigkeiten gehäuft haben,
wenn man es hätte unternehmen wollen, mit allen Gepäckwagen und dem großen
Troß durch dieses System paralleler Gebirgszüge und dazwischenliegender
Thäler durchzubrechen. Das Natürlichste war, wie überall, so auch hier, die
Längenrichtung der Berge einzuschlagen. Und so blieb denn gar keine Wahl:
man mußte südlich vom Burgergebirge zwischen den Bergwänden hinziehen. Es
ivar ja auch nicht mehr weit bis Iburg. Kaum anderthalb Meilen hatte man
noch zurückzulegen, und man war in der westfälischen Ebene angelangt. Dann
aber war man aller Schwierigkeiten des Marsches überhoben. Bereits konnte
man, wenn der Sturm die Wollen lichtete und auf kurze Zeit einen Durch¬
blick durch den Regen gestattete, wahrnehmen, wie in einiger Entfernung nach
Südwesten hiu die südliche Gebirgswand sich wieder senkte und einen Durchlaß
zu gewähren schien. Das war der Paß von Iburg. Und warum sollte man
auch in Sarge sein? Deutete doch bisher keine Spur darauf hin, daß etwas
Schlimmes bevorstand. Kein Feind hatte sich bisher gezeigt. Noch immer
herrschte der Friede.

So wurde denn der Weg durch den Teutoburger Wald angetreten. Doch
bald steigerten sich die Unbequemlichkeiten des Marsches. Ehe man zwischen
die parallelen Bergwände gelangte, noch östlich vom Musenberge, waren einige


Soldaten das Herz klopfen, wenn er in diese düstere Landschaft hinabsah, Wohl
mochte auch dem Barus eine dunkle Ahnung aufsteigen von dem, was ihm
bevorstand, wenn er sich der Worte des Segest erinnerte, der ihn vor Armin
und seinen Mitverschwornen gewarnt hatte.

Und doch mußte mau in dieses Waldesdunkel eintreten, wenn man seinen,
Ziele entgegengehen wollte. Nicht die Überredungskunst germanischer Führer,
nicht eine eigensinnige Laune des römischen Feldherrn müssen heraufbeschworen
werden, um es zu erklären, daß die Römer in den Teutoburger Wald gegangen
sind. Man konnte eben nicht anders. Schon strömte der Regen vom Himmel
herab und weichte den fetten Boden auf. Unmöglich konnte man die ganze
Reise nach der Weser von neuem antreten. Und wenn man es auch gewollt
hätte, was hätte man damit erreichen können? Man würde den Marsch nach
dem Winterlager nur verlängert haben. Welchen Eindruck hätte es auch auf
die Deutschen machen müssen, wenn ein römisches Heer von drei Legionen einen
solchen Rückzug angetreten hätte! Auch nach irgend einer Richtung rechts oder
links auszuweichen war nicht möglich. Auf der Nordseite das Burgergebirge
umgehen konnte man nicht. Man würde in noch ausgedehntere Wälder ge¬
raten sein; Wege waren in dieser Richtung sicher nicht vorhanden, und schlie߬
lich hätte man doch wieder neben dem Dörenberge das Gebirge überschreiten
müssen, um den Paß von Iburg zu erreichen. Der Versuch aber, nach Süden
vorzugehen, konnte gar nicht gemacht werden angesichts der hohen Berge, über
die man zu steigen, und der tiefen Schluchten, die man auf diesem Wege zu
überwinden hatte. Es würden sich gerade die Schwierigkeiten gehäuft haben,
wenn man es hätte unternehmen wollen, mit allen Gepäckwagen und dem großen
Troß durch dieses System paralleler Gebirgszüge und dazwischenliegender
Thäler durchzubrechen. Das Natürlichste war, wie überall, so auch hier, die
Längenrichtung der Berge einzuschlagen. Und so blieb denn gar keine Wahl:
man mußte südlich vom Burgergebirge zwischen den Bergwänden hinziehen. Es
ivar ja auch nicht mehr weit bis Iburg. Kaum anderthalb Meilen hatte man
noch zurückzulegen, und man war in der westfälischen Ebene angelangt. Dann
aber war man aller Schwierigkeiten des Marsches überhoben. Bereits konnte
man, wenn der Sturm die Wollen lichtete und auf kurze Zeit einen Durch¬
blick durch den Regen gestattete, wahrnehmen, wie in einiger Entfernung nach
Südwesten hiu die südliche Gebirgswand sich wieder senkte und einen Durchlaß
zu gewähren schien. Das war der Paß von Iburg. Und warum sollte man
auch in Sarge sein? Deutete doch bisher keine Spur darauf hin, daß etwas
Schlimmes bevorstand. Kein Feind hatte sich bisher gezeigt. Noch immer
herrschte der Friede.

So wurde denn der Weg durch den Teutoburger Wald angetreten. Doch
bald steigerten sich die Unbequemlichkeiten des Marsches. Ehe man zwischen
die parallelen Bergwände gelangte, noch östlich vom Musenberge, waren einige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/588>, abgerufen am 17.09.2024.