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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Tentoburgor tvalde.

gefunden haben. Wäre aber auch Nehme nicht der Ort des Sommerlagers
gewesen, so hätte Varus doch vermutlich diese Stelle berühren müssen, um von
der Weser aus in das Land der Brukterer zu gelangen. Der gerade Weg
führte ih" zunächst das Thal der Werre, sodann das der Elfe hinauf. Setzte
er diese Richtung weiter fort, so gelangte er durch die Straße von Iburg in
das Zentrum des aufständischen Volkes. Da die germanischen Stämme, welche
das Osnabrücker Bergland bewohnten, sich bisher ein der Erhebung nicht
beteiligt hatten, so dürfte er glauben, mit seinem Troß ohne Gefahr diese
Gegend durchziehen zu können. War er aber erst durch das Gebirgsthor bei
Iburg in das Flachland eingedrungen, so durfte er hoffen, seinen Troß auf
dem Wege über Lengerich nach Rheine an der Eins entsenden zu können, wo dieser
in Sicherheit sein mußte, während Varus selbst an der Spitze seiner Legionen
sofort in das aufständische Gebiet vorrücken konnte.

Überhaupt aber war der Weg über Iburg kaum ein Umweg, um von Nehme
nach Vetera zu gelangen, und es würde, auch ohne daß es sich um die Be¬
wältigung eines Aufstandes gehandelt Hütte, die Wahl desselben denkbar gewesen
sein, wenn die Verkehrsverhältnisse auf dieser Linie ebenso günstig gewesen wären,
wie sie auf der südlicheren Linie vorausgesetzt werden müssen. Da es aber galt,
den Aufstand so bald als möglich im Keime zu ersticken, so blieb dem römischen
Feldherrn gar keine Wahl. Er mußte in der bezeichneten Richtung seinen Marsch
antreten. Mochte ihm auch keine förmliche Militärstraße zur Verfügung stehen,
so fehlte es doch nicht an einem gewöhnlichen Fahrwege, und wo derselbe einem
durchziehenden Heere Schwierigkeiten bot, da waren die römischen Pioniere
bereit zu helfen. Übrigens hatten die deutschen Führer, die mit Varus ver¬
kehrten, sich bereit erklärt, zu rechter Zeit mit ihren Truppen zu ihm zu
stoße", um ihn in seinen Unternehmungen gegen die Brukterer wirksam zu
unterstützen. Bei Iburg konnten diese Truppen am leichtesten von allen Seiten
auf die Marschlinie der Römer stoßen, weil sich hier verschiedene Wege ver¬
einigten. Dieser Ort wurde demnach als das nächste Ziel ins Auge gefaßt.

Varus hatte bei seinem Aufbruch von der Weser ein Heer von drei Le-
gionen, sechs Kvhvrten Hilfstruppen und drei Alm Reiterei, zusammen etwa
20 000 Mann bei sich. Dazu begleitete das Heer ein zahlreicher Troß. Auch
Weiber lind Kinder folgten. Daß ein so bedeutender Train für die Sicherheit
und Bequemlichkeit des Marsches ein Hindernis war, liegt auf der Hand. Aber
mit diesem Umstände hatten eben die germanischen Führer gerechnet. Umso
günstiger erschien die Gelegenheit, das römische Heer auf seinem Zuge zu über¬
wältigen.

Während sich also die deutschen Fürsten, die bisher in der Nähe des
Varus verweilt hatten, unter dein Vorwande, ihre Leute zu .Hilfe holen zu
wollen, entfernten, brach der römische Feldherr das Lager an der Weser ab
und setzte sich sodann mit seinem Heere in Bewegung. Bis Meile konnte er


Die Schlacht im Tentoburgor tvalde.

gefunden haben. Wäre aber auch Nehme nicht der Ort des Sommerlagers
gewesen, so hätte Varus doch vermutlich diese Stelle berühren müssen, um von
der Weser aus in das Land der Brukterer zu gelangen. Der gerade Weg
führte ih» zunächst das Thal der Werre, sodann das der Elfe hinauf. Setzte
er diese Richtung weiter fort, so gelangte er durch die Straße von Iburg in
das Zentrum des aufständischen Volkes. Da die germanischen Stämme, welche
das Osnabrücker Bergland bewohnten, sich bisher ein der Erhebung nicht
beteiligt hatten, so dürfte er glauben, mit seinem Troß ohne Gefahr diese
Gegend durchziehen zu können. War er aber erst durch das Gebirgsthor bei
Iburg in das Flachland eingedrungen, so durfte er hoffen, seinen Troß auf
dem Wege über Lengerich nach Rheine an der Eins entsenden zu können, wo dieser
in Sicherheit sein mußte, während Varus selbst an der Spitze seiner Legionen
sofort in das aufständische Gebiet vorrücken konnte.

Überhaupt aber war der Weg über Iburg kaum ein Umweg, um von Nehme
nach Vetera zu gelangen, und es würde, auch ohne daß es sich um die Be¬
wältigung eines Aufstandes gehandelt Hütte, die Wahl desselben denkbar gewesen
sein, wenn die Verkehrsverhältnisse auf dieser Linie ebenso günstig gewesen wären,
wie sie auf der südlicheren Linie vorausgesetzt werden müssen. Da es aber galt,
den Aufstand so bald als möglich im Keime zu ersticken, so blieb dem römischen
Feldherrn gar keine Wahl. Er mußte in der bezeichneten Richtung seinen Marsch
antreten. Mochte ihm auch keine förmliche Militärstraße zur Verfügung stehen,
so fehlte es doch nicht an einem gewöhnlichen Fahrwege, und wo derselbe einem
durchziehenden Heere Schwierigkeiten bot, da waren die römischen Pioniere
bereit zu helfen. Übrigens hatten die deutschen Führer, die mit Varus ver¬
kehrten, sich bereit erklärt, zu rechter Zeit mit ihren Truppen zu ihm zu
stoße», um ihn in seinen Unternehmungen gegen die Brukterer wirksam zu
unterstützen. Bei Iburg konnten diese Truppen am leichtesten von allen Seiten
auf die Marschlinie der Römer stoßen, weil sich hier verschiedene Wege ver¬
einigten. Dieser Ort wurde demnach als das nächste Ziel ins Auge gefaßt.

Varus hatte bei seinem Aufbruch von der Weser ein Heer von drei Le-
gionen, sechs Kvhvrten Hilfstruppen und drei Alm Reiterei, zusammen etwa
20 000 Mann bei sich. Dazu begleitete das Heer ein zahlreicher Troß. Auch
Weiber lind Kinder folgten. Daß ein so bedeutender Train für die Sicherheit
und Bequemlichkeit des Marsches ein Hindernis war, liegt auf der Hand. Aber
mit diesem Umstände hatten eben die germanischen Führer gerechnet. Umso
günstiger erschien die Gelegenheit, das römische Heer auf seinem Zuge zu über¬
wältigen.

Während sich also die deutschen Fürsten, die bisher in der Nähe des
Varus verweilt hatten, unter dein Vorwande, ihre Leute zu .Hilfe holen zu
wollen, entfernten, brach der römische Feldherr das Lager an der Weser ab
und setzte sich sodann mit seinem Heere in Bewegung. Bis Meile konnte er


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[0586] Die Schlacht im Tentoburgor tvalde. gefunden haben. Wäre aber auch Nehme nicht der Ort des Sommerlagers gewesen, so hätte Varus doch vermutlich diese Stelle berühren müssen, um von der Weser aus in das Land der Brukterer zu gelangen. Der gerade Weg führte ih» zunächst das Thal der Werre, sodann das der Elfe hinauf. Setzte er diese Richtung weiter fort, so gelangte er durch die Straße von Iburg in das Zentrum des aufständischen Volkes. Da die germanischen Stämme, welche das Osnabrücker Bergland bewohnten, sich bisher ein der Erhebung nicht beteiligt hatten, so dürfte er glauben, mit seinem Troß ohne Gefahr diese Gegend durchziehen zu können. War er aber erst durch das Gebirgsthor bei Iburg in das Flachland eingedrungen, so durfte er hoffen, seinen Troß auf dem Wege über Lengerich nach Rheine an der Eins entsenden zu können, wo dieser in Sicherheit sein mußte, während Varus selbst an der Spitze seiner Legionen sofort in das aufständische Gebiet vorrücken konnte. Überhaupt aber war der Weg über Iburg kaum ein Umweg, um von Nehme nach Vetera zu gelangen, und es würde, auch ohne daß es sich um die Be¬ wältigung eines Aufstandes gehandelt Hütte, die Wahl desselben denkbar gewesen sein, wenn die Verkehrsverhältnisse auf dieser Linie ebenso günstig gewesen wären, wie sie auf der südlicheren Linie vorausgesetzt werden müssen. Da es aber galt, den Aufstand so bald als möglich im Keime zu ersticken, so blieb dem römischen Feldherrn gar keine Wahl. Er mußte in der bezeichneten Richtung seinen Marsch antreten. Mochte ihm auch keine förmliche Militärstraße zur Verfügung stehen, so fehlte es doch nicht an einem gewöhnlichen Fahrwege, und wo derselbe einem durchziehenden Heere Schwierigkeiten bot, da waren die römischen Pioniere bereit zu helfen. Übrigens hatten die deutschen Führer, die mit Varus ver¬ kehrten, sich bereit erklärt, zu rechter Zeit mit ihren Truppen zu ihm zu stoße», um ihn in seinen Unternehmungen gegen die Brukterer wirksam zu unterstützen. Bei Iburg konnten diese Truppen am leichtesten von allen Seiten auf die Marschlinie der Römer stoßen, weil sich hier verschiedene Wege ver¬ einigten. Dieser Ort wurde demnach als das nächste Ziel ins Auge gefaßt. Varus hatte bei seinem Aufbruch von der Weser ein Heer von drei Le- gionen, sechs Kvhvrten Hilfstruppen und drei Alm Reiterei, zusammen etwa 20 000 Mann bei sich. Dazu begleitete das Heer ein zahlreicher Troß. Auch Weiber lind Kinder folgten. Daß ein so bedeutender Train für die Sicherheit und Bequemlichkeit des Marsches ein Hindernis war, liegt auf der Hand. Aber mit diesem Umstände hatten eben die germanischen Führer gerechnet. Umso günstiger erschien die Gelegenheit, das römische Heer auf seinem Zuge zu über¬ wältigen. Während sich also die deutschen Fürsten, die bisher in der Nähe des Varus verweilt hatten, unter dein Vorwande, ihre Leute zu .Hilfe holen zu wollen, entfernten, brach der römische Feldherr das Lager an der Weser ab und setzte sich sodann mit seinem Heere in Bewegung. Bis Meile konnte er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/586>, abgerufen am 17.09.2024.