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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht im Teutoburger Walde.

burger Waldes zu betreten, zwischen der Ems und Lippe im Lande der Brnk-
terer stand, und zwar, wie wir aus verschiednen Gründen schließen müssen,
unweit Münster, etwa in der Nähe von Greven. Von Rheine her war das
Heer in jene Gegend vorgerückt. Bisher fehlte es aber an jeglichen Merkmalen,
um die Richtung zu bezeichnen, welche Germaniens auf seinem weitern Zuge
im Jahre 15 verfolgt hat. Da ist es nun ein Ereignis von Wichtigkeit, daß
es vor kurzem gelungen ist, die berühmten xcmtss longi des Domitius Aheno-
barbns wiederaufzufinden, Moorbrücken, auf denen nach der Mitteilung des Ta-
eitus ein Teil des römischen Heeres unter Anführung des Caama im Jahre 15
seinen Rückzug angetreten hat. Diese Moorbrücken liegen nordwestlich von
Diepholz zwischen Mehrholz und Brügel, und die genaue Beschreibung, welche
unsre Quelle von dem Schauplatze der Begebenheiten liefert, stimmt so auf¬
fallend mit den dortigen Verhältnissen überein, daß gar kein Zweifel darüber
aufkommen kann, daß wir es hier wirklich mit den xontW lor^i des Domitins
zu thun haben. Damit ist auch der zweite Endpunkt der Linie gegeben, welche
das Heer des Germaniens im Jahre 15 gezogen sein muß, und wir brauchen
nur die beiden nunmehr bekannten Endpunkte zu verbinden, um so auf das
Schlachtfeld des Teutoburger Waldes zu geraten. Dies führt um aber nnter
Berücksichtigung aller geographischen und sonstigen Bedingungen in die Gegend
von Iburg. Hier haben wir daher die Stätte zu suchen, an welcher das Heer
des Varus seinen Untergang gefunden hat.

Von Wichtigkeit ist, daß bei der vou dem Verfasser vertretenen Ansicht
selbst der Name des Teutoburger Waldes seine einfachste Erklärung findet.
Hat doch die Deutung dieses Namens nicht minder ihre mannichfaltigen Schick¬
sale erlebt, und hat doch die Wissenschaft mich hier wieder gar bereitwillig das
Feld der Romantik betreten. Namentlich hat der Gott Teut, der in dem be¬
zeichneten Walde sein Heiligtum oder seine Burg gehabt haben soll, obgleich
ein solcher Gott in der deutschen Mythologie gar nicht nachzuweisen mar, nicht
verfehlt, den Namen mit einem gewissen Zauber zu umhüllen. Unter diesen
Umstände" heißt es in der That, Resignation üben, wenn sich herausstellt, daß
der Name des Teutoburger Waldes einen höchst einfachen, um nicht zu sagen
Prosaischen Ursprung hat. Tanlo ist nämlich, was auf Grund der Lautgesetze
leicht wahrscheinlich gemacht werden kann, nichts weiter als Düte, eine Be¬
nennung, welche demjenigen Flusse zukommt, der unweit Iburg entspringt und
eine Meile unterhalb Osnabrück in die Hase mündet. Teutvburg ist also das¬
selbe, wie Dütcberg oder Dütegebirge, und der Teutoburger Wald ist der Wald
des Dtttegcbirges, d. h. des Gebirges an den Quellen der Düte.

Nachdem ich diese Bemerkungen vorausgeschickt habe, gehe ich nun auf die
geschichtlichen Thatsachen selbst ein.

Die Unterwerfung deutscher Stämme hatte bereits zur Zeit Cäsars ihren
Anfang genommen. Schon damals war die Grenze des römischen Reiches bis


Die Schlacht im Teutoburger Walde.

burger Waldes zu betreten, zwischen der Ems und Lippe im Lande der Brnk-
terer stand, und zwar, wie wir aus verschiednen Gründen schließen müssen,
unweit Münster, etwa in der Nähe von Greven. Von Rheine her war das
Heer in jene Gegend vorgerückt. Bisher fehlte es aber an jeglichen Merkmalen,
um die Richtung zu bezeichnen, welche Germaniens auf seinem weitern Zuge
im Jahre 15 verfolgt hat. Da ist es nun ein Ereignis von Wichtigkeit, daß
es vor kurzem gelungen ist, die berühmten xcmtss longi des Domitius Aheno-
barbns wiederaufzufinden, Moorbrücken, auf denen nach der Mitteilung des Ta-
eitus ein Teil des römischen Heeres unter Anführung des Caama im Jahre 15
seinen Rückzug angetreten hat. Diese Moorbrücken liegen nordwestlich von
Diepholz zwischen Mehrholz und Brügel, und die genaue Beschreibung, welche
unsre Quelle von dem Schauplatze der Begebenheiten liefert, stimmt so auf¬
fallend mit den dortigen Verhältnissen überein, daß gar kein Zweifel darüber
aufkommen kann, daß wir es hier wirklich mit den xontW lor^i des Domitins
zu thun haben. Damit ist auch der zweite Endpunkt der Linie gegeben, welche
das Heer des Germaniens im Jahre 15 gezogen sein muß, und wir brauchen
nur die beiden nunmehr bekannten Endpunkte zu verbinden, um so auf das
Schlachtfeld des Teutoburger Waldes zu geraten. Dies führt um aber nnter
Berücksichtigung aller geographischen und sonstigen Bedingungen in die Gegend
von Iburg. Hier haben wir daher die Stätte zu suchen, an welcher das Heer
des Varus seinen Untergang gefunden hat.

Von Wichtigkeit ist, daß bei der vou dem Verfasser vertretenen Ansicht
selbst der Name des Teutoburger Waldes seine einfachste Erklärung findet.
Hat doch die Deutung dieses Namens nicht minder ihre mannichfaltigen Schick¬
sale erlebt, und hat doch die Wissenschaft mich hier wieder gar bereitwillig das
Feld der Romantik betreten. Namentlich hat der Gott Teut, der in dem be¬
zeichneten Walde sein Heiligtum oder seine Burg gehabt haben soll, obgleich
ein solcher Gott in der deutschen Mythologie gar nicht nachzuweisen mar, nicht
verfehlt, den Namen mit einem gewissen Zauber zu umhüllen. Unter diesen
Umstände» heißt es in der That, Resignation üben, wenn sich herausstellt, daß
der Name des Teutoburger Waldes einen höchst einfachen, um nicht zu sagen
Prosaischen Ursprung hat. Tanlo ist nämlich, was auf Grund der Lautgesetze
leicht wahrscheinlich gemacht werden kann, nichts weiter als Düte, eine Be¬
nennung, welche demjenigen Flusse zukommt, der unweit Iburg entspringt und
eine Meile unterhalb Osnabrück in die Hase mündet. Teutvburg ist also das¬
selbe, wie Dütcberg oder Dütegebirge, und der Teutoburger Wald ist der Wald
des Dtttegcbirges, d. h. des Gebirges an den Quellen der Düte.

Nachdem ich diese Bemerkungen vorausgeschickt habe, gehe ich nun auf die
geschichtlichen Thatsachen selbst ein.

Die Unterwerfung deutscher Stämme hatte bereits zur Zeit Cäsars ihren
Anfang genommen. Schon damals war die Grenze des römischen Reiches bis


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[0583] Die Schlacht im Teutoburger Walde. burger Waldes zu betreten, zwischen der Ems und Lippe im Lande der Brnk- terer stand, und zwar, wie wir aus verschiednen Gründen schließen müssen, unweit Münster, etwa in der Nähe von Greven. Von Rheine her war das Heer in jene Gegend vorgerückt. Bisher fehlte es aber an jeglichen Merkmalen, um die Richtung zu bezeichnen, welche Germaniens auf seinem weitern Zuge im Jahre 15 verfolgt hat. Da ist es nun ein Ereignis von Wichtigkeit, daß es vor kurzem gelungen ist, die berühmten xcmtss longi des Domitius Aheno- barbns wiederaufzufinden, Moorbrücken, auf denen nach der Mitteilung des Ta- eitus ein Teil des römischen Heeres unter Anführung des Caama im Jahre 15 seinen Rückzug angetreten hat. Diese Moorbrücken liegen nordwestlich von Diepholz zwischen Mehrholz und Brügel, und die genaue Beschreibung, welche unsre Quelle von dem Schauplatze der Begebenheiten liefert, stimmt so auf¬ fallend mit den dortigen Verhältnissen überein, daß gar kein Zweifel darüber aufkommen kann, daß wir es hier wirklich mit den xontW lor^i des Domitins zu thun haben. Damit ist auch der zweite Endpunkt der Linie gegeben, welche das Heer des Germaniens im Jahre 15 gezogen sein muß, und wir brauchen nur die beiden nunmehr bekannten Endpunkte zu verbinden, um so auf das Schlachtfeld des Teutoburger Waldes zu geraten. Dies führt um aber nnter Berücksichtigung aller geographischen und sonstigen Bedingungen in die Gegend von Iburg. Hier haben wir daher die Stätte zu suchen, an welcher das Heer des Varus seinen Untergang gefunden hat. Von Wichtigkeit ist, daß bei der vou dem Verfasser vertretenen Ansicht selbst der Name des Teutoburger Waldes seine einfachste Erklärung findet. Hat doch die Deutung dieses Namens nicht minder ihre mannichfaltigen Schick¬ sale erlebt, und hat doch die Wissenschaft mich hier wieder gar bereitwillig das Feld der Romantik betreten. Namentlich hat der Gott Teut, der in dem be¬ zeichneten Walde sein Heiligtum oder seine Burg gehabt haben soll, obgleich ein solcher Gott in der deutschen Mythologie gar nicht nachzuweisen mar, nicht verfehlt, den Namen mit einem gewissen Zauber zu umhüllen. Unter diesen Umstände» heißt es in der That, Resignation üben, wenn sich herausstellt, daß der Name des Teutoburger Waldes einen höchst einfachen, um nicht zu sagen Prosaischen Ursprung hat. Tanlo ist nämlich, was auf Grund der Lautgesetze leicht wahrscheinlich gemacht werden kann, nichts weiter als Düte, eine Be¬ nennung, welche demjenigen Flusse zukommt, der unweit Iburg entspringt und eine Meile unterhalb Osnabrück in die Hase mündet. Teutvburg ist also das¬ selbe, wie Dütcberg oder Dütegebirge, und der Teutoburger Wald ist der Wald des Dtttegcbirges, d. h. des Gebirges an den Quellen der Düte. Nachdem ich diese Bemerkungen vorausgeschickt habe, gehe ich nun auf die geschichtlichen Thatsachen selbst ein. Die Unterwerfung deutscher Stämme hatte bereits zur Zeit Cäsars ihren Anfang genommen. Schon damals war die Grenze des römischen Reiches bis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/583>, abgerufen am 17.09.2024.