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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr.

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Zur Geschichte der beständigen Befestigung.

seiner Soldaten aufs Spiel, um eine" Erfolg schneller zu gewinnen, der ihm
durch bedächtige, planmäßige Anordnungen sicher war. Seine persönliche Tapfer--
keit war dabei von der ruhigen, entschlossenen und geräuschlosen Art, welche
sich in zahllosen Anekdoten widerspiegelt, die von ihm erzählt werden. Immer
bestrebt, sich genau über alle Umstände eines Platzes zu unterrichten, liebte er
es, allein, ohne Aufsehen zu erregen, seine Erkundigungen einzuziehen und seine
Vcobachtuugeu anzustellen. Vor Luxemburg streifte er so Nacht für Nacht bis
zu den Pallisaden des gedeckten Weges. Einmal wurde er bemerkt, er gab den
Wachtposten der Belagerten ein Zeichen, nicht zu schießen, und schritt ruhig
seines Weges weiter, anstatt sich zurückzuziehen. Die Posten glaubten, es wäre
einer ihrer Offiziere und ließe" ihn ruhig seine Beobachtungen beendigen und
unversehrt zurückkehren. Dieselbe Umsicht und Gewissenhaftigkeit bekundete er
in den bürgerlichen Verwaltnngsgeschüftcn, die ihm übertragen wurden. Er
tadelte die religiösen Verfolgungen und erhob einen zornigen Protest gegen die
Aufhebung des Edikts von Nantes. In den Finanzangelegenheiten des Reiches
verriet er seinen Scharfblick in den wichtigen Vorschlägen zur Verbesserung der
Steuern und der Verwaltung, die er in seinem berühmten Werk über die I>!ins
roMo niederlegte, einem Werke, das seinem Zeitalter so weit voraus war, daß
es ihm Spott und Verfolgung einbrachte.

Nicht zum Vorteil für die Kunst der "beständigen Befestigung," nötigte
der Verlauf der -Ereignisse Vauban, sein Genie mehr den Methoden des Angriffs
als dem Fortschritt der Verteidigung zuzuwenden. So entwickelte er seine
Lehre bis zu einer Vollendung, daß unter Voraussetzung der gewöhnlichen
Verteilung von Garnison und Belagerungsheer die Einnahme eines Platzes
eine bloße Frage der Zeit und der Methode wurde. Zu seiner und der spätern
Zeit blieb ihr Erfolg immer der gleiche, und erst der deutsch-französische Krieg
hat darin eine Änderung hervorgerufen.

Vaubaus Angriffssystem war zu vollkommen, um uoch Raum zu nennens¬
werten Verbesserungen zu lassen. Die Aufmerksamkeit der Spätern wendete
sich daher wieder mehr der Befestigung zu. In Frankreich ragen die Namen
des Marquis von Montalembert und Camoes, in Deutschland diejenigen
Wallrawes und Friedrichs des Großen hervor. Montalembert war der eigent¬
liche Schöpfer des Tenaillensystems. das ein halbes Jahrhundert vorher (1707)
bereits der Niederländer Landsberg angestrebt hatte.

Das Tenaillensystcm, dessen wesentliches Kennzeichen in der Kantenbrechung
des Hauptwalles besteht, derart, daß immer ein ausspringender Winkel mit
einem einspringenden abwechselt, mithin sich alle Linien gegenseitig flankiren,
bietet natürlich dem Feinde ein geringeres Ziel für seine Geschütze, als die hoch
emporstrebenden und breit entladenen Bastionen. Montalembert verwarf jede
Spur einer bastivnciren Krönung und ersetzte sie durch Vertcidiguugskasematten
oder äußerst massive kasemattirte Türme. Das erlaubte ihm eine Ansammlung


Zur Geschichte der beständigen Befestigung.

seiner Soldaten aufs Spiel, um eine» Erfolg schneller zu gewinnen, der ihm
durch bedächtige, planmäßige Anordnungen sicher war. Seine persönliche Tapfer--
keit war dabei von der ruhigen, entschlossenen und geräuschlosen Art, welche
sich in zahllosen Anekdoten widerspiegelt, die von ihm erzählt werden. Immer
bestrebt, sich genau über alle Umstände eines Platzes zu unterrichten, liebte er
es, allein, ohne Aufsehen zu erregen, seine Erkundigungen einzuziehen und seine
Vcobachtuugeu anzustellen. Vor Luxemburg streifte er so Nacht für Nacht bis
zu den Pallisaden des gedeckten Weges. Einmal wurde er bemerkt, er gab den
Wachtposten der Belagerten ein Zeichen, nicht zu schießen, und schritt ruhig
seines Weges weiter, anstatt sich zurückzuziehen. Die Posten glaubten, es wäre
einer ihrer Offiziere und ließe» ihn ruhig seine Beobachtungen beendigen und
unversehrt zurückkehren. Dieselbe Umsicht und Gewissenhaftigkeit bekundete er
in den bürgerlichen Verwaltnngsgeschüftcn, die ihm übertragen wurden. Er
tadelte die religiösen Verfolgungen und erhob einen zornigen Protest gegen die
Aufhebung des Edikts von Nantes. In den Finanzangelegenheiten des Reiches
verriet er seinen Scharfblick in den wichtigen Vorschlägen zur Verbesserung der
Steuern und der Verwaltung, die er in seinem berühmten Werk über die I>!ins
roMo niederlegte, einem Werke, das seinem Zeitalter so weit voraus war, daß
es ihm Spott und Verfolgung einbrachte.

Nicht zum Vorteil für die Kunst der „beständigen Befestigung," nötigte
der Verlauf der -Ereignisse Vauban, sein Genie mehr den Methoden des Angriffs
als dem Fortschritt der Verteidigung zuzuwenden. So entwickelte er seine
Lehre bis zu einer Vollendung, daß unter Voraussetzung der gewöhnlichen
Verteilung von Garnison und Belagerungsheer die Einnahme eines Platzes
eine bloße Frage der Zeit und der Methode wurde. Zu seiner und der spätern
Zeit blieb ihr Erfolg immer der gleiche, und erst der deutsch-französische Krieg
hat darin eine Änderung hervorgerufen.

Vaubaus Angriffssystem war zu vollkommen, um uoch Raum zu nennens¬
werten Verbesserungen zu lassen. Die Aufmerksamkeit der Spätern wendete
sich daher wieder mehr der Befestigung zu. In Frankreich ragen die Namen
des Marquis von Montalembert und Camoes, in Deutschland diejenigen
Wallrawes und Friedrichs des Großen hervor. Montalembert war der eigent¬
liche Schöpfer des Tenaillensystems. das ein halbes Jahrhundert vorher (1707)
bereits der Niederländer Landsberg angestrebt hatte.

Das Tenaillensystcm, dessen wesentliches Kennzeichen in der Kantenbrechung
des Hauptwalles besteht, derart, daß immer ein ausspringender Winkel mit
einem einspringenden abwechselt, mithin sich alle Linien gegenseitig flankiren,
bietet natürlich dem Feinde ein geringeres Ziel für seine Geschütze, als die hoch
emporstrebenden und breit entladenen Bastionen. Montalembert verwarf jede
Spur einer bastivnciren Krönung und ersetzte sie durch Vertcidiguugskasematten
oder äußerst massive kasemattirte Türme. Das erlaubte ihm eine Ansammlung


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[0575] Zur Geschichte der beständigen Befestigung. seiner Soldaten aufs Spiel, um eine» Erfolg schneller zu gewinnen, der ihm durch bedächtige, planmäßige Anordnungen sicher war. Seine persönliche Tapfer-- keit war dabei von der ruhigen, entschlossenen und geräuschlosen Art, welche sich in zahllosen Anekdoten widerspiegelt, die von ihm erzählt werden. Immer bestrebt, sich genau über alle Umstände eines Platzes zu unterrichten, liebte er es, allein, ohne Aufsehen zu erregen, seine Erkundigungen einzuziehen und seine Vcobachtuugeu anzustellen. Vor Luxemburg streifte er so Nacht für Nacht bis zu den Pallisaden des gedeckten Weges. Einmal wurde er bemerkt, er gab den Wachtposten der Belagerten ein Zeichen, nicht zu schießen, und schritt ruhig seines Weges weiter, anstatt sich zurückzuziehen. Die Posten glaubten, es wäre einer ihrer Offiziere und ließe» ihn ruhig seine Beobachtungen beendigen und unversehrt zurückkehren. Dieselbe Umsicht und Gewissenhaftigkeit bekundete er in den bürgerlichen Verwaltnngsgeschüftcn, die ihm übertragen wurden. Er tadelte die religiösen Verfolgungen und erhob einen zornigen Protest gegen die Aufhebung des Edikts von Nantes. In den Finanzangelegenheiten des Reiches verriet er seinen Scharfblick in den wichtigen Vorschlägen zur Verbesserung der Steuern und der Verwaltung, die er in seinem berühmten Werk über die I>!ins roMo niederlegte, einem Werke, das seinem Zeitalter so weit voraus war, daß es ihm Spott und Verfolgung einbrachte. Nicht zum Vorteil für die Kunst der „beständigen Befestigung," nötigte der Verlauf der -Ereignisse Vauban, sein Genie mehr den Methoden des Angriffs als dem Fortschritt der Verteidigung zuzuwenden. So entwickelte er seine Lehre bis zu einer Vollendung, daß unter Voraussetzung der gewöhnlichen Verteilung von Garnison und Belagerungsheer die Einnahme eines Platzes eine bloße Frage der Zeit und der Methode wurde. Zu seiner und der spätern Zeit blieb ihr Erfolg immer der gleiche, und erst der deutsch-französische Krieg hat darin eine Änderung hervorgerufen. Vaubaus Angriffssystem war zu vollkommen, um uoch Raum zu nennens¬ werten Verbesserungen zu lassen. Die Aufmerksamkeit der Spätern wendete sich daher wieder mehr der Befestigung zu. In Frankreich ragen die Namen des Marquis von Montalembert und Camoes, in Deutschland diejenigen Wallrawes und Friedrichs des Großen hervor. Montalembert war der eigent¬ liche Schöpfer des Tenaillensystems. das ein halbes Jahrhundert vorher (1707) bereits der Niederländer Landsberg angestrebt hatte. Das Tenaillensystcm, dessen wesentliches Kennzeichen in der Kantenbrechung des Hauptwalles besteht, derart, daß immer ein ausspringender Winkel mit einem einspringenden abwechselt, mithin sich alle Linien gegenseitig flankiren, bietet natürlich dem Feinde ein geringeres Ziel für seine Geschütze, als die hoch emporstrebenden und breit entladenen Bastionen. Montalembert verwarf jede Spur einer bastivnciren Krönung und ersetzte sie durch Vertcidiguugskasematten oder äußerst massive kasemattirte Türme. Das erlaubte ihm eine Ansammlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_288451/575>, abgerufen am 17.09.2024.